Holografie in der Medizin

»Es braucht mehr professionelle Puzzle-Pioniere«

29. April 2022, 0:00 Uhr | Klaus Wammes - Geschäftsführer Wammes & Partner
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Die Holografie ist auch in der Medizin angekommen - ein Überblick über den Status Quo.

Ärzte besprechen an Hologrammen Diagnosen mit ihren Patienten oder planen bzw. üben Operationen mit Kollegen – über Ländergrenzen hinweg. Am flächendeckenden Einsatz scheitert die Technologie noch, warum?

Holografie – in unserer Vorstellung ist das, wenn lebensgroße Abbildungen einer Person, die physisch gar nicht anwesend ist, über der Tischmitte projiziert wird, um zu uns zu sprechen und mit uns zu agieren. Übertragen in die reale Welt der Medizin ist das aber auch, wenn Ärzte Organe in einer dreidimensionalen, holografischen Darstellung drehen, inspizieren und etwaige Operationen besser planen können. Noch ist es allerdings nicht so weit. Die Betonung liegt auf »noch«, denn die technischen Möglichkeiten dazu sind bereits vorhanden. Gesucht werden also mehr Pioniere, die diese bereits existierenden technischen Einzelteile wie ein Puzzle zusammensetzen.

Wie fortschrittlich es doch klingt, wenn Ärzte den Patienten anhand einer holografischen Darstellung die geplanten Eingriffe genau zeigen können und sie besprechen. Noch fortschrittlicher klingt es, wenn Fachärzte in Echtzeit von einem anderen Kontinent den Eingriff an einer Holografie durchführen. Natürlich ad hoc, weil nur sie diese Art von Eingriff beherrschen. Was nach einem Zukunftsfilm anmutet, könnte heute schon Realität sein. Was es dazu zusätzlich bräuchte, wäre lediglich der Datenkanal zum anderen Kontinent – mittels 5G konnte das sogar schon mobil realisiert werden.

Echte Dreidimensionalität

Die Entwicklung von Displays, die dreidimensional darstellen können, wurde mit viel Schwung vorangetrieben. Treibende Systeme in diesem Bereich sind beispielsweise Light Field Technology, Enriched Reality oder Holografie. Zur Erinnerung: Ein Hologramm ist – im einfachsten Fall – eine zweidimensionale Oberfläche, die Licht so brechen und beugen respektive verteilen kann, dass bei geeigneter Beleuchtung dreidimensionale, vollfarbige Objekte dargestellt werden können. Diese scheinen dann mit voller Beweglichkeit und Dynamik hinter und oder vor dieser Oberfläche zu sein.

Im Gegensatz zu den 3D-Darstellungsmöglichkeiten veränderte sich die Anzeige von stereoskopischer beziehungsweise autostereoskopischer Anzeige hin zu echten dreidimensionalen, volumetrischen Erscheinungen. Der Unterscheid ist, dass das Gehirn das Gesehene nicht umrechnen muss, sondern konsumieren darf, was die Augen aufnehmen. Ein Beispiel: Bei aktuellen, stereoskopischen 3D-Brillen werden unterschiedliche Informationen für das rechte und linke Auge übermittelt, aber eben nur für einen räumlichen Aspekt. Alle anderen räumlichen Aspekte muss das Gehirn dann neu erschaffen.

Bausteine zusammensetzen

Zurück zur Medizin: Zwar geben Chirurgen inzwischen vereinzelt tatsächlich Hologramme in Auftrag, um beispielsweise den Patienten das Verständnis zu erleichtern oder die präoperative Planung zu verbessern. Jedoch ist die flächendeckende Verwendung von Hologrammen noch lange kein Standard. Dabei wäre bereits heute – abseits eines Einzelauftrags – sogar die Darstellung von 3D-Bildern in Echtzeit realisierbar, für deren Betrachtung we- der Headset noch Brille erforderlich sind und die dennoch komplizierte Details enthalten können.
Benötigt wird im Grunde eine Kombination aus (mittlerweile fast) handelsüblichen Komponenten wie eine Tiefenkame- ra, ein 3D-Lichtfeld-Display mit Spiegeln sowie eine besondere Software und eine 3D-Telepräsenz. Zudem sind nötig:

  •  ein Holoviewer = Explorer für volumetrische Daten, um Anatomiemodelle in 3D betrachten zu können
  • ein Volumeviewer = Paint für volumetrische Daten und medizinische 3D-Scans

Da die Softwarekomponenten mittlerweile in dritter Generation verfügbar und damit stabil sowie nutzbar sind, könnte es in naher Zukunft Patienten sogar möglich sein, mobil mit Smartphones oder Tablets Arztbesuche durchzuführen und Beschwerden in 3D zu zeigen.

