Medizinprodukte

Weichmacher unerwünscht

14. März 2022, 8:53 Uhr | Actega
PVC-freie Medizinprodukte: Zu den wichtigsten therapeutischen Maßnahmen gehören Infusionstherapien
© iStock/Actega

So lässt sich PVC bei Infusionsbeuteln und Trachealkanülen vermeiden

Patienten, insbesondere Kinder, können durch die Anwendung von Medizinprodukten die aus Polyvinylchlorid (PVC) hergestellt sind, gefährdet werden. Weichmacher sind mit dem PVC chemisch nicht verbunden und können daher relativ leicht aus dem Medizinprodukt austreten. Durch Ausgasen oder Auswaschen, zum Beispiel durch Infusionen oder Nährlösungen, gelangen sie in den menschlichen Körper. Obwohl es auf dem Markt schon entsprechende PVC-freie Medizinprodukte gibt, verwenden viele Krankenhäuser immer noch PVC-haltige Artikel. Dazu gehören beispielsweise Harnkatheter, Blutdruckmessgeräte, IV-Beutel oder auch Endotracheal- und Ernährungsschläuche.

Infusionsbeutel: Geht es auch ohne PVC?

Zur Infusionstherapie stehen unterschiedliche Präparate zur Verfügung. Dabei kann man unspezifische Lösungen wie Elektrolytlösungen (»Kristalloide«) oder Glucoselösungen von solchen mit spezifischem therapeutischen Einsatzzweck unterscheiden, zum Beispiel kolloidale Lösungen zur Volumentherapie, hochkonzentrierte Glukoselösungen und andere Nährlösungen zur Ernährungstherapie oder Pufferlösungen zur Behandlung von Störungen des Säure-Basen-Haushaltes. 

Waren Infusionsbeutel traditionell eine Domäne von PVC, gerät das Material heute zunehmend unter Druck. Alternativen beginnen Marktanteile zu gewinnen. Einer Marktstudie von Grand View Research zufolge sei in den kommenden Jahren bis 2025 mit einem jährlichen Wachstum des Marktes für Infusionsbeutel aus PVC-Alternativen von 8,4 Prozent zu rechnen. Der Gesamtumfang des Weltmarktes für solche Produkte soll dann 2,29 Mrd. USD (2,08 Mrd. EUR) betragen.

Alternativen aus TPE

Auch aufgrund der voranschreitenden Entwicklung neuer hochwirksamer Medikamente, vor allem in der Onkologie, setzt man auf alternative, weichmacherfreie Materialien, sowohl für die Infusionsbeutel an sich, als auch für die Verschlüsse und die Füll- und Infusionsschläuche. Denn einerseits kann es zu Kompatibilitätsproblemen mit dem Material kommen, wenn es aus Weich-PVC gefertigt ist, zum anderen kann es zu unerwünschten »Nebenwirkungen« kommen, wenn von der Infusionslösung Weichmacher und andere Additive aus dem PVC-Material herausgelöst werden. Dies geschieht, wenn in der Infusionslösung fetthaltige oder lipidartige Substanzen enthalten sind.

Mit thermoplastischen Elastomeren (TPE), zum Beispiel ProvaMed von Actega, können effiziente Lösungen geboten werden. Diese sind in der Verarbeitung besonders hygienisch. Für das Material kommen nur Rohstoffe zum Einsatz, die den Anforderungen des Medizinmarktes entsprechen, um Kontaminationen auszuschließen. Die TPE lassen sich sterilisieren und bieten im Vergleich zum Septum aus Gummi den Vorteil der Verarbeitung im Spritzguss-Verfahren. Beim Verarbeiten im Zweikomponenten-Spritzgussverfahren wird zudem durch den Wegfall von Montagetätigkeiten Zeit gespart und die Verarbeitungsperformance gesteigert.

Weil TPE-Werkstoffe zudem hoch elastisch sind, dichtet das Septum den Infusionsbeutel zuverlässig ab, wenn der Infusionsschlauch entfernt wird. Für die medizinische Unbedenklichkeit sorgt schon der Produktionsprozess selbst.

PVC-freie Trachealkanülen

Die Tracheotomie bezeichnet die Öffnung der Luftröhre (Trachea) nach außen. Dabei wird unterhalb des Kehlkopfes durch einen erzeugten Zugang eine Trachealkanüle in die Trachea vorgeschoben. Sie ist einer der ältesten bekannten Operationen. In einem Papyros aus der Zeit 1500 v.Chr., das in Luxor gefunden wurde, gibt es bereits Hinweise auf das Öffnen der Luftröhre. Die anatomischen Strukturen waren bereits 3000 v.Chr. bekannt. Bereits in der ersten Dynastie der Ägypter unter König Aha gibt es Anmerkungen zu Anatomie und Operationen im Halsbereich.

Im Mittelalter wurden erstmals gekrümmte Röhrchen als Vorläufer der heutigen Trachealkanülen eingesetzt. Diphterie-Epidemien führten im 18. Jh. zum verstärkten Einsatz von Trachetomien. Erst im Verlauf des 19. Jh. wurde auch ein verstärktes Augenmerk auf die Nachsorge gelegt und ab dem 20. Jh. rückte die Therapie in den Vordergrund. Die Indikationen sind inzwischen um einiges vielfältiger geworden: Langzeitbeatmung, Aspirationsprophylaxe bei schweren Dysphagien, Stenosen im subglottischen Bereich oder im Kehlkopf und Rachen, pulmonare Erkrankungen, sowie Laryngektomie.

Im Schnitt werden heute jährlich 55.000 Tracheotomien und 1.300 Laryngektomien durchgeführt. Dafür steht eine große Auswahl an Trachealkanülen zur Verfügung: Von kleinen bis großen Innenvolumen, mit oder ohne Cuff, mit Suction Aid, mit Fensterung oder Siebung und Innenkanüle.

TPE hält Gamma-Sterilisation mit 50 kGy Stand

Wie in vielen Bereichen der Medizintechnik wurden kunststoffbasierte Trachealkanülen mehrheitlich aus PVC gefertigt. Aber auch hier hat ein Umdenken stattgefunden. Der Forderung nach Freiheit von PVC und phthalathaltigen Weichmachern kommen TPE-Werkstoffe entgegen. Sie sind auf allen gängigen Spritzguss- und Extrusionsanlagen sehr gut verarbeitbar. Dabei können die Fließeigenschaften des Materials exakt auf die Verarbeitung in der Extrusion eingestellt werden. Im Mehrkomponentenspritzguss wiederum können Trachealkanüle und Kanülenschild in einem – wirtschaftlich günstigen – Schritt hergestellt und die Hafteigenschaften der TPE auf das Material des Konnektors ausgelegt und optimiert werden.

Auch zum Aspekt der Lösemittelverklebbarkeit wurde eine – durch umfangreiche Testreihen bestätigte – ausgezeichnete Lösung gefunden. Denn oftmals ist es notwendig, dass Mikroschläuche durch das Kanülenschild hindurchgeführt und auf der Außenhülle mit gängigen Lösemitteln verklebt werden. Und diese Klebestellen müssen auch die nach Herstellung und Bedruckung erforderliche Sterilisation überstehen. Selbst nach einer Gamma-Sterilisation der TPE mit 50 kGy kann keine Beeinträchtigung der Materialeigenschaften festgestellt werden. (me)


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