HF-Felder und Projected Capacitive Touch

Touch ohne Störung

25. November 2022, 10:00 Uhr | Rudolf Sosnowsky, CTO bei Hy-Line

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Herausforderungen in der HF-Chirurgie

Nicht nur der HF-Generator selbst, sondern auch alle in der unmittelbaren Umgebung befindlichen elektrischen Geräte wie z. B. Bedienmonitore, OP-Leuchten und Infusionspumpen sind den abgestrahlten Signalen ausgesetzt. Die Änderung des Stroms kann ungleichmäßig sein, sodass mit hohen Stromspitzen zu rechnen ist, die einen Einfluss auf das sich ergebende Feld haben. Im monopolaren Betrieb (Bild 1) sind Hin- und Rückleitung voneinander getrennt. Damit wird ein Störfeld zwischen den beiden Leitungen aufgespannt. Im bipolaren Betrieb hingegen sind Hin- und Rückleiter in einem Kabel geführt, sodass auf beiden Leitern befindliche elektrische Störungen sich gegenseitig abschwächen. Besondere und breitbandige Störungen wirken bei der Spray-Koagulation auf die gesamte Elektronik und das Touchsystem ein. Unbeabsichtigte Störsignale können nicht nur auftreten, wenn die Elektrode den Touchsensor berührt, sondern auch, wenn das Kabel während der Operation in der Nähe des Touchsensors verläuft. Die Touchtechnologie muss also besonders störunempfindlich designt und eingestellt werden, um einen sicheren Operationsbetrieb aller Medizingeräte im HF-Umfeld zu gewährleisten.

PCAP-Touch-Technologie

Ursprünglich aus der Consumer-Elektronik kommend, ist die PCAP-Touch-Technologie (Projected CAPacitive) heute auch in professionellen Medizingeräten weit verbreitet. Sie hat durch die Integration hinter Deckglas eine bündige, leicht zu reinigende Oberfläche und bietet Front-Designs mit Bedruckung und Hinterleuchtung. Dank aktueller Hard- und Software von Touchcontrollern können jetzt Störungen besser unterdrückt und erfasste Touchereignisse auch auf Plausibilität geprüft werden, sodass Betrieb und Bedienung auch in HF-Umgebungen immer sicher bleiben.

Design mit PCAP

Bei der Integration in ein Medizingerät werden Display, Touchsensor und Deckglas miteinander verklebt und in das Gehäuse eingebaut. Die elektrische Anbindung an die Versorgung und besonders an die Masse (Bild 3) des Systems muss unter EMV-Aspekten besonders beachtet werden.

Beispiel für die Masseanbindung des Controllers
Bild 3. Beispiel für die Masseanbindung des Controllers.
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Der PCAP-Controller stellt im Kern die Grundfunktionen zur Auswertung von Touchereignissen auf dem PCAP-Sensor zur Verfügung, deren Ergebnisse an das Hostsystem weitergegeben werden. Diese können vielseitig parametriert werden, um im finalen Medizingerät eine optimale Funktion zu erzielen. Da das PCAP-Prinzip auf der Änderung kleinster Kapazitäten basiert, müssen alle Einflüsse, die das vom Sensor ausgehende elektrische Feld beeinflussen, berücksichtigt oder ausgeschaltet werden. Dies beginnt bei der Mechanik der umgebenden Frontplatte. Von elektrischer Seite aus sind dies Störfelder, die vom darunter liegenden Display ausgehen, aber auch Schaltnetzteile und vorbeiführende Leitungen zur Stromversorgung anderer Komponenten. In HF-Umfeldern sind diese Störquellen besonders intensiv.

Touch ohne Störung

Erst wenn alle Störeinflüsse bekannt und eliminiert sind, kann der Touchcontroller auf die gewünschte Betriebsart eingestellt werden: Wie viele Berührungen soll er gleichzeitig erkennen (Mehrfingergesten) und wie sensitiv muss er sein, um z. B. auch Finger durch Handschuhe hindurch erkennen zu können? Wie dick ist das Deckglas? Kommen erschwerte Bedingungen durch Fremdkörper auf der Oberfläche hinzu wie z. B. eine feuchte Oberfläche, Wassertropfen, fließendes oder stehendes Wasser oder andere Flüssigkeiten?

Die Controller-Firmware wertet die gemessenen Ereignisse aus und prüft sie. Sind die Koordinaten plausibel und über mehrere Scan-Durchläufe hinweg präsent? Stimmt das Signal/Noise-Verhältnis? Muss die Betriebsart geändert werden, um zuverlässigere Werte zu bekommen, z. B. weniger Finger gleichzeitig, liegt eine Benetzung mit einer Flüssigkeit vor oder ein Handballen auf dem Touchscreen? Statische Störungen durch z. B. die Generator-Grundfrequenz sind unbedingt auszuschließen. Durch Ändern der Abtastrate und damit der Arbeitsfrequenz versucht der Controller, durch Überlagerung verursachte Interferenzen zu umgehen.

