30 Jahre Sonotec

»Wir machen unseren Erfolg nicht von der Pandemie abhängig«

28. April 2021, 8:00 Uhr | Melanie Ehrhardt
Manuela und Michael Münch sind seit 2019 Teil der Geschäftsleitung
© Sonotec

Interview mit Manuela und Michael Münch, Geschäftsleitung Sonotec

An der Bewältigung der aktuellen hohen Nachfrage nach Impfstoffen ist auch ein deutscher Mittelständler aus Halle an der Saale beteiligt. Das Unternehmen Sonotec, in der Nachwendezeit 1991 gegründet, stellt wichtige Komponenten für die Entwicklung und Produktion der Corona-Impfstoffe her: Durchflusssensoren. Diese sind allerdings nicht ausschließlich für die Pharmaindustrie, sondern kommen in ganz unterschiedlichen Anwendungen und Industrien zum Einsatz. Im Interview erzählen Manuela und Michael Münch, Geschäftsleitung Sonotec, wie aus der Idee der Gründer ein international tätiger Weltmarktführer wurde und räumen auch mit dem Irrtum auf, dass nur weil ein Unternehmen an der Corona-Impfstoff-Herstellung beteiligt ist, dieses von der Pandemie profitiert.  

medical design: Sonotoec wurde 1991 – kurz nach der Wende – gegründet. Wie würden Sie die Zeit heute beschreiben?

Manuela Münch: Für uns hat sich mit der Wende nicht nur Deutschland vergrößert, sondern mit einem Schlag die ganze Welt geöffnet. Auf einmal standen uns alle internationalen Märkte zur Verfügung. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen und auch für uns ist es selbstverständlich geworden, Kunden, Partner und Mitarbeiter auf der ganzen Welt zu haben. 

Michael Münch: Dieser Zeitwandel hat uns zudem unendlich viele Möglichkeiten gebracht, die Anfang der 90er Jahre nicht vorstellbar waren. Das heißt auch, dass wir mit der schnelllebigen, globalisierten Welt Schritt halten müssen. Das ist uns vor allem in den letzten fünf Jahren, in den wir uns in der Mitarbeiterzahl nahezu verdoppelt haben, gelungen.

medical design: Oftmals gehen Unternehmen aus den neuen Bundesländern in der öffentlichen Wahrnehmung unter. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Manuela Münch: Eine Erklärung habe ich nicht, ich würde es eher als Vermutung bezeichnen. Die neuen Bundesländer sind leider nicht so starke Wirtschaftsmetropolen. Die Netzwerke sind deutlich kleiner, wodurch auch weniger Lobbyarbeit stattfindet. Hinzu kommt, dass das Image des Ostens, Leipzig und Dresden einmal ausgenommen, nicht so hipp ist. Am Ende gehen junge Menschen dann doch lieber in die bekannten Städte wie München oder Hamburg. Halle an der Saale werden die wenigstens auf dem Karriere-Schirm haben. 

Michael Münch: Ich sehe da noch ein Mentalitätsproblem. Unternehmen aus unserer Region neigen dazu, den eigenen Erfolg nicht so laut nach außen zu tragen. Das hat sich zwar in den letzten Jahren etwas gewandelt, dennoch sind viele Unternehmen aus den neuen Bundesländern noch immer unterpräsent. 

medical design: Das können die Unternehmen wahrscheinlich nicht im Alleingang ändern. Würden Sie sich da mehr Power seitens der Politik und von den Wirtschaftsverbänden wünschen?

Manuela Münch: Definitiv! Wir als Sonotec engagieren uns da natürlich auch. Unser Vater, der ja nach wie vor in der Geschäftsleitung aktiv ist, tut dies zum Beispiel im Rahmen seiner Mitgliedschaft beim Verband innovativer Unternehmen - VIU in Berlin. Dennoch würden wir uns einfach wünschen, dass wir mehr gesehen werden – insbesondere für die vielen kleineren Unternehmen. 

medical design: Mit Sonotec zeigen Sie jedoch, dass man auch aus dem beschaulichen Halle einen Weltmarktführer gründen kann. Was ist ihr Erfolgsrezept?

