Arbeitsmedizin

Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz

20. April 2015, 9:44 Uhr | Marcel Consée
Prof. Dr. Martin Winterkorn, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Aktiengesellschaft, und Prof. Dr. Ferdinand Piëch, Aufsichtsratsvorsitzender des Volkswagen Konzerns
© Volkswagen

Die Diskussionen um Äußerungen des Aufsichtsratsvorsitzenden von Volkswagen Ferdinand Piech über den Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn haben Wellen geschlagen. Die Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin befürchtet daraus Nachteile für die Tätigkeit von Arbeitsmedizinern und Betriebsärzten sowie all jenen, die sich um eine gute und gesunde Unternehmenskultur in Deutschland bemühen.

Der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) e.V., Professor. Dr. med. Dipl.-Ing. Stephan Letzel, nimmt dediziert Stellung zu den möglichen Konsequenzen der problematischen Führungsdebatte im Volkswagen-Konzern.

Bei allen Diskussionen zur psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz zeigt sich, laut Professor Letzel, dass »gesund führen«, d.h. für andere und sich selbst einen gesunden Umgang finden, ein wesentlicher Baustein der betrieblichen Prävention ist. Gerade die über die Medien ausgetragenen Diskussionen um die Führungsspitze bei VW zeigten, dass das Thema »gesund führen« noch nicht in allen Chefetagen angekommen sei. Der Vizepräsident der DGAUM sieht hier ein sehr bedenkliches Beispiel, wie in Deutschland Führungskultur gelebt wird. »Wie soll man der mittleren und unteren Führungsebene klar machen, dass«, so Letzel, »das Führungsverhalten essentiell für die psychische Gesundheit der Beschäftigten ist, wenn Topmanager in aller Öffentlichkeit anderes vorleben«. Der DGAUM-Vizepräsident plädiert daher mit Nachdruck an die Chefetagen in Deutschland, eine gute und gesunde Unternehmenskultur zu praktizieren.

Das Beispiel zeigt nach Ansicht von Stephan Letzel, wie mit wenigen Worten der Ruf eines erfolgreichen Unternehmenslenkers beschädigt werden könne und – vom Signal her noch schlimmer – dass in einem deutschen Konzern von Weltbedeutung die Entscheider nicht um Wertschätzung, offene Kommunikation und die psychische Gesundheit der ihnen anvertrauten Belegschaft bemüht seien. Dadurch werde unnötig Porzellan zerschlagen. Arbeitsmediziner und Betriebsärzte mahnten nicht nur in den betroffenen Unternehmen, man könne nicht einerseits Führungsleitbilder aufstellen und anschließend öffentlichkeitswirksam die eigene Führung demontierten. Volkswagen habe dadurch die Glaubwürdigkeit solcher Bemühungen nicht nur im eigenen Konzern infrage gestellt. Selbstverständlich könne, so Letzel, ein Unternehmen zu dem Schluss kommen, dass ein verantwortlicher Manager seine Arbeit nicht gut verrichtet habe und sich dann von ihm oder ihr trennen. Es komme bei solchen Maßnahmen sehr auf den Stil der Diskussion an. Gerade im vorliegenden Fall seien aus Sicht des DGAUM-Vizepräsidenten sowohl der Stil als auch die Diskussion »auf der Strecke geblieben«. Diese Art von Kränkung und öffentlicher Demütigung könne zu langdauernden psychischen Beschwerden führen, die nur schwer zu therapieren seien.

Noch sei unklar, wie weit der VW-Konzern sich damit selbst geschadet habe. Denn heutige Bewerber legten bei der Auswahl eines für sie attraktiven Arbeitgebers sehr viel mehr Wert auf die Führungskultur in einem Unternehmen. Vielleicht, so Stephan Letzel, liege in den Vorgängen der letzten Tage auch ein Grund für den deutlichen Einbruch des Börsenkurses von Volkswagen.


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