Trendbericht Compamed 2018

Große Sprünge in der medizinischen Versorgung

19. September 2018, 16:30 Uhr | Klaus Jopp
Neue Materialien, innovative Verfahren und der kombinierte Einsatz von Elektronik und Mikrosystemtechnik sind nicht nur typisch für moderne Implantate, sondern grundsätzliche Leitthemen der Compamed (12. – 15. November 2018) in Düsseldorf.
© Messe Düsseldorf

Zwei wesentliche Trends prägen den Bereich der Medizintechnik schon seit geraumer Zeit: die Dematerialisierung und die Digitalisierung. Produkte werden demnach immer kompakter bei unveränderter oder besserer Leistungsfähigkeit.

Zwei wesentliche Trends prägen den Bereich der Medizintechnik schon seit geraumer Zeit und sorgen für kurze Innovationszyklen: die Dematerialisierung und die Digitalisierung. Produkte werden demnach immer kompakter bei unveränderter oder besserer Leistungsfähigkeit, sie sind immer leichter zu bedienen und Neuerungen sind insgesamt eher software- und weniger hardwaregetrieben. Intelligente Prothesen erfassen über Sensorik ihre Umgebung und passen sich damit optimaler in ihrer Funktion dem Patienten an. Pflaster sind in der Lage, Wundheilungsprozesse zu überwachen oder als Frühwarnsystem das erhöhte Risiko für einen bevorstehenden asthmatischen Anfall zu signalisieren. Und erste Armbänder fungieren quasi als »Mini-Klinikum am Oberarm« zur Bestimmung der verschiedensten Körperparameter wie Herzfrequenz, Sauerstoff im Blut, Stresslevel oder Schlafrhythmus. Selbst für die dauerhafte Blutdruckmessung pro Herzschlag wird keine aufblasbare Manschette mehr benötigt, weil dazu moderne optische Biosensoren mittlerweile in der Lage sind.

Für derlei Innovationen bedarf es hinsichtlich ihrer Entwicklung eines engen Zusammenspiels von Medizintechnik-Herstellern und ihren Zulieferern. Dass es oft die Zulieferer sind, die mit ihren Ideen den entscheidenden Impuls liefern für Entwicklungssprünge, davon können sich Fachbesucher vom 12. bis 15. November 2018 wieder bei der Compamed in Düsseldorf überzeugen.

Mit Blaulicht gegen chronische Wunden

Chronische Wunden sind bekanntermaßen schwierig zu behandeln, da sie nicht dem typischen Heilungsprozess oder Heilungszeitrahmen folgen. Die daraus resultierende Belastung ist erheblich, da jährlich über 40 Millionen Patienten betroffen sind und Kosten von etwa 40 Milliarden Euro entstehen, die von den Gesundheitssystemen getragen werden müssen. Blaues Licht ist für seine antimikrobielle und entzündungshemmende Wirkung in der Anfangsphase des Heilungsprozesses bekannt, außerdem schädigt es im Gegensatz zu gefährlichem UV-Licht das Gewebe nicht. Allerdings fehlten noch Beweise für die positive Wirkung der Blaulichtbestrahlung in den späteren Stadien der Wundheilung, welches die Entwicklung wirksamer Lösungen für eine vollständige Therapie bisher erschwerte.

Zusammen mit sechs weiteren Partnern hat das CSEM durch das EU-Projekt Medilight dazu beigetragen, diese Lücke zu schließen. Dank dieser Zusammenarbeit konnte gezeigt werden, dass die Blaulichtbestrahlung weit mehr als nur antibakterielle Effekte bieten kann. Der antiproliferative Effekt ist nun eindeutig nachgewiesen worden und zeigt, dass blaues Licht ein vorzeitiges Schließen der Epidermis an der Wundoberfläche in der frühen Heilungsphase verhindert. Das Konsortium aus europäischen Forschungslabors hat zudem erstmals belegt, dass blaues Licht wichtige Hautzellen, nämlich Keratinozyten und Fibroblasten, mit einer weiteren geeigneten Lichtdosis effizient aktivieren und damit den endgültigen Wundheilungsprozess beschleunigen kann. Der entwickelte Prototyp ist eine ideale Lösung für ein intelligentes, tragbares System zur Blaulichtbehandlung chronischer Wunden, wie z.B. diabetischer Ulzera. Zudem schafft das Projekt die Voraussetzungen für eine zukünftige Kommerzialisierung von Geräten auf Basis der Lichttherapie und zur Überwachung der Wundheilung.

