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Lebensstil hinterlässt Spuren im Gehirn

5. März 2019, 16:00 Uhr | Forschungszentrum Jülich
Macht rauchen dumm?
© Pixabay

Jülicher Forscherinnen und Forscher zeigen in einer aktuellen Studie, wie stark sich eine gesunde beziehungsweise ungesunde Lebensführung auch im Gehirn widerspiegelt. Überraschend klar lässt sich in unserem Denkorgan zudem ablesen, wie stark ein Mensch in sein soziales Umfeld eingebunden ist.

Nachwuchswissenschaftlerin Nora Bittner und Professorin Svenja Caspers vom Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM-1), Erst- und Letztautorin der soeben erschienenen Studie, analysierten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Jülich, Düsseldorf, Essen und Basel die Daten von 248 Frauen und 301 Männern im Alter von 55 bis 85 Jahren. Hierbei konnten sie sowohl auf Kernspinaufnahmen der Gehirne als auch auf einen umfangreichen Datensatz zu der Lebenssituation der Probanden zurückgreifen. Die Basis hierfür bilden die detaillierten Informationen, die während der Jülicher 1.000-Gehirne-Studie und zur Essener Heinz-Nixdorf-Recall-Studie erhoben wurden.

Für die nun vorliegende Arbeit wurden die Faktoren soziales Umfeld, Alkohol- und Tabakkonsum sowie körperliche Aktivität berücksichtigt. „In bisherigen Studien wurde meist nur ein einzelner dieser Aspekte beleuchtet“, hebt Prof. Svenja Caspers hervor. »Unser Datensatz erlaubt es jedoch, alle vier Aspekte gleichzeitig in jedem einzelnen Probanden zu betrachten und dabei auch Effekte aufzudecken, die erst durch das Zusammenspiel der verschiedenen Faktoren zustande kommen.«

»Sport, soziale Kontakte und Alkohol wirken sich nach unseren Ergebnissen direkt auf die Gehirnstruktur aus«, erklärt Nora Bittner. Die graue Substanz in bestimmten Regionen des Gehirns sei zum Beispiel bei Menschen, die in einem regen sozialen Umfeld leben, besser erhalten, als bei Menschen, die wenig soziale Kontakte haben. Auch sportlich aktive Menschen würden im Alter einen geringeren Volumenverlust des Gehirns als inaktive Zeitgenossen zeigen. »Ein hoher Alkoholkonsum wirkt sich hingegen negativ auf die Gehirnstruktur aus, geht also mit einem Gehirnabbau und dem Verlust von Nervenzellen einher«, so Bittner. Sowohl die Reduktion von Nervenzellen als auch des Gehirnvolumens gelten im Alter als mitverantwortlich für eine geringere geistige Leistungsfähigkeit und Flexibilität.

Rauchen wirkt sich auf kognitive Reserven aus

Rauchen hingegen beeinflusst weniger die Gehirnstruktur, sondern vielmehr die Gehirnfunktion, stellte Nora Bittner in ihrer Arbeit fest. Es zeige sich, dass die sogenannte funktionelle Konnektivität, also die gezielte Zusammenarbeit von Hirnregionen untereinander, im ruhenden Gehirn bei Rauchern höher ist als bei Nichtrauchern. »Wir gehen davon aus, dass dadurch die kognitive Reserve bei Rauchern geringer ist, da die betreffenden Regionen schon im Ruhezustand auf Hochtouren laufen und damit kein Leistungspuffer mehr frei ist«, erklärt Bittner. Als kognitive Reserve gilt die Fähigkeit des Gehirns, zusätzliche Kapazitäten im Gehirn zu aktivieren, also mehrere Bereiche zur Lösung eines Problems hinzuzuziehen, um zum Beispiel Alterungsprozesse zu kompensieren. Sind diese Bereiche schon anderweitig ausgelastet oder geschädigt, kommt es folglich zu einer geringeren geistigen Kapazität.

»Unsere Forschungsergebnisse zeigen eindrucksvoll, dass allgemeingültige Aussagen zu einer gesunden Lebensführung sich auch anatomisch und funktionell im Gehirn widerspiegeln«, betont Caspers. Ergänzend untersuchte das Team auch genetische Veranlagungen, die mit einem erhöhten Rauchverhalten beziehungsweise Alkoholkonsum einhergehen. »Zusammen mit unseren Kollegen aus der Genetik konnten wir belegen, dass die Erbinformationen offensichtlich eine nebensächliche Rolle spielen. Wichtiger als die pure Veranlagung ist also das tatsächliche Verhalten«, hebt Nora Bittner hervor.

Überrascht war das Forscherteam auch von der starken Korrelation zwischen sozialer Interaktion und der ausgeprägten Hirnstruktur. »Der positive Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und geistiger Leistungsfähigkeit ist schon länger bekannt und gut belegt«, sagt Caspers. Dass nun ein intensives oder geringes Sozialleben ebenfalls deutliche Spuren im Gehirn hinterlässt, eröffne eine Vielzahl von neuen Forschungsfragen. Die umfangreiche Datenerhebung aus den beiden Großstudien 1.000-Gehirne und Heinz-Nixdorf-Recall bieten nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen hierzu eine ideale Grundlage, um aussagekräftige Antworten zu finden, welche Parameter ein gesundes Altern unterstützen und welche nicht. (me)


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