Batterien für MedTech-Geräte

Wie lange reicht der Strom?

28. November 2022, 14:15 Uhr | Thomas Gsell, Applikationsingenieur bei Hy-Line
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Für eine garantierte Mindestlebensdauer werden Batterien in Medizingeräten meist überdimensioniert. Die Stand-by-Zeit und Einsatzdauer werden minimal angegeben, da diese je nach Batteriezustand stark variieren. Die teuren Power-Bauteile werden zudem fast immer zu früh entsorgt. Das geht effizienter.

Seit Mitte der 1990er-Jahre sind sogenannte intelligente Batterien auf dem Markt. Intelligent, weil Sekundärbatterien – also wiederaufladbare Batterien – auf Lithium-Ionen-Basis komplexe Elektronik enthalten, um ein Höchstmaß an Betriebssicherheit zu gewährleisten. Lithium-Ionen-Batterien haben sich als elektrische Energiespeicher bewährt, auch und vor allem in Medizinanwendungen. Der Zustand der Batterie beeinflusst maßgeblich die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems.

In sicherheitsrelevanten Anwendungen wie mobilen Defibrillatoren oder Beatmungsgeräten ist es essenziell, ob die Batterie im Ernstfall die benötigte Energie liefert. Die dafür wichtigen Systemparameter und Messwerte stecken im Batteriemanagementsystem (BMS), leider meist versteckt im Innern der Batterie. Der Betrieb einer Lithium-Ionen-Batterie ohne BMS ist schlicht verboten – es liegt also jede Menge Batterieinformation brach. Das dringend benötige Wissen ist vor den medizinischen Anwendern verborgen.

Parameter des Batteriezustands

Die wichtigsten Parameter sind der Gesundheitszustand (State of Health, SoH) und der Ladezustand (State of Charge, SoC). Der SoC ist die momentan noch zur Verfügung stehende Energie, also die Restkapazität, im Verhältnis zur Kapazität der vollen Batterie und der SoH das Verhältnis der maximal nutzbaren Kapazität zur Designkapazität. Eine 100-Ah-Batterie mit einem SoH von 80 Prozent hat noch eine Kapazität von 80 Ah, wenn sie voll aufgeladen ist. Die möglichst exakte Bestimmung des SoH- und SoC-Werts stellt die Wissenschaft vor riesige Herausforderungen.

Wenn Lithium-Ionen-Batterien altern, lässt ihre Kapazität nach. Entscheidend hierfür ist einerseits die kalendarische Alterung. Die Batterie altert ohne Nutzung, lediglich aufgrund der Zeit. Dieser Vorgang wird vor allem durch die Umgebungstemperatur beeinflusst. Andererseits hängt die Lebensdauer von der Nutzungsweise der Batterie ab. Die sogenannte zyklische Alterung wird bestimmt von den Betriebszyklen, also der Anzahl der Lade- und Entladevorgänge, der Lade- und Entladeschlussspannungen und der Höhe der Lade- und Entladeströme. Die mögliche Zyklenzahl wird von der Art und Qualität des Akkus sowie der Temperatur beeinflusst. Wie schnell eine Batterie bzw. die einzelnen Zellen eines Batteriepacks letztendlich altern, kann nur sehr schwer bestimmt oder vorhergesagt werden. Zum einen lässt sich die Kapazität nicht unmittelbar messen, zum anderen hängt der Alterungsprozess von einer Vielzahl äußerer und innerer Einflüsse ab. Die Batterieforschung optimiert die in den Batteriemanagementsystemen zur Ermittlung des SoH eingesetzten Algorithmen und Methoden ständig. Momentan wird beispielsweise ein neuartiges, vielversprechendes Messsystem entwickelt, basierend auf der Impedanzspektroskopie. Damit lassen sich batterieinterne Prozesse wie Elektrodendegradation, Ladungstransfer oder Diffusion messen und bewerten. Hierfür wird die Batterie mit Wechselströmen unterschiedlicher Frequenzen beaufschlagt und die dadurch resultierenden Batteriespannungen mit den Strömen zu Impedanzen verrechnet, um aus ihnen Rückschlüsse auf den Zustand der Batterie zu ziehen.

Auf einen Blick  

Das Hy-Di-System besteht aus einem intelligenten Ladegerät, einem Schnitt-stellengerät sowie Standardbatterien verschiedener Kapazitäten und Spannungen. Das intelligente Ladegerät ist in der Lage, Batteriedaten auszu-lesen, und passt den Ladestrom und die Ladeschlussspannung automatisch an die zu ladende Batterie an. Über das Ladegerät ist die Batterie mit dem Schnittstellengerät verbunden; dieses kann aber auch direkt an eine Batterie angeschlossen werden.