Bisher setzt die Industrie jedoch maßgeblich auf Brillen- und Helmlösungen, obwohl fast alle »üblichen Verdächtigen« auch bereits brillenlose Lösungsansätze vorzeigen können. Wahrscheinlich aus maßgeblich wirtschaftlichen Betrachtungen, da es noch keine wirklichen Standards gibt und häufige Änderungen und Anpassungen bei kleineren Holo- beziehungsweise 3D-Systemen schneller und zu geringeren Kosten möglich sind. Künftig wird es aber sicher mehr brillenlose Lösungen geben als »Brillen-behaftete«.

Keine Angst vorm Puzzeln

Medizinische Bildgebung als live 3D-Holo-Kommunikation
Medizinische Bildgebung als live 3D-Holo-Kommunikation.
© Wammes

Holografie ist keine Zukunftsmusik mehr. Die einzelnen Elemente, die für eine echte, dreidimensionale Bilddarstellung benötigt werden, sind realisierbar, wenn nicht sogar bereits vorhanden und einfach zu beschaffen respektive einfach zu bestellen. Abseits von VR-Brillen ist es bereits heute technisch möglich, Anzeigegeräte zu erstellen, die es mehr als nur einer Person erlauben, dreidimensionale, volumetrische respektive holografische Darstellungen zu sehen.

Diese für ein gesamtes System aus Erfassung, Übertragung und Darstellung benötigten Elemente müssen heute noch wie in einem Puzzle zusammengesetzt werden.
Es gibt keine wirklichen Systemanbieter oder den so beliebten »One-Stop-Shop«. Leider liegt genau hier das große Problem: das Puzzle schreckt noch ab.
Potenzielle Anwender vermuten oft mehr Komplexität beim Puzzeln, als in Wirklichkeit notwendig ist. Denn Quasistandards etablieren sich mehr und mehr, auch das datentechnische Eco-System für das Handling, Darstellen und Manipulieren von volumetrischen Daten ist mittlerweile den Kinderschuhen entwachsen. So können Ärzte technisch bereits heute Beschwerden in echtem 3D überprüfen und schnell exakte Diagnosen stellen oder anstehende komplexe Operationen für sich selbst und die Kollegen auf- und vorbereiten. Daraus abgeleitet ist es ihnen natürlich auch möglich, Erklärungen mit tatsächlichen, individuellen Situationen und Gegebenheiten mit den Patienten zu besprechen. Notfalls auch über Länder und Grenzen hinweg und unter Einbeziehung realer Echtzeitvolumendaten von Tomographen, Röntgen-, Ultraschall- und vielen anderen Geräten. Das heißt Realtime-Volumen-Echt-Daten des jeweiligen Patienten – und nicht nur Abschätzungen »best guess« mithilfe von 2D-Daten und abstrahierter Literatur.

Fazit & Ausblick

Viele medizinische Diagnosegeräte vom großen Computertomografen bis zum kleinen Ultraschall liefern technisch schon heute volumetrische 3D-Daten. Allerdings hakt es meist an der Verarbeitung zur Darstellung und dem eigentlichen volumetrischen 3D-Anzeigegerät. Die Verbindung der bereits vorhandenen Elemente ist ein einmaliger Aufwand, der am Ende Zeit und Geld spart, sowie ungeahnte Möglichkeiten erschafft. Anschauen und ausprobieren funktioniert schon heute, reicht aber nicht aus.

 

Über den Autor und das Unternehmen

Klaus Wammes ist Geschäftsführer der Wammes & Partner GmbH. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Forschung und Produktion im Bereich der Optoelektronik. Durch mehr als 25 Jahre Erfahrung in Entwicklung und Herstellung von Flachbildschirmen und Displays für extreme Anwendungsbereiche ist Wammes im EDCG – Electronic-Displays-Center in Gundersheim zu einer Anlaufstelle für Fragen und TroubleShooting rund um elektronische Displays geworden – in allen Applikationen und für alle Hersteller.

 


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