Miniaturisierung

Von kompliziert zu praktisch

8. Juli 2021, 13:00 Uhr | Aktiia
Die ScanWatch ist nur eine Beispiel dafür, wie aus komplizierten Methoden praktische Geräte wurden - Miniaturisierung sei dank.
© Withings

Drei Medizinprodukte, die eine erstaunliche Entwicklung hinter sich haben

Themenwoche mHealth

Die Medizin schrumpft. Ihre Geräte wandern von großen Laboren in kleine Hosen- und Handtaschen, immer mehr diagnostische Verfahren werden für medizinisch nicht speziell ausgebildete Menschen zugänglich. Wir stellen drei Medizinprodukte vor, deren Miniaturisierung zeigt, welche Möglichkeiten die Zukunft noch bereithält.

Herzaktivität: Vom mannsgroßen EKG zur Smartwatch

Ein Elektrokardiogramm (EKG) ist jedem bekannt, der schon einmal eine Arztserie geschaut hat. Doch hinter dem typischen Bildschirm mit den Herzschlägen verbirgt sich eine komplizierte Technik und eine lange Entwicklungsgeschichte.

Da beim EKG die elektrischen Aktivitäten des Herzmuskels gemessen wird, war für Entwickler eine gute Leitfähigkeit von oberster Bedeutung. Bei dem ersten EKG, entwickelt 1903 von Willem Einthoven, mussten die Patient:innen daher ihre Arme und Beine in Behälter mit einer Salzwasserlösung tauchen. Die Flüssigkeit leitete den Strom zu einem Bedientisch und konnte dort abgelesen werden.

1924 erhielt Einthoven für seine Entdeckung den Nobelpreis. Sein System war für den alltäglichen Gebrauch jedoch völlig ungeeignet. Es handelte sich um nahezu zimmergroße Maschinen, die zusammen mit ihren Hilfsaggregaten einige hundert Kilogramm wogen und mehrere Assistenten zur Bedienung und Auswertung benötigten. Um beispielsweise bettlägerige Patienten zu untersuchen, mussten bis zu zwei Kilometer lange elektrische Leitungen von Einthovens Labor ins Krankenzimmer verlegt werden.

Die rasante Entwicklung in der Elektrotechnik führte zu stetigen Verbesserungen. Zuerst vielen die Salzwasserbehälter weg, dann wurden die Analyse- und Bediengeräte immer kleiner und praktischer. Daher konnte auch ein EKG-Gerät für den mobilen Einsatz wie zum Beispiel in Rettungswägen entwickelt werden. Lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern lassen so erkannt und mit einem Defibrillator behandeln.

Die vorerst letzte Entwicklungsstufe ist der implantierbare Herzmonitor. Das Gerät in Größe eines USB-Sticks wird bei lokaler Betäubung unter die Haut geschoben und kann die Herzaktivitäten bis zu drei Jahre 24 Stunden am Tag überwachen.
Inzwischen hat das EKG sogar den rein medizinischen Bereich verlassen und wird von Fitnesssportlern als Smartwatch am Handgelenk getragen. Aus dem tischgroßen Gerät mit speziellen Wasserkanistern ist so ein Alltagsgegenstand geworden, mit dem Jogger und Kraftsportler ihr Training optimieren.

Blutdruck: Von der Manschette mit Pumpe zum Armband

Das Aktiia-Blutdrucksystem besteht aus einem Armband und einer App.
Blutdruckmessen ohne Nanschette: Das Aktiia-Blutdrucksystem besteht aus einem Armband und einer App.
© Aktiia

Bluthochdruck ist heutzutage eine weit verbreitete Beschwerde und kann ernste Erkrankungen wie Schlaganfälle, Herzinfarkte und Arterienverkalkung begünstigen. Da es jedoch keine direkten körperlichen Auswirkungen auf die Betroffenen gibt, ist eine regelmäßige Messung umso wichtiger.