Manuela Münch: Es ist vor allem unsere Fähigkeit, Innovationen vorauszudenken. Wir überlegen bereits bei der Produktentwicklung, was könnte morgen in unseren Märkten interessant sein. Es ging nie darum, nur ein Produkt für einen Kunden zu entwickeln, sondern dessen Potenziale darüber hinaus zu identifizieren. Am Ende haben wir ein überschaubares Produktportfolio, mit dem wir uns aber sehr breit aufstellen. Wir bedienen oft Nischen, aber aus manchen Nischen können große Märkte werden. Die Corona-Pandemie ist dafür ein gutes Beispiel. Das heißt nicht, dass wir uns abhängig von weltmarktpolitischen Geschehen machen. Wir haben unser Ohr nach wie vor sehr nah am Kunden.

Michael Münch: Eine weitere wichtige Zutat ist natürlich die Bereitschaft für Investitionen. Wir haben am Standort Halle 180 Mitarbeiter, allein 1/3 davon arbeitet im Bereich Forschung & Entwicklung. Das ist auch unsere größte Investition jedes Jahr. Das ist immens für ein mittelständisches Unternehmen, führt aber nachhaltig zum Erfolg. In der Medizintechnik dauern Kundenprojekte zum Teil bis zu sieben Jahre. Und erst danach fangen wir an, mit unseren Entwicklungen Geld zu verdienen. Zum einen, weil der Kunde immer wieder bestellt und zum anderen, weil wir durch solche langjährigen Projekte ein stabiles Wachstum und unternehmerische Sicherheit garantieren. 

medical design: Sie haben es ja eben selbst angesprochen, wenn auch indirekt. Aber Sonotec-Produkte finden sich auch bei dem einen oder anderen Hersteller von Corona-Impfstoffen. Wo genau in der Wertschöpfungskette kommen diese zum Einsatz und welche Aufgabe übernehmen sie?

Michael Münch: Bevor ich darauf antworte, müssen wir noch einen Schritt zurück. Wir stellen Durchflusssensoren sowie Luftblasendetektoren her und haben letztes Jahr im März – als die Pandemie losging – vor allem einen Anstieg bei der Nachfrage an Sensorenfür Herz-Lungen-Maschinen erfasst. Und eigentlich erst in der zweiten Jahreshälfte, als die Impfstoffhersteller angefangen haben, Produktionslinien aufzubauen, kam für uns verstärkt die Anfragen aus der Biotechnologie. Dabei ist unser großer Nutzen, dass wir nicht-invasiv Durchflüsse an verschiedenen Schläuchen mit einer hohen Genauigkeit messen können. 

medical design: Sind die Sensoren für die Pharmaherstellung die gleichen wie bei der von Ihnen erwähnten Herz-Lunge-Maschine oder mussten Sie die Technologie anpassen?

Michael Münch: Das Funktionsprinzip an sich ist das gleiche. Aber es gibt natürlich unterschiedliche Sensortypen. Das hängt unter anderem vom Schlauchdurchmesser ab und davon, was man messen und detektieren möchte. Wir haben sowohl Sensoren für die Durchflussmessung als auch Detektoren für Luftblasen in Flüssigkeiten sowie Sensoren, die beide Verfahren in einem Produkt kombinieren. Grundsätzlich bleibt die Basis gleich, die wir – wie meine Schwester ja bereits erwähnt hat – nicht explizit für die Impfstoff-Herstellung oder dem Einsatz an Herz-Lungen-Maschinen entwickelt haben, sondern deren Einsatzspektrum sich in den letzten Jahren vergrößert  und 2020 einen enormen Schub erhalten hat. 

medical design: Damit gehören sie sicherlich zu den „Gewinnern“ der Corona-Krise. Soll von diesem Boom auch langfristig etwas übrig bleiben?

