Medizinische Bildgebung

Mit Ultraschallwellen das Gehirn untersuchen

27. Juli 2022, 10:17 Uhr | Ute Häußler
Ein hexaedrisches Finite-​Elemente-Netz des Schädels. Die Nahaufnahmen demonstrieren die Effektivität dieser Vernetzungsstrategie für den Umgang mit komplexen Geometrien.
© ETH Zürich

Seismologen nutzen die Ausbreitung von Wellen, um das Erdinnere zu erforschen. Forscher der ETH Zürich wollen die Wellenphysik jetzt für die Ultraschall-Bildgebung des menschlichen Gehirns nutzen.

Sowohl die medizinische Bildgebung mit Ultraschall wie auch die Seismologie zur Darstellung des Erdinneren nutzen die Ausbreitung von Wellen durch die Materie. Die Parallelen zur Ausbreitung zwischen Ultraschall-​ und Erdbebenwellen sowie das Know-​how des ETH Zürich-Teams um Professor Andreas Fichtner im Bereich der Wellenphysik - wie sich die Informationen, die Wellen in sich tragen, nutzen und in Bilder umsetzen lassen - sollen jetzt die Wellenausbreitung auch für den medizinischen Ultraschall nutzen.

Mit dem Verfahren sollen zukünftig Erdbeben im Gehirn verhindert werden, beispielsweise druch die Überwachung von Schlagfanfallpatienten und die Identifikation von Gehirntumoren.

Schonende und kostengünstige Untersuchung

Im Vergleich zur Computertomographie (CT) oder dem Röntgen hat Ultraschall einen entscheidenden Vorteil: Das Verfahren ist für den Körper nahezu unschädlich. Zudem ist es viel kostengünstiger als etwa die Magnetresonanz-​Tomographie (MRT). Darüber hinaus sind Ultraschallgeräte transportabel und können auch in entlegenen Regionen zum Einsatz kommen. Das Problem ist aber, dass Ultraschall bis anhin nur in Weichteilen gut funktioniert. Ultraschallwellen durch harte Strukturen wie die Schädeldecke zu bekommen, ist jedoch sehr schwierig, denn der Schädelknochen reflektiert und dämpft die Wellen sehr stark. Eine neue Methode soll die Grundlage dafür liefern, um auch das Gehirn mit Ultraschall hochauflösend darzustellen.

Die Forscher entwickeln für die Simulation der Wellenausbreitung durch das Gehirn sowohl Algorithmen weiter wie auch ein spezielles Gitternetz, dessen Koordinatenpunkte berechnet werden müssen. Ein Softwarepaket namens Salvus modelliert die Ausbreitung des kompletten Wellenfeldes (full-​waveform) über räumliche Skalen von einigen Millimetern bis zu Tausenden von Kilometern. Das Softwarepaket verwendet die Spektrale-​Elemente-Methode (SEM), die sich besonders zur Simulation der Wellenausbreitung in Medien mit kontrastreichen Materialübergängen eignet.

«Im Gegensatz zum herkömmlichen Ultraschall, der nur die Ankunftszeit der Wellen nutzt, verwenden wir in unseren Simulationen die gesamte Welleninformation», sagt Doktorant Patrick Marty. Das heisst, die Form der Welle, deren Frequenz, Geschwindigkeit und Amplitude an jedem Punkt ihrer Ausbreitung fliessen in die Berechnungen ein.

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Ein möglicher Aufbau für ein Ultraschallgerät, das zur Bildgebung des Gehirns verwendet werden könnte.
© ETH Zürich

Lernen an einer Magnetresonanz-​Tomographie

Für ihr Modell verwenden die Forscher eine MRT-​Aufnahme des Gehirns als Referenzbild. Auf dem Supercomputer «Piz Daint» führen sie dann mit unterschiedlichen Parametern Berechnungen durch, bis das simulierte Bild mit dem des MRT übereinstimmt.

Mit ihrer Methode erhalten sie anstatt eines für den herkömmlichen Ultraschall üblichen Graustufenbildes, das keine weiteren Informationen enthält, ein quantitatives Bild: Indem die Forscher die Informationen des kompletten Wellenfelds nutzenläßt sich schließlich unterscheiden, ob es sich beispielsweise um Gehirnmasse oder Tumorgewebe handelt. Denn von Laborexperimenten kennt man die Dichte, Dämpfung oder Schallwellengeschwindigkeit der unterschiedlichen Gewebearten. Die Forscher sind überzeugt, dass sich mit dieser Methode gesundes Gewebe von krankem schonend und kostengünstig unterscheiden lässt. Konkret könnte dieses Verfahren in einen Computer eingespeist werden, der in ein speziell hierfür entwickeltes Ultraschallgerät integriert wird.

Gebraucht: Hexaeder und neue Grafikkarten

Eine besondere Herausforderung ist die, aufgrund von Augen-​, Nasen und Kieferhöhlen etc., komplexe Geometrie des Schädels, die in der Simulation genau modelliert werden muss, ohne dass dabei die Rechenzeit explodiert. Um dieses Problem zu lösen, arbeiten die Forschenden an Methoden, die aus Hexaedern (kleine Elemente mit sechs ebenen Flächen) individuelle numerische Gitter für beliebige Schädelformen erstellen. Mit den verformten kleinen Würfeln wären die Berechnungen 100 bis 1000mal schneller, zudem profitiert das Projekt stark von neuen Entwicklungen bei den Grafikkarten.

Die Forscher arbeiten mit Medizinerinnen und Medizinern des Unispitals Zürich zusammen, um diese Techniken weiterzuentwickeln. Wenn es gelingt, die Verfahren für die Gittererstellung und Bildgebung des Gehirns weiterzuentwickeln, könnte diese Methode auch für andere Körperteile wie das Knie oder der Ellenbogen anwendbar sein. Dies wäre dann eine vielversprechende Grundlage für die Entwicklung eines entsprechenden Ultraschallgerätes. (uh)


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