Energy Harvesting

Nonstop Power für smarte Verpackungen

17. September 2019, 8:00 Uhr | Graeme Clark (Renesas)
Pharmaverpackungen dienen heute nicht mehr nur dem Schutz der Medikamente, sondern erinnern den Patienten via Smartphone und App auch an die korrekte Einnahme.
© Renesas

Die Digitalisierung hinterlässt auch in der Pharmaindustrie ihre Spuren. Mithilfe von Elektronik erinnern intelligente Verpackungen Patienten an die Einnahme ihrer Medikamente. Vorausgesetzt, sie verfügen bis dahin über ausreichend Energie.

Tag für Tag verschreiben Ärzte Patienten in ganz Europa Medikamente im Wert von Milliarden Euro. Allein in Deutschland wurden 2017 Medikamente im Wert von über 40 Milliarden Euro an Patienten abgegeben. Dies ist eine enorme Investition in unsere Gesundheitsversorgung, finanziert entweder durch den Einzelnen, Versicherungsgesellschaften oder das staatlichen Gemeinwesen. Damit diese Medikamente auch wirksam sind, muss sichergestellt sein, dass Patienten diese korrekt und pünktlich einnehmen und sie jede verschriebene Medikamentenverordnung auch abschließen.

Jüngste Studien aus den USA zeigen jedoch, dass ein großer Teil der Patienten Fehler bei der Medikamenteneinnahme macht und dass über 50 Prozent vor Ende der Behandlung die Einnahme ihrer Medikamente absetzen. Eine beträchtliche Anzahl von Patienten löst nie ihr verschriebenes Rezept ein. Mit einer alternden Bevölkerung nimmt dieses Problem zu, da ältere Patienten vergessen, ihre Medikamente zur richtigen Zeit und in der richtigen Dosis einzunehmen.

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Anmerkung: Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 5/2019.

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Eine weitere Sorge: Studien haben gezeigt, dass Patienten unmittelbar nach ihrem Arztbesuch oft nicht richtig beschreiben können, welche Medikamentenverordnung ihnen ihr Arzt gegeben hat. Verschreibungshinweise verwirren nicht nur ältere Menschen. Auch viele junge Patienten geben zu, dass sie irgendwann schon mal unsicher waren, ob sie ihre Medikamente wirklich genommen haben. Alle diese Herausforderungen führen dazu, dass eine effektive Behandlung oft nicht erzielt wird. Diese Problematik hat eine erhebliche Auswirkung und erweist sich als enorme Belastung, sowohl in Bezug auf steigende Kosten und zusätzlichen Bedarf an Ressourcen im Gesundheitswesen als auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Gesundheit des einzelnen Patienten.

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Bild 1. Die intelligente Blisterverpackung erkennt, welche Tabletten aus der Packung entnommen wurden.
© Renesas

Smarte Verpackung mit Ladeproblemen

Elektronik hilft dabei, Lösungen für das Problem des Medikamentenmanagements beziehungsweise der Einhaltung der persönlichen Medikamenteneinnahme (PMA; Personal Medication Adherence) zu finden, zum Beispiel in Form intelligenter Blisterverpackungen oder Pillenboxen für Medikamente. Eine erste Generation entsprechender Produkte gibt es bereits (Bild 1). In Kombination mit rudimentärer Intelligenz sind sie in der Lage, die aktuelle Uhrzeit zu erkennen beziehungsweise ob und wann die Verpackung oder der Karton geöffnet wurde. Oftmals lassen sich solche elektronischen Verpackungen auch mit dem Mobiltelefon verbinden, um eine einfache Benutzeroberfläche zu ermöglichen.

Nachteil: Einer der größten Nachteile ist der Betrieb mit Batterien, die regelmäßig aufgeladen oder ausgetauscht werden müssen. Gesucht sind daher intelligente Verpackungen, die sowohl batteriebetrieben als auch wartungsfrei sind.