Ein Blick zurück zeigt, dass dies früher gar nicht so einfach war. Bei der ersten Blutdruckmessung 1713 - die an einem Pferd vorgenommen wurde - musste die Vene mit einem senkrechten Glasrohr verbunden werden, in dem das Blut anstieg. Anhand der Höhe konnte dann der Blutdruck berechnet werden. Allerdings diente das Verfahren rein wissenschaftlichen Zwecken, die Tiere überlebten die Untersuchung nicht. Eine Anwendung am Menschen war daher nicht möglich.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden erstmals unblutige Verfahren entwickelt, zunächst allerdings ohne genaue Werte: Die Ausschläge des Pulses am Handgelenk wurden mechanisch an einen Stift übertragen und auf Papier aufgezeichnet. Der endgültige Durchbruch in der Blutdruckmessung kam dann mit der aufblasbaren Manschette, die von Scipione Riva-Rocci, einem italienischen Arzt, entwickelt wurde. Diese Methode ist inzwischen Standard und jedem Besucher einer Arztpraxis bekannt.

Doch auch die Blutdruckmanschette ist nicht frei von Problemen und Anwendungsschwierigkeiten. So führt der »Weißkitteleffekt« dazu, dass bei Patient:innen in Anwesenheit eines Arztes oder einer Ärztin der Blutdruck steigt - was jedoch nur an der ungewohnten Untersuchungssituation liegt. Auch eine Erfassung des Blutdrucks über einen längeren Zeitraum hinweg ist schwierig, da die Messungen von den Patient:innen eigenständig vorgenommen werden müssen. Um die letzten Probleme zu beseitigen, hat das schweizer Start-up Aktiia nun ein Armband entwickelt, das rund um die Uhr den Blutdruck misst. Damit ist erstmals eine umfassende, alltagstaugliche Methode zur Blutdruckmessung verfügbar.

Blutzucker: Von Radio-Größe zum implantierten Sensor

Das FreeStyle Libre 2-Messsystem wird bequem am Oberarm getragen.
Blutzuckermessen ohne Pieks: Das FreeStyle Libre 2-Messsystem wird bequem am Oberarm getragen.
© Abbott Diabetes Care

Für Millionen von Diabetespatienten ist eine regelmäßige und unkomplizierte Blutzuckermessung nicht mehr wegzudenken. Mit moderner Technik ist eine ständige Überwachung dieses lebenswichtigens Wertes und eine Anpassung der Medikation möglich.

Doch das war nicht immer so. Im antiken Griechenland war Diabetes bereits bekannt und wurde umfassend beschrieben. Erhöhte Zuckerwerte ermittelte man durch eine Geschmacks- oder Geruchsprobe des Urins. Die Methode fand noch bis Ende des 19. Jahrhunderts Anwendung. Das die Zuckerausscheidung durch einen hohen Blutzuckerspiegel verursacht wurden, war jedoch nicht bekannt. Dieser Zusammenhang wurde erst 1900 entdeckt. Nun konnte durch die chemische Analyse einer Blutprobe der Blutzuckerspiegel bestimmt werden. Benötigt wurden 250 Milliliter Blut, ein entsprechendes Labor und einige Zeit. Daher konnten die Messungen nur in größeren Intervallen durchgeführt werden, was die richtige Insulin-Dosierung stark erschwerte.

Als Ende der 1960er Jahre dann die ersten kompakten Messgeräte entwickelt wurden, konnten  Ärzt:innen immerhin die Messung selbst durchführen. Die Kosten lagen jedoch bei ca. 1500 Mark pro Gerät, die zudem die Größe eines Radios hatten, für den Alltag also wenig handlich waren.

Eine regelrechte Revolution war die Erfindung von handlichen Messgeräten zum Selbsttest. Für den vollen Erfolg der Methode mussten allerdings zunächst die Bedenken der Ärzteschaft aus dem Weg geräumt werden. Diese traute den Patient:innen - also medizinischen Laien - eine korrekte Anwendung und regelmäßige Messung zunächst nicht zu.

Inzwischen werden die altbekannten Geräte mit Pieks in die Fingerspitze und Teststreifen durch eine neuen Generation abgelöst: Sensoren im Unterhautfettgewebe messen fortlaufend den Blutzucker und übertragen die Werte direkt auf das Smartphone. Eine neue Funktion ist dabei besonders wichtig: Bei einer gefährlichen Veränderung der Blutzuckerwerte gibt das Gerät automatische einen Alarm an die Träger:in.


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