Tragbarer Herz-Monitor

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9. November 2012, 10:47 Uhr | von Els Parton und Julien Penders

Kleine, nutzerfreundliche Sensorsysteme werden eine individualisierte und präventive Methodik der medizinischen Versorgung ermöglichen und helfen, die ärztlichen Behandlung aus dem Krankenhaus oder der Praxis ins eigene Heim zu verlegen. Ein neu entwickeltes funktionales Pflaster in Form eines EKG-Patches vereint die Stärken eines Ultra-Low-Power-EKG-Systems mit der Bluetooth-Low-Energy-Funktechnik. Diese Methode überwindet die Nachteile früherer Systeme in Bezug auf Tragbarkeit, Standardisierung und Lebensdauer.

Herzversagen zählt heute zu den häufigsten Todesursachen. Tragbare Sensoren zur Überwachung der Herzaktivität könnten für Herzpatienten zu einem wichtigen Tool werden, mit dem sie ihre Herzfunktion während des Tagesablaufs kontinuierlich selbst beobachten - essenziell für eine genaue Diagnose von Herzproblemen und für lebensrettende Eingriffe. Hier besteht ein ein großes Marktpotenzial, daher erarbeiten diverse Firmen und Forschungsinstitute Prototypen entsprechender Produkte.

Das Ziel sind gut tragbare und einfach einsetzbare Sensorsysteme zur Überwachung der Herzfunktion mit Ultra-Low-Power-Charakteristik (ULP) und ausreichend langer Batterielaufzeit. Imec und das Holst Centre entwickeln derzeit geeignete Technologien für tragbare Sensorsysteme. So wurde kürzlich der Prototyp eines EKG-Patches vorgestellt, das ein ULP-EKG-System auf einem Chip (SoC) mit einem Bluetooth-Low-Energy-Funksystem (BTLE) kombiniert.

Die Integration des standardisierten BTLE-Funks in das Herz-Monitoring ist bedeutsam für den kommerziellen Erfolg, denn die neueren Smartphones sind bereits mit BTLE-Funk ausgestattet und können somit als Kommunikationsschnittstelle für Sensorsysteme auf BTLE-Basis fungieren. Das innovative Design des neuen Prototyps sorgt für einen niedrigen Leistungsverbrauch. Versorgt mit einer 400-mAh-Lithium-Polymer-Batterie ermittelt und überträgt das EKG-Patch einen Monat lang die Herzfrequenz.

Zwei SoCs und ein Beschleunigungssensor

Hauptbestandteile des Demonstrators für ein solches EKG-Patch sind ein von Imec spezifisch für Mixed-Signal-Verarbeitung entwickeltes EKG-SoC und ein kommerziell verfügbares BTLE-SoC von Texas Instruments. Das EKG-SoC besteht aus drei Funktionsblöcken: Erstens dem analogen Front-end für das gleichzeitige dreikanalige EKG-Monitoring mit einkanaliger Impedanzmessung und Band-Power-Extraktion.

Der zweite Funktionsblock ist ein 12-Bit-Analog/Digital-Wandler (ADC). Dieser ADC ist in der Lage, die EKG-Daten um den Faktor fünf zu komprimieren und so den Leistungsverbrauch für die Datenverarbeitung und -übertragung zu reduzieren. Drittens findet sich im System ein spezifisch ausgelegter digitaler Ultra-Low-Power-Signalprozessor (DSP), der zur On-Board-Signalverarbeitung eingesetzt wird. Dieser DSP verwendet eine SIMD-Prozessor-Architektur einschließlich fest verdrahteter Beschleunigung, effektivem Schlaf-/Wach-Verhalten (Duty-Cycling), Befehls-Cache und gezielter Taktabschaltung (Clock-Gating).

Bild 1: Herzstück des EKG-Patch-Demonstrators ist ein spezifisch entwickeltes EKG-System auf einem Chip bestehend aus analogem Front-end (AFE), Analog/Digital-Wandler (ADC) und digitalem Ultra-Low-Power-Signalprozessor (DSP)
Bild 1: Herzstück des EKG-Patch-Demonstrators ist ein spezifisch entwickeltes EKG-System auf einem Chip bestehend aus analogem Front-end (AFE), Analog/Digital-Wandler (ADC) und digitalem Ultra-Low-Power-Signalprozessor (DSP)

Er übernimmt die mehrkanalige EKG-Verarbeitung mit zusätzlicher Signalfilterung, Extraktion der EKG-Daten, die Analyse und die Entfernung von Artefakten im Signalverlauf durch die Bewegungen des Trägers (Bild 1). Neben dem EKG-SoC ist ein dreiachsiger Beschleunigungsmesser Teil des Systems. Er liefert zusätzliche Informationen, die zur Bestimmung der Art und der Schwere der körperlichen Aktivitäten des Trägers dienen können.

