Kunstherzen übernehmen immer häufiger die Aufgabe eines Spenderorgans
Es war ein Durchbruch – und eine Niederlage zugleich: Am 13. Februar 1969 gelang einem Team um den Münchner Arzt Rudolf Zenker die erste Herztransplantation in Deutschland. Die Operation sei »programmgemäß« verlaufen, meldete Zenker kurz danach. Das fremde Herz war in der Brust des Patienten erfolgreich zum Schlagen gebracht worden. Doch 27 Stunden später verstarb dieser.
Inzwischen ist die Herztransplantation eine anerkannte Behandlung für schwerkranke Menschen. Laut Deutscher Stiftung Organtransplantation (DSO) transplantieren Ärzte in Deutschland pro Jahr an die 300 Herzen. Nach drei Jahren schlagen Studien zufolge noch 70 Prozent der Herzen im Empfänger, nach zehn Jahren 60 Prozent. Viele Patienten überleben Jahrzehnte.
Doch die Warteliste ist lang. Mehr als 700 Menschen hoffen laut DSO in Deutschland auf ein Herz – je nach Dringlichkeit bis zu 2 Jahren. Die Folge: Viele Patienten sterben, bevor sie ein Herz bekommen. Alternativen müssen her, zum Beispiel in Form eines Kunstherzens. Galten diese früher noch als Überbrückungstherapie beim Warten auf ein Transplantat, haben die Geräte heute den Status einer Destinations-Therapie eingenommen, bei der das Kunstherz die dauerhafte Lösung ist.
Es verwundert daher kaum, dass die Zahl der Kunstherz-Transplantationen stetig zunimmt. Allein in Deutschland leben schätzungsweise 2000 Menschen mit dieser Technik. Das liegt vor allem in der stetigen Weiterentwicklung der Systeme. Die Pumpleistung moderner Geräte entspricht der des Herzens. Die Lebenserwartung der Patienten verbessert sich so deutlich. Vier von fünf Patienten mit einem solchen Unterstützungssystem überleben das erste Jahr. Ein Patient aus Sachsen-Anhalt lebt inzwischen sogar zehn Jahre mit seinem Kunstherz. Das ist europaweiter Rekord.
Der Begriff Kunstherz* weckt jedoch die falsche Vorstellung, es handele sich um Geräte, die das natürliche Original ersetzen. Daran wird auch intensiv geforscht, aber bisher handelt es sich bei den meisten Anwendungen um Herzunterstützungssysteme beziehungsweise mechanische Kreislaufunterstützung. Die helfen dem eigenen geschwächten Herzen (Herzinsuffizienz), Blut in den Körper zu pumpen und so die Organe mit Sauerstoff zu versorgen – kurzfristig (Kurzzeitsysteme, ECLS) oder über einen längeren Zeitraum (Langzeitsysteme, VAD).
Ein VAD (Ventricular Assist Device) ist eine mechanische Pumpe, welche die Leistung der linken (LVAD), der rechten Herzkammer (RVAD) oder beider Herzkammern (BiVAD) übernimmt. Die Operation zum Einsatz des Systems wird entweder am offenen Herzen oder minimalinvasiv durchgeführt. Welche Methode für welchen Patienten in Frage kommt, muss individuell entschieden werden. Das LVAD ist die am häufigsten angewandte Form der Herzunterstützung.
Das System HeartMate 3 von Abbott ist laut dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) das derzeit modernste LVAD auf dem Markt. »Dabei handelt es sich um eine mechanische, zentrifugal Pumpe, die in einer Operation implantiert und an das Herz angeschlossen wird«, erklärt Astrid Tinnemans, Head of Public Affairs Germany bei Abbott. Dort unterstützt das System die Pumpfunktion des geschwächten linken Ventrikels, der normalerweise die Aufgabe hat, sauerstoffreiches Blut aus der Lunge in den Körper zu pumpen. Das Gerät wird mit der Aorta, der für die Blutversorgung des gesamten Körpers zuständigen Hauptschlagader, verbunden. »Dabei bleibt die natürliche Blutzirkulation erhalten, während das Gerät zugleich die gesamte Energie liefert, die zum Transport des Blutes durch den Körper benötigt wird«, so Tinnemans. Das LVAD HeartMate 3 könne bis zu 10 Liter Blut pro Minute pumpen. Zum Vergleich: Das Herz transportiert im Ruhezustand fünf bis sechs Liter Blut pro Minute. Bei sehr großer Anstrengung können es sogar 20 bis 25 Liter pro Minute sein.
