Stromversorgung

Gefordert: Qualität und Sicherheit

15. November 2016, 11:59 Uhr | von Michael Eckstein
© inpotron

Medizinische Geräte stellen hohe Anforderungen an die Stromversorgungen. Hermann Püthe, CEO von Inpotron, erklärt im Interview mit MEDIZIN+elektronik, worauf Medizintechnik-Hersteller bei der Auswahl von Netzteilen für ihre Applikation achten sollten.

Herr Püthe, gibt es große Unterschiede zwischen Stromversorgungen für
Medizingeräte und solchen zum Beispiel für industrielle Anwendungen oder für die Unterhaltungselektronik?

Ja. Die Zulassungskriterien sind wesentlich umfangreicher. Alleine die Zulassung IEC 60601-1_3rd Ed hat mit Inhaltsverzeichnis 786 Seiten – das ist gewaltig! Sie unterscheidet in einer Matrix insgesamt 18 Anwendungsfälle anhand von Ableitströmen und Patient – Operator. Das erfordert eine genaue Beratung zum Beispiel über mögliche Fehlerfälle. Die galvanische Trennung der PSU ist komplexer. In Summe ist deutlich mehr Expertise nötig, um eine niedrige EMI – etwa nach EN 55022 Class B – in den Griff zu bekommen. Darüber hinaus sind die sicherheitsrelevanten Anforderungen medizinischer Applikationen sehr hoch.

Die Dichte elektronischer Geräte nimmt rasant zu. Ist daher in Zukunft mit verschärften Vorgaben auch für Stromversorgungen zu rechnen – etwa bei den EMV-Grenzwerten?

Von einer Verschärfung würde ich nicht sprechen. Die Anforderungen aus der Medizintechnik mit der Risikoanalyse beispielsweise werden ja auch für andere Bereiche gefordert. Wenn Veränderungen vorgenommen werden, dient das letztlich dazu, die Endanwender besser zu schützen. Dies über eine klarer definierte Norm einzufordern, ist durchaus sinnvoll.

Hilft es Herstellern von medizintechnischen Produkten, wenn sie Netzteile verwenden, die bereits nach der Norm IEC 60601-1 zugelassen sind?

Ein Standardnetzteil mit vorhandenen Zulassungen zu nehmen, kann ein praktikabler Weg sein, falls der optimierte Systemansatz nicht im Vordergrund steht. Ich bin der festen Auffassung: Ein gut strukturierter Projektplan im Team Kunde-Lieferant ist der effektivste und effizienteste Ansatz, die beste und am schnellsten eine Stromversorgung zu erhalten. Man muss miteinander kommunizieren.

Alle Netzteile liefern elektrische Leistung. Warum sollte ein Medizintechnik-Hersteller trotzdem keine beliebige günstige Stromversorgung von der Stange für sein Produkt verwenden?

Medizinische Stromversorgungen müssen sehr zuverlässig und sicher arbeiten. Daher sollten Kunden, die ja ihre Produkte für viel Geld zulassen müssen, genau schauen, ob eine Stromversorgung die geforderten hohen Qualitätsanforderungen erfüllt. Nicht angepasste Netzteile führen oft dazu, dass Kunden unnötig mit Zusatzkabeln, Filtern und Montageelementen als Workaround kämpfen, um vorgegebene Standards einhalten zu können.

Besser ist es, gleich ein genau an die Anforderungen des eigenen Produktes zugeschnittene Stromversorgung zu verwenden – ohne überflüssige Komponenten, die gar nicht relevant sind für das Endprodukt. Oft sind ungewöhnliche Ausgangsspannungen oder Lastprofile gefragt, die mit herkömmlichen Lösungen kaum zu realisieren sind. Bei Multioutput-Anwendungen für komplexe medizinische Systeme kommen zum Beispiel fast immer kundenspezifische Stromversorgungen zum Einsatz. Hier muss man als Anbieter eng mit den Herstellern zusammenarbeiten.

Welche Aspekte einer medizinischen Stromversorgung sind besonders beratungsintensiv und warum?

Die meisten Kunden kennen sich nicht so gut mit den vielen Fachnormen aus. Oft ist auch die medizinische Healthcare-Applikation, für die die Stromversorgung benötigt wird, nicht klar beschrieben. Standardlösungen erfüllen möglicherweise nicht alle Kriterien. Viele Kunden ermitteln zudem die erforderliche Gesamtleistung zu spät. Dann fehlt die Zeit, proaktiv als Hersteller mitzuwirken. In diesen Punkten ist ebenso Hilfestellung erforderlich wie beim Derating. Kunden haben kaum noch Zeit, sich mit den speziellen Anforderungen einer medizinischen Stromversorgung auseinanderzusetzen. Daher nehmen sie das Angebot einer Applikationsunterstützung mit umfangreicher Beratung für ein ganzheitliches Power-Konzept gerne an.

Wie sollten sich OEMs vorbereiten, bevor sie auf einen Spezialist für Stromversorgungen wie Inpotron zugehen?

Kunden sollten genau wissen, wie ihr Produkt später verwendet wird. Auf dieser Basis müssen sie die Spezifikation erarbeiten, die sowohl die nominelle als auch die Spitzenlast sowie alle Randbedingungen und Einbausituationen genau beschreibt. Wir unterstützen den Hersteller mit einer detailliert ausgearbeiteten Spezifikation, über die er leichter die für ihn relevanten Normen selektieren kann. Darüber hinaus sollte ein Budget für Einmalkosten zum Beispiel für externe Zulassungen nach UL oder CSA eingeplant werden.

Inpotron hat sich auf kundenspezifische Lösungen spezialisiert. Entwickeln Sie tatsächlich jede Stromversorgung von Grund auf neu?

Nein. Wir arbeiten in der Regel mit unserem bewährten Baukastenprinzip, über das wir ein Produkt an die gestellten Anforderungen adaptieren. Es sind immer individuelle Entwicklungen, neue Erfindungen kommen nur in Teilbereichen vor. Die verwendeten Schaltkreise sind bewährt, markterprobt und zukunftssicher. Unser Konzept ist konservativ modern – und passt damit optimal zum medizinischen Markt. Wir verfügen über Topologien mit Wirkungsgraden bis 94 % sowie über wirtschaftliche Lösungen mit Flyback-Wandlern. Auf Basis unserer Erfahrung von über 500 Entwicklungen passen wir unsere zuverlässigen Lösungen immer komplett den Kundenwünschen an.

Außerhalb der Mechanik machen wir auch viele Vorschläge, die dem Kunden das Leben erleichtern. Zum Beispiel durch eine bessere Kabelführung, geringeren Montageaufwand und optimierten Zugang. Der Kunde erhält eine effiziente, bezahlbare Plug&Play-Lösung Made in Germany. Wir realisieren mindestens zehn Jahre Lieferbarkeit bei sehr geringen, belegbaren Ausfallquoten.

Muss jede kundenspezifische Netzteillösung separat zugelassen werden? Ist das nicht ein sehr hoher Aufwand für Inpotron?

Der Aufwand ist nicht viel höher als bei einer Zulassung für ein Industrieprodukt. Wichtig ist, die Entwicklung entsprechend den Marktanforderungen zu gestalten. Die externen Zulassungskosten sind etwas höher, der Prüfaufwand rechtfertigt dies aber auch.

Das Interview führte Michael Eckstein mit Hermann Püthe, CEO von Inpotron. 
 


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