Gewebe mechanisch vermessen

Elastizität bestimmen

18. November 2013, 11:53 Uhr | von Dr. Gilles Weder
© CSEM

Um Erkrankungen wie Arteriosklerose oder die Entstehung von Tumoren besser zu verstehen sowie neue Diagnosemethoden abzuleiten oder Zellträgerstrukturen zu entwickeln und zu optimieren, ist es nötig, die mechanischen Eigenschaften von biologischem Gewebe zu bestimmen. Doch bislang gab es keine passenden Messinstrumente.

Bei vielen Krankheiten verändert sich die Elastizität des Gewebes.
Um diesen Zusammenhang besser zu verstehen und neue Diagnoseverfahren zu entwickeln, müssen Forscher die mechanischen Eigenschaften von Geweben erfassen können. Doch bislang fehlten ihnen dazu geeignete Messinstrumente. Diese Lücke füllt nun der »Bioindenter«, den CSM Instruments zusammen mit dem CSEM (Centre Suisse d‘Electronique et Microtechnique) entwickelt hat. Dank dieses Messgeräts ist es nun möglich, lokal Elastizität und Steifigkeit von weichen Materialien in physiologischer Umgebung zu messen.
Üblicherweise entwickelt und fertigt CSM Instruments Präzisionsinstrumente, mit denen sich die mechanischen Eigenschaften von harten Oberflächen im Mikro- und Nanometerbereich messen lassen. Doch wiederholt äußerten Kunden das Bedürfnis, auch weiches, biologisches Material zu untersuchen. Um die bestehenden Messgeräte für weiche Proben anzupassen, entwickelten die Ingenieure von CSM Instruments einen Kraftsensor, der mit kleinsten Kräften im Bereich von Mikronewton arbeitet, optimierten die Gerätevorrichtungen und passten die Software an. Die Messachse hat einen eigenen Aktuator und eigene Sensoren für Tiefe und Kraft. Es gibt weiche Federn für eine noch bessere Auflösung bei der Einleitung und Messung der mechanischen Kraft.
Gleichzeitig galt es, einen geeigneten Probenhalter für die biologische Proben zu entwickeln. Hierfür erwies sich das CSEM mit seiner Erfahrung in der Entwicklung von Anwendungen für die Biologie und die Nanotechnologie als geeigneten Forschungspartner.

Probenhalter entwickelt

Der Probenhalter zur Bereitstellung der biologischen Proben, die sogenannte Biokammer, muss verschiedene Anforderungen erfüllen. Zur Messung müssen die Proben in einer physiologischen Umgebung - flüssig und bei Körpertemperatur - vorliegen. Der Probenhalter muss mit bestehenden Zellträgern kompatibel sein. Idealerweise sollte zudem der Indentationsprozess, also das Eindrücken, in situ über ein Mikroskop zu beobachten sein können.
Biologische Proben werden in Petrischalen kultiviert und können daher direkt in der temperaturgeregelten Biokammer montiert werden. Zwar ist die Biokammer recht einfach, aber es kostete eine Menge Anstrengungen, um die mechanischen, geometrischen und biologischen Herausforderungen zu lösen. Das Nano-Indentationsverfahren misst das Verhältnis zwischen Eindrückkraft, die eine Sonde auf die biologische Probe aufbringt, und Eindringtiefe der Sonde in die Probe. Dadurch lassen sich die viskoelastischen Eigenschaften der biologischen Proben bestimmen. In Abhängigkeit von der Größe der biologischen Strukturen, die untersucht werden, können die Sonden mit einem Durchmesser von 200 µm bis 1000 µm gewählt werden.
In neun Monaten haben die beiden Partner einen funktionsfähigen Proto-
typ entwickelt, der mit handelsüblichen Laborbehältern aus Plastik und Glas kombiniert werden kann und über einen Temperatur-Controller verfügt, mit dem sich die geforderten Bedingungen steuern lassen. Das CSEM war auch für die Systemintegration des Standardmikroskops in die Biokammer verantwortlich.
Die Einsatzgebiete für das neue Messgerät sind breit, im Vordergrund steht derzeit die Forschung, etwa um die Entwicklung von Krankheiten zu untersuchen oder biologisches Gewebe grundlegend zu studieren. Das größte Marktpotenzial liegt künftig jedoch in neuen Diagnosemethoden sowie im Tissue-Engineering zur Entwicklung von Implantaten und Hilfsmitteln, die mit menschlichem Gewebe interagieren, beispielsweise Kontaktlinsen.

Über den Autor:

Dr. Gilles Weder ist R&D-Ingenieur und Projektleiter bei CSEM.


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