influss von Störsignalen. Große Kreise geben ein Touchereignis an, kleine Kreise markieren das Loslassen. Linien zeigen den Pfad der kontinuierlichen Berührung
Bild 4. Einfluss von Störsignalen. Große Kreise geben ein Touchereignis an, kleine Kreise markieren das Loslassen. Linien zeigen den Pfad der kontinuierlichen Berührung.
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Auch das GUI kann einen Einfluss auf die einwandfreie Funktion haben; man möchte nicht Funktionstasten am Rand des Touchscreens haben, wenn sich dort stehendes Wasser stauen kann. Bild 4 zeigt, welche Auswirkungen Störsignale auf einen nicht optimal abgestimmten Touchscreen haben können. Auf dem Touchsensor wurden zwei parallele Linien gezeichnet. Von links nach rechts sind zu sehen:

➔ Ohne Störsignal: Berühren und Loslassen des Touchscreens funktionieren einwandfrei, die Koordinaten der Touch- ereignisse werden korrekt erkannt.
➔ Mit zunehmender Intensität wird die Lokalisierung der Touchereignisse schwieriger: Die erkannte Position weicht zum Teil deutlich von der realen ab. Berührungen und Loslassen werden einwandfrei erkannt.
➔ Bei weiter ansteigendem Störsignal kommt es zu stärkeren Abweichungen von der korrekten Position. Die gleichzeitige Präsenz mehrerer Touchereignisse wird nicht sicher erkannt. Trotz Kontakt zwischen Finger und Touchscreen wird ein Loslassen detektiert und an das System gemeldet.
➔ Bei stärkstem Störsignal ist der Touchscreen praktisch komplett in seiner Funktion gestört: Berühren und Loslassen werden nicht mehr sicher erkannt, es treten ohne Berührung »Ghost«-Ereignisse (grün) auf, die Zuordnung der Finger zu den Koordinaten stimmt nicht mehr (rot und blau wechseln ab).

Verifikation im HF-Labor

Einkopplung von Störsignalen im Labor
Bild 5. Einkopplung von Störsignalen im Labor.
© Hy-Line

Für die Feinabstimmung des HF-Touchdisplays wird in einem Testaufbau im Labor die OP-Umgebung durch Simulation nachgestellt. Als Störquelle dient ein Funktionsgenerator, der mit einem Metallstift und definiertem Abstand auf den Touchsensor einwirkt (Bild 5). Signalform, Amplitude und Frequenz werden nacheinander modifiziert. Unter dem Einfluss des Störsignals werden der Touchscreen mit dem Finger bedient und die resultierenden Touchereignisse ausgewertet. Die Einstellungen werden so lange optimiert, bis die Funktion der Spezifikation entspricht. Das Ergebnis muss dann am realen HF-Generator nur noch geringfügig justiert werden.

HF-Chirurgie mit Touch

Mit der Verwendung von Hochfrequenz lassen sich viele Bereiche der Chirurgie abdecken. Durch minimalinvasive Eingriffe reduziert sich die Gefahr für den Patienten, die Heilung der Operations-wunden kann gezielt gesteuert werden, und die Verweildauer im Krankenhaus verkürzt sich wegen kleinerer Wunden und besserer lokaler Behandlungen. Ein Nachteil der HF-Chirurgie ist, dass das Verfahren durch die Energie des Generators die Umgebung mit vagabundierenden Strömen stört. Da PCAP-Touchscreens auf feinste Änderungen des elektrischen Feldes reagiert, konnten sie in den vielfältigen Geräten, die im OP in der Umgebung eines HF-Generators eingesetzt werden, nicht integriert werden. Verbesserte, gegenüber Störstrahlung unempfindlichere Touchcontroller ermöglichen nunmehr mit gesteigerter Rechenleistung und angepassten Algorithmen, dass – unter Beachtung einiger konstruktiver Maßnahmen – ein PCAP-Touchscreen ohne Einbußen an Sicherheit oder Komfort verwendet werden kann.

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Aufbau eines TouchControllers

Aufbau eines TouchControllers
Aufbau eines TouchControllers
© Hy-Line

Das Touchsystem besteht aus zwei Komponenten: dem Touchsensor, der ein kapazitives Feld aufspannt, das durch die Berührung mit Fingern oder anderen Gegenständen beeinflusst wird, und dem Touchcontroller, der diese Berührungen auswertet. Die Auswertung findet durch sequenzielles Abtasten der Zeilen und Spalten statt. Dabei wird sowohl die Kapazität einzelner Elektrodenpaare (Self Capacitive) als auch die Wechselwirkung benachbarter Elektroden (Mutual Capacitive) ausgewertet.

Die Grundfunktionen sind: Erkennen eines Touchereignisses (Touch), Verschwinden eines Touchereignisses (Release) und die Erkennung von Gesten (Swipe, Zoom, Pinch). Dabei können je nach Einstellung auch mehrere Ereignisse gleichzeitig ausgewertet werden (Multi Finger Touch und Gesten). Die auf dem Touchcontroller laufende Software deckt alle diese Funktionen ab.

Die Grundfunktionen können in weiten Grenzen parametriert werden, um die Funktion des Touchscreens an die gewünschte Bedienoberfläche und das elektrische Umfeld anzupassen. Dies wird auch als »Fine Tuning« bezeichnet, bei dem über 50 Parameter in der Firmware eingestellt werden.

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