Das Schnittstellengerät liest rund 70 Parameter aus und ist in der Lage, diese Daten in einem einstellbaren Zeitintervall zu loggen.

Es wird via Ethernet-Schnittstelle mit
einem Datennetzwerk verbunden und über
eine voreinge-stellteindividuelle IP-Adresse angesprochen. Dies ermöglicht die Verbindung einer unbegrenzten Anzahl Batterien mit einem Netzwerk und deren Remote-Abfrage. Das Schnittstellen-gerät kann an intelligente Batterien unterschiedlicher Hersteller ange-schlossen werden und kommuniziert entweder über SM- oder CAN-Bus. Es besitzt einen integrierten Web-Server und kann plattformübergreifend mit jedem Web-Browser angesprochen werden; die Installation einer Software ist nicht notwendig. Mit dem Batteriestatus-System kann die Lebensdauer jeder MedTech-Batterie voll ausgeschöpft und die Systemsicherheit erhöht werden. 

 

Einblicke für Anwender

Mit der zur Verfügung stehenden Technik ist es höchste Zeit, die Batterieinformation dem Anwender direkt anzuzeigen. Das von der Taufkirchner Firma Hy-Line entwickelte System Hy-Di (Bild 1) baut dazu eine Verbindung zum BMS auf und ruft den Batteriestatus ab. Der SoH und das Herstellungsdatum werden aus den Batterien ausgelesen, um zu prüfen, ob Batterien ersetzt werden müssen. Kriterien für einen endgültigen Batterieexitus könnten dabei zum Beispiel sein, dass der SoH unter 80 Prozent gefallen oder die Batterie älter als sieben Jahre ist. Ebenfalls kann medizinisches Personal damit den Ladezustand der Batterien vor dem Wiederaufladen fortwährend prüfen, um zu verhindern, dass eine knappe Restkapazität im Notfall zu Ausfällen führt.

Bild 1. Die Systemkomponenten zum Auslesen des Batteriezustandes
Bild 1. Die Systemkomponenten zum Auslesen des Batteriezustandes
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Die Statusinformationen lassen auch weitere wichtige Schlussfolgerungen zu: Ist die Power-Reserve konstant niedrig, können Batterien mit einer höheren Kapazität angeschafft werden. Kommen andererseits die meisten Batterien nach einem langen Einsatz oder am Ende eines Tages noch halbvoll zurück, kann die Kapazität gesenkt werden, ohne die Zuverlässigkeit zu beeinträchtigen. Das Referenzsystem von Hy-Line hilft darüber hinaus bei der Einteilung von Batterien in Qualitätskategorien. A-Batterien mit einem SoH von 90 % bis 100 % können für sicherheitskritische Einsätze reserviert werden, B-Batterien mit 80 % bis 90 % sind für den alltäglichen Gebrauch geeignet, und C-Batterien mit 70 % bis 80 % können als Ersatzbatterien aufbewahrt oder für kürzere Einsätze verwendet werden. Die volle Kontrolle über den Batteriebestand verbessert die Zuverlässigkeit, vereinfacht die Logistik und schont die Umwelt, da jede Batterie über ihre gesamte Lebensdauer genutzt werden kann.

Batterieanalyse via Cloud

Via Cloud-Anbindung und Web-Oberfläche kann der SoC remote abgerufen werden
Bild 2. Via Cloud-Anbindung und Web-Oberfläche kann der SoC remote abgerufen werden.
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Die Speicherung von Batteriedaten in einer Cloud-basierten Datenbank ermöglicht überdies einen Überblick (Bild 2) über den gesamten Batteriebestand in Bezug auf Anwendung, Leistung, Standort und Serviceanforderungen, zum Beispiel in einer Klinik. Das Kosteneinsparpotenzial dieser Analysemethode wurde bereits mehrfach nachgewiesen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Sekundärbatterien, vor allem in sicherheitsrelevanten Anwendungen, nur einen Bruchteil ihres vorhandenen Potenzials ausschöpfen. Die Batteriewartung mit dem Hy-Di-System findet vorzugsweise im Batterieladegerät statt; es zeigt bei jeder Ladung die Kapazität an. Alternativ kann der Batteriestatus vor dem Einsatz durch kurzes Einstecken ermittelt werden. Die Kenntnis der Leistung jeder einzelnen Batterie ermöglicht die Planung eines Einsatzes entsprechend der verfügbaren Energiequelle und reduziert so unvorhergesehene – im medizinischen Bereich oft auch lebensbedroh- liche – Ereignisse.


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