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Bild 2. Vergleich der SOTB-Eigenschaften mit anderen Prozessgeometrien.
© Renesas

Dieser Herausforderung lässt sich damit begegnen, Energie aus der Umgebung zu gewinnen, um die Geräte beziehungsweise Verpackungen direkt damit zu versorgen. Dies kann entweder durch Solarzellen erreicht werden, die für Innenräume optimiert wurden, oder durch die Energieaufnahme aus den Vibrationen, die beim Bewegen des Medikaments entstehen (Energy Harvesting). Möglich wird dies durch Embedded Controller, die auf der SOTB-Prozesstechnologie (Silicon On Thin Buried Oxide) von Renesas basieren. Die Bausteine weisen einen deutlich niedrigeren Aktiv- und Standby-Strombedarf im Vergleich zur herkömmlichen Bulk-Silizium-Technologie auf (Bild 2). SOTB ermöglicht die Herstellung von Low-Power-Bausteinen, die sich ideal für PMA-Anwendungen eignen. Diese Bausteine bieten hohe Rechenleistung für die lokale Verarbeitung und große Speicher für komplexe Anwendungen, Protokollstacks sowie Datenspeicher, die mit aus der Umgebung gewonnener Energie arbeiten und keine Batterien erfordern.

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Bild 3. SOTB-Gate-Struktur im Vergleich mit der Bulk-Struktur.
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Weniger Variation für mehr Akku

Bild 3 zeigt einige der Vorteile der SOTB-Gate-Struktur. In einem traditionellen Bulk-Silizium-Gate-Design müssen während des Herstellungsprozesses Kanalverunreinigungen oder Dotieratome in das Silizium injiziert werden, sodass das Gate bei Bedarf leitend wird. Die Anzahl der in jedes Gate injizierten Atome ist nur schwer präzise zu kontrollieren, sodass die Gate-Switching-Eigenschaften variabel sind. Dies gilt insbesondere bei kleineren Siliziumgeometrien.

Das SOTB-Gate ist ein dotierfreies Design. Die dünne Isolierschicht innerhalb des Gates steuert dessen Eigenschaften, das zuverlässig reproduzierbar ist. Das bedeutet, dass die Variation zwischen den einzelnen Gates geringer ausfällt als bei traditionellen Bulk-Silikon-Gate-Designs. Die reduzierte Variation zwischen den Gates auf einem SOTB-Baustein ermöglicht es, die Betriebsspannung und damit die Energie zum Schalten des Gates stark zu verringern.

Weiterer Vorteil: Es besteht die Möglichkeit, eine negative Back-Bias-Spannung an jedes Gate anzulegen. Dies ermöglicht es, die Schaltschwellen jedes Gates zu manipulieren und den Leckstrom zu reduzieren.

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Bild 4. Schwellenvergleich von SOTB- und Standard-Prozess.
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Bild 4 zeigt einen Vergleich zwischen einem SOTB-Baustein und einem Baustein, der auf einem Standard-Silizium-Bulk-Prozess hergestellt wurde. Die rote Linie markiert den Bereich der Schalteigenschaften für einen typischen Baustein, der in einem Silizium-Bulk-Prozess implementiert ist. Hier ist die Variation der Schaltschwelle von einer Million einzelnen Transistoren auf einem Testchip zu sehen. Das Diagramm verdeutlicht, dass die besten Gates bei etwa 0,3 V schalten, während aufgrund der inhärenten Variabilität des Prozesses die schwächsten Gates irgendwo im Bereich von 0,7 V schalten. Um den Betrieb jedes Gates auf dem Baustein zu gewährleisten, ist mit Spannungen deutlich über 1,0 V zu arbeiten. Dies hat natürlich einen direkten Einfluss auf den Strombedarf des Bausteins. Die blaue Linie zeigt die Eigenschaften des SOTB-Gates sowie die enorme Reduzierung des Schaltverhaltenbereichs, der mit diesem Prozess erzielt werden kann. Bausteine, die auf dem SOTB-Prozess basieren, arbeiten mit wesentlich niedrigeren Spannungen und gewährleisten, dass jedes Gate korrekt funktioniert. Das reduziert den Wert der aktiven Stromaufnahme erheblich. Die grüne Linie zeigt das Ergebnis mit angelegten Back Bias. Hier lässt sich jedes Gate in einen niedrigen Leckstromzustand versetzen, sodass der Leckstrom stark reduziert werden kann.