3D-Druck wächst rasant in der Medizintechnik

Ein Dauerbrenner bleibt der 3D-Druck, der häufig auch als Additive Fertigung bezeichnet wird und der in keinem anderen Anwendungsbereich so schnell wächst wie in der Medizintechnik. Nach einer Prognose des Marktforschungsunternehmens Markets and Markets soll der globale 3D-Druck für Medizinprodukte von 840 Millionen US-Dollar in 2017 auf rund 1.9 Milliarden Dollar bis 2022 zunehmen, eine jährliche Wachstumsrate von 17.5 Prozent. Schlüsselfaktoren für diese rasante Entwicklung sind technologische Fortschritte, zunehmende private Finanzierungen in diesem Sektor sowie immer mehr Anwendungsmöglichkeiten für die Gesundheitsbranche. Unterteilt wird der wachsende Markt in die großen Segmente Komponenten, Ausrüstung, Materialien sowie Software und Dienstleistungen, wobei der letzte Bereich den größten Zuwachs aufweist. Die zunehmende Entwicklung fortschrittlicher Softwarelösungen für die Herstellung von qualitativ hochwertigen 3D-gedruckten Medizinprodukten ist hier der Haupttreiber.

Nachdem zu diesem Thema bereits letztes Jahr das viel beachtete Seminar »3D fab+print« stattgefunden hat, wird zu diesem Thema im Rahmen der Compamed 2018 nun am 12. November eine ganztägige Konferenz veranstaltet (3D fab+print Conference on Additive Manufacturing for medical applications). Zu den vortragenden Unternehmen gehört auch Evonik, die schon seit 2014 in ihrem Projekthaus Medical Devices systematisch an verbesserten Materialien für die orthopädische Chirurgie arbeitet. Dazu gehört ein Verbundmaterial, das aus den Polymilchsäuren Resomer und einem synthetischen Hydroxylapatit-Füllstoff besteht. Hydroxylapatit ist das häufigste Biomineral im menschlichen Körper. Dank der Kombination ergeben sich mechanische Eigenschaften, die denen des natürlichen Knochens sehr ähnlich sind. Resomer wird im Körper vollständig zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut, verursacht keine Entzündungsreaktion und ist vollkommen ungiftig.

RFID-Chips, die sogar sterilisierbar sind

Nach wie vor ein großes Thema mit vielen der rund 800 Ausstellern bleibt auch das gesamte Spektrum an Sensoren. Der Produktmarkt »Hightech for Medical Devices« des Fachverbandes IVAM mit 45 internationalen Teilnehmern bietet hier eine besonders große Auswahl. So präsentiert Feig RFID-Reader-Lösungen für die Healthcare-Industrie, um medizinische Geräte und Zubehör zu identifizieren, den Verbrauch an Medikationen und Reagenzien abzubilden und dadurch die Patientenversorgung und Sicherheit zu verbessern. RFID ermöglicht die Umsetzung exakter Tracking-Lösungen für medizinische Geräte sowie für einzelne Prozesse im Rahmen der medizinischen Behandlung. Dadurch werden Krankenhäuser von zahlreichen Verwaltungs- und Prüfaufgaben entlastet und können die frei werdenden Ressourcen für noch intensivere Patientenpflege nutzen.

RFID-basierte Inventarsysteme überwachen die aktuellen Bestände an verschiedenen Materialien, die in Krankenhäusern und Laboratorien verwendet werden: Medikamente und Reagenzien, Blut- und Plasmabeutel, chirurgische Instrumente, Textilien und vieles mehr. Zudem sorgen RFID-Systeme für eine exakte Patientenidentifikation, überwachen den jeweiligen Behandlungsstatus und ermöglichen Warnsysteme, um die gesamte Prozesskette zu verbessern.

Wie auch Microsensys zeigt, sind die möglichen Einsatzbereiche von RFID-Technologie vielseitig und jede Lösung unterliegt ihren eigenen Anforderungen an Material und Technik. Gerade in Medizin- und Pharmaanwendungen gilt eine Vielzahl von einzuhaltenden Richtlinien. In Düsseldorf zeigt das Unternehmen aktuelle RFID-Lösungen für die Medizintechnik sowie als Weltneuheit einen RFID-Sensor-Datenlogger zur lückenlosen Temperaturüberwachung während der Dampfsterilisation im Autoklaven bei +134°C und 3 bar.

Maßgeschneiderte Nano-Coatings

Ein wichtiger Bestandteil der COMPAMED sind auch Mikro- und Nanotechnologien. Das niederländische Unternehmen Surfix BV entwickelt und liefert innovative maßgeschneiderte Nano-Coatings für den Mikro- und Nanotechnologie-Markt, basierend auf chemischen Oberflächenmodifikationen. »Mit unserer proprietären Oberflächenmodifikationstechnologie können sogar lokale und selektive Oberflächenmodifikationen realisiert werden, die komplexe Geometrien wie Mikrofluidik, Lab-on-a-Chip-Geräte und Biosensoren aus verschiedenen Materialien ermöglichen«, erklärt CEO Dr. Luc Scheres. (me)

 


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