Manuela Münch: Ich bin da ehrlicherweise etwas zwiegespalten. Es macht uns natürlich stolz, dass wir unseren Teil zur Bekämpfung der Pandemie und der Versorgung von Covid-19-Patienten beitragen. Wir werden mit Sicherheit auch in Zukunft in der Impfstoffherstellung eingesetzt werden, aber wir wollen unseren Unternehmenskern nicht verlieren. Wir machen unseren Erfolg nicht von der Pandemie abhängig. Ich würde uns ohnehin nicht als Gewinner bezeichnen. Das erweckt den Eindruck, wir hätten unsere Technologie nur wegen Corona entwickelt. Das ist nicht der Fall. Hinzu kommt, auch wir haben Geschäftsbereiche, die unter der aktuellen Situation leiden. Das Geschäft mit den Corona-Impfstoff-Herstellern hilft das auszugleichen und stabil sowie ohne Kurzarbeit durch eine weltweit schwierige Lage zu kommen.

medical design: Sie waren auch schon vor der Pandemie erfolgreich in der Medizintechnik unterwegs. Wo könnten Patienten ein Sonotec-Produkt begegnen?   

Michael Münch: Auch in der Medizintechnik sind wir mit unserer Basistechnologie, der nicht-invasiven Ultraschallmessung am Schlauch, breit aufgestellt. Unsere Sensoren finden sich an beziehungsweise in Dialysegeräten, Beatmungsmaschinen sowie bei Organtransportboxen.

Manuela Münch: Ein anderes, ganz aktuelles Beispiel ist das Herzunterstützungssystem für Kinder von BerlinHeart.  Ein Projekt, das uns auch persönlich am Herzen liegt und welches wir gemeinsam mit BerlinHeart erfolgreich bearbeitet haben.

medical design: Das Familienunternehmen ist bis heute inhabergeführt. Welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?

Manuela Münch: Natürlich nur Vorteile (lacht). Spaß beiseite, wir haben uns ganz bewusst dazu entschieden, Sonotec als Familienunternehmen weiterzuführen. Auch weil wir weiterhin autark entscheiden möchten. Sowohl wir als Geschäftsleitung als auch der Großteil unserer Belegschaft ist hier vor Ort in Halle, unserer Heimat. Das bietet uns kurze Entscheidungswege sowie die Möglichkeit auch mal kurzfristig zu investieren – wenn wir es uns gerade leisten können. Ein weiterer Vorteil liegt in der Tatsache, dass wir auch Herzens-Projekte, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit BerlinHeart, annehmen können. 

medical design:  Sie  beide verstärken die Geschäftsleitung seit 2019 – der Generationenwechsel ist also im vollen Gange. Spiegelt sich das auch im Führungsstil des Unternehmens wider? 

Michael Münch: Wir möchten und müssen das Unternehmen in Zukunft anders führen. Vor dem Hintergrund, dass wir auch in den nächsten Jahren weiter wachsen, müssen wir als Geschäftsleitung dieses Wachstum gesund nach ziehen und weitere Weichen für die Zukunft stellen.

medical design: Zum Abschluss: Coronabedingt gab es bisher wahrscheinlich keine Feier zum 30. Jubiläum. Aber wenn es möglich wäre, wie und mit wem würden Sie anstoßen?

Manuela Münch: Wir bedauern das wirklich sehr. Wir hatten viele schöne Pläne. Um die Überraschung nicht kaputt zu machen, verraten wir noch nicht, wie wir feiern, aber mit wem ist ganz klar. Denn Sonotec ist ein Teamerfolg und daher möchten wir natürlich mit all unseren Kollegen und Kolleginnen – am liebsten aus der ganzen Welt – feiern. 

medical design: Vielen Dank für das Gespräch!

Linktipp: Mehr Informationen zu den Ultraschallsensoren von Sonotec finden Sie auch hier


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