Wichtig für PMA-Anwendungen ist die Umsetzung einer hybriden Siliziumstruktur. Damit lassen sich die Vorteile des SOTB-Prozesses und der bestehenden Standard-Bulk-Siliziumtechnologie kombinieren. Die neue Struktur ist in Teilen des Chipdesigns einsetzbar, die eine geringe Stromaufnahme erfordern. Gleichzeitig lässt sich weiterhin Standard-Silizium für Funktionen wie den I/O-Ring und analoge Komponenten nutzen. Zudem lässt sich Embedded-Flash-Speicher implementieren. Infolge weisen die Bausteine ähnliche elektrische Eigenschaften wie bestehende Mikrocontroller auf.

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Bild 5. Mikrocontroller mit SOTB-Prozess.
© Renesas

Die Umwelt wird zum Kraftwerk

Renesas hat nun die Entwicklung des ersten Mikrocontrollers mit dem SOTB-Prozess abgeschlossen. Dies ermöglicht es, einen Baustein mit einer Kombination aus Leistung, Integration und niedrigem Strombedarf zu entwickeln. Der erste Baustein kombiniert einen Cortex M0+-Core mit bis zu 64 MHz mit einem hohen Grad an Peripherieintegration und bis zu 1,5 MB Flash und 256 KB On-Chip-SRAM. Bild 5 zeigt das Blockdiagramm. Der Baustein verfügt über eine MiPs-LCD-Schnittstelle für ein lokales Display mit niedriger Energieaufnahme sowie eine USB-Schnittstelle und einen Ultra-Low-Power-ADC.

Da der Baustein speziell auf Anwendungen ausgerichtet ist, die Energie aus der Umwelt gewinnen, verfügt er über einen Energy Harvesting Controller (EHC) (Bild 6). Das ermöglicht es, Energie aus einer Vielzahl verschiedener erneuerbarer Energiequellen zu gewinnen, während der Baustein gleichzeitig eine externe wiederaufladbare Batterie oder einen Superkondensator automatisch steuern kann. Der EHC kann auch externe Bauteile wie Funk und Sensoren mit Strom versorgen, sodass diese auch mit der gewonnenen Energie arbeiten können. Dies ermöglicht die Entwicklung einer kompletten batterielosen PMA-Anwendung.

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Bild 6. Steuerung der Energiegewinnung.
© Renesas

Eine der größten Herausforderungen mit jedem Embedded-Baustein in Energy-Harvesting-Anwendungen ist der »Einschaltstrom«, den der Baustein beim ersten Einschalten benötigt und der typischerweise recht hoch ist. Das Risiko besteht hierbei darin, dass der Einschaltstrom die meisten typischen Energiequellen für die Energiegewinnung übersteigt, was dazu führt, dass der Baustein nicht richtig funktioniert.

Der EHC begegnet dieser Herausforderung, indem er die kleinen verfügbaren Energiemengen handhabt, um einen sicheren und zuverlässigen Start des Mikrocontrollers aus Niedrigstromquellen zu ermöglichen, die nur 5 µA Strom liefern. Mit der richtigen Schaltung für die Energieauslegung ermöglicht der EHC den Betrieb dieser Bausteine mit einer Vielzahl von Energiequellen, darunter Solarzellen, Vibrations-Harvester, thermische Harvester und vieles mehr.

Fazit und Ausblick

Die Entwicklung von Embedded Controllern auf Basis der SOTB-Technologie wird eine neue Generation von PMA-Anwendungen ohne Batterie ermöglichen und es den Patienten erleichtern, die verschriebene Verordnung einzuhalten. Diese Art der Anwendung wird einen wesentlichen Beitrag leisten, die Gesundheit der einzelnen Patienten zu verbessern, das Fehlerrisiko bei der Medikamenteneinnahme zu minimieren und dem Gesundheitswesen Kosten einzusparen. 

ENERGY HARVESTING IN EMBEDDED SYSTEMEN

Der erste Embedded Controller, der bei diesem neuen Prozess zum Einsatz kommt, ist die R7F0E017-Familie von Renesas. Dieser Controller kann eine aktive Leistungsaufnahme von rund 20 µA/MHz bei einem Betrieb mit bis zu 32 MHz und einen Leckstrom von bis zu 150 nA im Deep-Standby-Modus erreichen. Diese Zahlen sind laut Hersteller unübertroffen für einen Baustein mit 1,5-MB-On-Chip-Flash und 256-KB-On-Chip-SRAM. Mehr Informationen sowie Anwendungsbeispiele finden Sie unter: www.renesas.com/SOTB.

 


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