Für die Stromversorgung und die Steuerung führt ein Kabel aus dem Körper und lässt sich dort an eine Steuereinheit anschließen. Tagsüber erfolgt die Stromversorgung über Batterien, die der Patient in einem kleinen Rucksack oder einer kleinen Umhängetasche bei sich trägt. »Die Batterien halten 17 Stunden lang und können über Nacht wieder aufgeladen werden«, sagt Tinnemans. Jeder Patient verfügt über mehrere Sätze an Batterien. Auf diese Weise könne der Nutzungskomfort erhöht und eine fortlaufende Unterstützung durch das System gewährleistet werden.
Die Rotoren des HeartMate 3 sind nicht mechanisch mit dem Gehäuse verbunden, sondern schweben aufgrund von Magneten (Full-MagLev-Technologie) in der Blutbahn. »Diese besondere Bauweise trägt dazu bei, Komplikationen zu minimieren und den Blutfluss wiederherzustellen«, erklärt Tinnemans. Dafür rotieren die kleinen Bauteile bis zu 6.000 Mal um die eigene Achse. Der Vorteil: Es gibt weder Reibung noch kommt es zur Beschädigung der Blutkörperchen. Bedingt durch die Magneten gäbe es zudem keinen Verschleiß am Produkt.
Trotz aller technologischen Fortschritte haben auch die Kunstherzen beziehungsweise Herzunterstützungssysteme ihre Schwachstellen. Das gilt vor allem für das Kabel, das aus dem Körper führt. An ihm entlang können Krankheitserreger in den Körper gelangen. Bei rund zehn Prozent der Patienten kommt es innerhalb eines Jahres zu Infektionen. Um dies zu verhindern, versucht die Forschung die Batterie und das Steuergerät in den Körper unter die Haut einzusetzen. Das Kabel durch die Haut würde entfallen. Dafür müsste sich die Batterie von außen über die Haut aufladen lassen – ein Problem, das wir bereits von den Herzschrittmachern kennen.
Hinzu kommt: Ein VAD ist für den Körper eine fremde Oberfläche. Das Blut, das damit in Kontakt kommt, reagiert. Es besteht daher immer die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden, die unter Umständen zu einem Schlaganfall führen können. Der Patient benötigt Blutverdünner. Abbott hat dieses Problem bei seinem HeartMate 3 über eine spezielle Oberfläche gelöst. Das System weißt dadurch eine gute Blutverträglichkeit auf, wodurch sich das Risiko einer Gerinnselbildung verringert.
Herzunterstützungssysteme sind derzeit die beste Alternative für Patienten, deren Herzschwäche weit fortgeschritten ist oder die für eine Transplantation nicht in Frage kommen. Auch wenn das Leben mit einem »Kunstherz« durchaus mit Einschränkungen verbunden ist, schenken die Systeme trotz allem Lebensqualität.
Kleiner Lichtblick: Schon heute gibt es Systeme, die das menschliche Herz ersetzen. In einer Operation wird das Herz des Patienten vollständig entnommen und durch zwei mechanische Pumpen ersetzt. So werden der kleine und der große Kreislauf unterstützt. Allerdings kommen diese komplett künstlichen Herzen (TAH, Total Artificial Heart) bisher nur selten zum Einsatz.
5 Fragen an ... |
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… Christian Maier, Leiter Presse & Kommunikation Deutsches Herzzentrum Berlin (DHZB) Mit welchen Einschränkungen müssen Patienten rechnen? Müssen die Systeme irgendwann ausgetauscht werden? Gibt es Patienten, die nicht in Frage kommen? Welche Verbesserungen können Patienten erwarten? Wann rechnen Sie mit diesen? |
Autorin Melanie Ehrhardt ist Redakteurin bei der medical design
Schlagworte: Kardiologie, Herzchirurgie, Herzunterstützungssysteme, Kunstherz, VAD, LVAD HeartMate 3
Genannte Firmen: Abbott, DHZB
* Unter einem Kunstherz versteht man ein innerhalb oder außerhalb des Körpers installiertes, elektromechanisches Pumpsystem, das die Funktion des natürlichen Herzens für einen bestimmten Zeitraum übernimmt und den Transport von Blut durch das Gefäßsystem antreibt. Der Unterschied zum Herzunterstützungssystem liegt darin, dass das Kunstherz das natürliche Herz vollständig ersetzt. Beide Begriffe werden jedoch häufig synonym verwendet.