Letztendlich wird ein Gesundheits-Patch angestrebt, das die verschiedensten relevanten Sensormessungen kombiniert und ein Gesamtbild des Gesundheitszustands des Trägers liefert. Das BTLE-SoC verarbeitet die Daten aus den EKG- und Beschleunigungssensoren und überträgt sie zu einem BTLE-fähigen System, etwa einem Smartphone wie dem »iPhone-4S«. Zusätzlich lässt sich auch eine MicroSD-Card als Datenlogger mit dem System verwenden. Eine Lithium-Polymer-Batterie mit 3,7 V und 400 mAh dient zur Stromversorgung. Die Subsysteme werden über SPI-Schnittstellen angeschlossen.

Für unterschiedliche Anwendungen rekonfigurierbar

Bild 2: Aufschlüsselung des Leistungsverbrauchs des EKG-Patches in den beiden Betriebsmodi Herzschlag-Detektion (links) und EKG-Sampling (rechts)
Bild 2: Aufschlüsselung des Leistungsverbrauchs des EKG-Patches in den beiden Betriebsmodi Herzschlag-Detektion (links) und EKG-Sampling (rechts)

Das EKG-SoC lässt sich für unterschiedliche Betriebsarten und Prozessanforderungen konfigurieren.

Damit bietet es eine vielseitige Plattform, die in den verschiedensten Anwendungsbereichen einsetzbar ist.

In dem hier vorgestellten EKG-Patch-Demonstrator sind zwei verschiedene Betriebsarten implementiert.

Die erste führt die Herzschlag-Detektion auf dem EKG-SoC aus, wobei die Herzfrequenz vom BTLE-SoC übertragen wird.

In dieser Betriebsart verbraucht das System einen mittleren Strom von 280 µA bei 3,7 V Versorgungsspannung.



Bild 3: Der Prototyp des EKG-Patches kombiniert die von Imec und dem Holst Centre entwickelte Elektronik mit der »ePatch«-Technik von Delta
Bild 3: Der Prototyp des EKG-Patches kombiniert die von Imec und dem Holst Centre entwickelte Elektronik mit der »ePatch«-Technik von Delta
© imec

Mit der 400-mAh-Batterie ergibt dies die genannte Laufzeit von einem Monat.

In der zweiten Betriebsart sampelt das System das EKG mit 256 Hz sowie einen 3-D-Beschleunigungsmesser bei 100 Hz (in jeder Beschleunigungsachse) und streamt die Daten drahtlos per BTLE.

In dieser Betriebsart beträgt der Stromverbrauch 5,9 mA bei 3,7 V; die autonome Betriebszeit des Demonstrators erreicht dabei 2,5 Tage (Bild 2).

Die für das EKG-Patch eingesetzte Elektronik integrierten die Forscher auf der »ePatch«-Plattform von Delta, die eine biokompatible, modulare und robuste mechanische Umgebung bietet (Bild 3).

Der daraus resultierende EKG-Patch-Demonstrator besteht aus dem Patch mit EKG-Elektroden zur einmaligen Benutzung sowie einer Abdeckung, welche die Elektronik und zwei Batterien aufnimmt.

Weiterentwicklung zum »Health Patch«

Die Forscher bei Imec und am Holst Centre haben sich für Bluetooth-Low-Energy entschieden, da dieses als standardisiertes Protokoll die Verbindung zu den meisten neueren Smartphones erlaubt. Für den Träger des Systems wie auch für seinen Arzt ein gewichtiger Vorteil, sind die relevanten Daten so doch jederzeit und überall verfügbar.

In Zukunft lassen sich damit Apps entwickeln, die auf Anwendungen im Fitness- und Gesundheitsbereich des Trägers zugeschnitten sind. Die Kombination des BTLE-Funks mit dem kundenspezifischen ULP-EKG-SoC gewährleistet einen sehr niedrigen Leistungsverbrauch und ermöglicht somit ein Langzeit-Monitoring ohne Wechsel der Batterien.

Die weiteren Arbeiten am EKG-Patch konzentrieren sich auf die Schaltungsauslegung und Algorithmen zur Artefakt-Reduzierung in Echtzeit, auf die Arrhythmie-Detektion und das kontinuierliche Monitoring des Gesundheitszustands. Als nächste Entwicklungsstufe sollen neue Funktionen zum Patch hinzukommen und dieses zu einem kompletten »Health Patch« machen.

In diesen Kontext soll auch das Monitoring der Hauttemperatur, der Bio-Impedanz und der Ionenkonzentration einbezogen werden. Darüber hinaus entwickeln die Forscher Ultra-Low-Power-Funksysteme, die kompatibel zu geltenden Standards sind, um den Leistungsverbrauch weiter zu reduzieren. Das erlaubt noch längere Batterielaufzeiten und noch kleinere Baugrößen des Systems. Neue elektronische Integrationstechnologien werden bald an die Körperform anpassbare Systeme ermöglichen und damit den Tragekomfort und die allgemeine Akzeptanz tragbarer Sensoren deutlich erhöhen.

Über die Autoren:

Els Parton ist wissenschaftliche Redakteurin bei Imec in Leuven, Belgien und Julien Penders ist Programm Manager Body Area Networks im Holst Centre - einer gemeinsamen Forschungseinrichtung von Imec und TNO - in Eindhofen, Holland.


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