Algorithmen und Künstliche Intelligenz sind längst zum Gegenstand der modernen Medizin geworden. Das ruft auch die Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley auf den Plan. Vor allem Google macht aus seinen Ambitionen keinen Hehl – nur beim Thema Transparenz gibt man sich in Mountain View zugeknöpft.
Der Begriff »Künstliche Intelligenz« (KI) klingt nach Science Fiction. Doch in Form lernender Maschinen gehört sie längst zum Alltag. Die Qualität der Fotos einer Smartphone-Kamera, die Reihenfolge der Facebook-Beiträge, digitale Assistenten, Figuren in Videospielen – hinter so vielem stecken von Algorithmen gesteuerte Computer. Dabei werden die Ambitionen der Anbieter immer größer. Google, Apple, Facebook, Amazon oder Microsoft lassen keinen Zweifel daran erkennen, dass sie in KI ihre Zukunft sehen. So will Google mit ihrer Hilfe smartere Geräte für verschiedene Lebenslagen bauen und sich so von den großen Hardware-Rivalen Apple und Samsung abheben.
Die Computer werden immer besser darin, große Datenmengen zu analysieren und darin Muster zu entdecken. Einer der ersten Bereiche, die damit revolutioniert werden können, ist die Medizin: Maschinen können inzwischen in Scans aus dem Computertomographen oder Röntgenbildern Anzeichen einer Krankheit oft besser und schneller Entdecken als Menschen.
Diagnose per Augenscan
Vor allem Google drängt immer selbstbewusster in den Medizinmarkt vor und lässt sich das einiges Kosten. Rund eine Milliarde Dollar investierte der Konzern zum Start seines Gesundheitsablegers »Verily«. Fast 1000 Wissenschaftler forschen hier an Projekten, die mehr nach Hollywood statt Medizin klingen:
Daten allein machen nicht gesund
Die Google-Schwester stellt sich dabei von Anfang an breit auf; forscht zu Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Depressionen. Jessica Mega, Chefmedizinerin bei Verily, soll die zahlreichen Forschungsansätze zusammenführen. Dabei geht es am Ende vor allem um eines: Daten. Viele Daten. »Wir wollen eine grundlegende Infrastruktur erschaffen, um dem Arzt einen zeitnahen und gleichzeitig kontinuierlichen Einblick in den Gesundheitszustand des Patienten zu ermöglichen«, so Mega gegenüber Spiegel Online.
Doch es regt sich auch Widerstand gegenüber der Datenwust. Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg, meint: »Mehr Daten allein machen keine bessere Medizin [1]. Er sieht große Gefahren durch sogenannte falsch positive Ergebnisse, bei denen die digitalen Sensoren und Algorithmen Alarm schlagen, obwohl gar kein gesundheitliches Problem vorliegt. Am Ende könnte der Patient gegen etwas behandelt werden, was er gar nicht hat.
Antes bemängelt vor allem die »geradezu religiös anmutende Verehrung großer Datenmengen« und fordert, »dass Konzerne wie Google ihre Wege offenlegen. Doch Transparenz hat laut Spiegel-Bericht nicht unbedingt oberste Priorität. Geforscht wird weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und auch wozu Google die gesammelten privaten Gesundheitsdaten am Ende wirklich verwendet, sei für den Patienten nicht zu durchschauen. (dpa/me)
[1] T. Schulz: Google will die Medizin revolutionieren (31.08.2018), http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/google-medizin-konzern-verily-der-glaeserne-daten-patient-a-1225465.html (03.09.2018)
[2] T. Schulz: Hier programmiert Google die Menschheit um (08.11.2015), http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/google-revolutioniert-die-medizin-einblicke-in-die-geheimen-labore-a-1060865.html (03.09.2018)
[3] Jens: Google-Schwester kann Herzkrankheiten durch einen Augen-Scan vorhersagen (19.02.2018), https://www.googlewatchblog.de/2018/02/verily-google-schwester-herzkrankheiten/ (03.09.2018)