Platzende Brustimplantate und andere Vorfälle mit medizinischen Produkten haben das Image der Medizintechnikbranche angekratzt. Die Politik hat reagiert und eine neue Medizinprodukteverordnung auf den Weg gebracht. Hersteller müssen sich auf gravierende Änderungen gefasst machen.
…. Hier die fünf wichtigsten Änderungen auf einen Blick.
Ende 2016 hat die EU-Kommission die finale Version der europaweit geltenden Medical Device Regulation (MDR) veröffentlicht. Die neue EU-Verordnung soll das bisherige Medizinprodukterecht, insbesondere das nationale Medizinproduktegesetz (MPG), ergänzen beziehungsweise teilweise ersetzen. Zwei Medizinprodukte-Richtlinien stehen dabei im Fokus: Die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte (Medical Device Directive, MDD) und die Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare Medizinprodukte (Active Implantable Medical Devices, AIMD). Darüber hinaus wird die Richtlinie 98/79/EG über in vitro Diagnostika (IVD) durch eine eigene, neue EU-Verordnung ersetzt (In Vitro Diagnostic Medical Devices Regulation, IVDR).
Voraussichtlich ab Sommer 2017 wird die Verordnung in Kraft treten – und für Hersteller gravierende Änderungen mit sich bringen. So ändert sich beispielsweise die Klassifizierung mehrerer Produkte, zudem muss jedes Produkt zukünftig eine eindeutige Produktidentifizierungsnummer (UDI) erhalten. Damit nicht genug: Hersteller von Hochrisikoprodukten und Implantaten müssen neue klinische Studien durchführen – selbst wenn ihre Produkte seit Jahren erfolgreich etabliert sind. Die enormen Kosten können vor allem kleine und mittlere Unternehmen in Bedrängnis bringen.
Nach Ablauf einer dreijährigen Übergangsfrist sind die Vorgaben der neuen MDR umzusetzen. Betroffen sind alle Hersteller von Medizinprodukten, Private Label Manufacturer und Handels- oder Servicepartner, aber auch Komponenten- und Auftragshersteller finden sich in den Regelungen der MDR wieder.
Medizintechnikstandort EU in Gefahr?
Daniel Shoukier, Geschäftsführer von Bellingswood Regulatory Consulting und Experte für Regulierungen im Medizinsektor, ist überzeugt, dass es in Zukunft aufgrund der gestiegenen Anforderungen viel schwieriger sein wird, medizinische Produkte zuzulassen. Er befürchtet sogar, dass rund ein Drittel aller Medizinproduktehersteller vom Markt verschwinden könnten, da etliche Vorgaben praktisch kaum umsetzbar sind. Langfristig befürchtet Shoukier einen eingeschränkten Zugang zu Innovationen: »Viele Startups werden sich aus Europa verabschieden müssen, und zahlreiche Neuentwicklungen werden in Europa gar nicht mehr zugelassen werden.«
In seinem Buch »The New European Medical Regulation. A comprehensive overview in questions and answers« führt Shoukier in das komplexe Thema ein und zeigt auf, wie Hersteller mit der neuen MDR verfahren können.
Auch Roland Katholing von der TÜV NordAkademie sieht die Entwick lungen teilweise kritisch: Die bestehenden, umfangreichen gesetzlichen Regelungen für Medizinprodukte-Hersteller zielen bereits darauf ab, die Sicherheit der Patienten sicherzustellen. »Mit der Veröffentlichung der MDR im Sommer werden diese nun erweitert«, sagt Katholing. Während ein Teil der bisherigen Regelungen deutlich verschärft wird, werden andere vollständig ersetzt. Die allgemeine Übergangsfrist beträgt nur drei Jahre. In Ausnahmen kann sie auch auf fünf Jahre ausgedehnt werden. Hersteller, die sich nicht an die neuen Vorschriften halten, drohe im schlimmsten Fall ein Verbot, die betroffenen Produkte weiter zu vertreiben.