Neue Art Herzschrittmacher

Graphen-'Tattoo' behandelt Herzrhythmus mit Licht

24. April 2023, 20:10 Uhr | Ute Häußler
© NWU

Amerikanische Forschende haben den ersten und dünnsten Herzschrittmacher aus Graphen entwickelt. Die nur 100 Mikrometer messenden Tattoo-Implantate schmiegen sich flexibel an das Herz und erkennen und behandeln Herzrhythmusstörungen mit Licht.

Das neuartige Graphen-Tattoo-Implantat ist dünner als eine einzelne Haarsträhne und funktioniert dennoch wie ein klassischer Herzschrittmacher. Im Gegensatz zu den derzeitigen, starren Defibrillatoren schmiegt sich das neue Gerät sanft an das Herz an, um gleichzeitig unregelmäßige Herzschläge zu erkennen und zu behandeln. Das Implantat ist dünn und flexibel genug, um sich den empfindlichen Konturen des Herzens anzupassen, und gleichzeitig dehnbar und stark genug, um den dynamischen Bewegungen eines schlagenden Herzens standzuhalten.

Nach der Implantation des Geräts in ein Rattenmodell konnten Forschende unter Leitung der Northwestern und der University Austin, Texas nachweisen, dass das Graphen-Tattoo erfolgreich unregelmäßige Herzrhythmen erkennen und dann durch eine Reihe von Impulsen elektrische Stimulationen abgeben kann, ohne die natürlichen Bewegungen des Herzens einzuschränken oder zu verändern. Die Technologie ist optisch transparent, so dass die Forscher eine externe optische Lichtquelle verwenden können, um den Herzschlag über das Implantat aufzuzeichnen und zu stimulieren. Es handelt sich um das bisher dünnste bekannte Herzimplantat.

Neues Material gegen Herzkrankheiten

"Eine der Herausforderungen bei den derzeitigen Herzschrittmachern und Defibrillatoren besteht darin, dass sie sich nur schwer auf der Herzoberfläche anbringen lassen", sagt Igor Efimov, der Erstautor der Studie. "Defibrillatorelektroden zum Beispiel sind im Wesentlichen Spulen aus sehr dicken Drähten. Diese Drähte sind nicht flexibel und können brechen. Starre Schnittstellen zu weichem Gewebe, wie dem Herzen, können zu verschiedenen Komplikationen führen. Im Gegensatz dazu ist unser weiches, flexibles Gerät nicht nur unauffällig, sondern schmiegt sich auch nahtlos an das Herz an, um präzisere Messungen zu ermöglichen."

Ärzte behandeln Herzrhythmusstörungen in der Regel mit implantierbaren Herzschrittmachern und Defibrillatoren, die abnormale Herzschläge erkennen und dann den Rhythmus durch elektrische Stimulation korrigieren. Diese Geräte können aber aufgrund ihrer starren Beschaffenheit die natürlichen Bewegungen des Herzens einschränken, Weichgewebe verletzen, vorübergehende Beschwerden verursachen und zu Komplikationen wie schmerzhaften Schwellungen, Perforationen, Blutgerinnseln, Infektionen und mehr führen.

Die texanischen Forschenden wollen auf Basis der Graphen-Technologie ein biokompatibles Gerät entwickeln, das sich ideal an weiches, dynamisches Gewebe anpasst. Nach der Prüfung verschiedener Materialien entschieden sich die Forscher für Graphen, eine atomar dünne Form von Kohlenstoff. Mit seiner ultrastarken, leichten Struktur und überlegenen Leitfähigkeit hat Graphen das Potenzial für viele Anwendungen in der Hochleistungselektronik, bei hochfesten Materialien und Energiegeräten.

100 Mikrometer am schlagenden Herzen

An der University of Texas entwickelten das Forschenden-Team bereits elektronische Graphen-Tattoos (GETs) mit sensorischen Fähigkeiten. Die flexiblen und schwerelosen E-Tattoos ihres haften auf der Haut und überwachen kontinuierlich die Vitalparameter des Körpers, einschließlich des Blutdrucks und der elektrischen Aktivität von Gehirn, Herz und Muskeln. Während die E-Tattoos auf der Hautoberfläche gut funktionieren, mussten für den Einsatz im Körperinneren Efimovs neue Methoden gefunden werden, um die Implantate direkt auf der Oberfläche eines schlagenden Herzens einzusetzen.

Dazu verkapselten die Forschenden zunächst das Graphen in einer flexiblen, elastischen Silikonmembran, in die sie ein Loch stanzten, um Zugang zur inneren Graphenelektrode zu erhalten. Dann legten sie vorsichtig ein 10 Mikrometer dickes Goldband auf die Verkapselungsschicht, das als elektrische Verbindung zwischen dem Graphen und der externen Elektronik zur Messung und Stimulation des Herzens diente. Schließlich legten sie es auf das Herz. Die Dicke aller Schichten zusammen beträgt etwa 100 Mikrometer.

Das so entstandene Gerät war auf einem aktiv schlagenden Herzen bei Körpertemperatur 60 Tage lang stabil, was mit der Dauer von vorübergehenden Herzschrittmachern vergleichbar ist, die als Überbrückung zu permanenten Herzschrittmachern oder zur Rhythmuskontrolle nach Operationen oder anderen Therapien eingesetzt werden.

Graphen-Transparenz steigert Auslesedichte

Efimov und sein Team nutzten die transparente Beschaffenheit des Geräts und führten in der Tierstudie die Optokardiografie durch, d. h. sie nutzten Licht, um den Herzrhythmus zu verfolgen und zu modulieren. Dies bietet nicht nur eine neue Möglichkeit zur Diagnose und Behandlung von Herzkrankheiten, sondern eröffnet auch neue Möglichkeiten für die Optogenetik, eine Methode zur Steuerung und Überwachung einzelner Zellen mit Licht.

Während elektrische Stimulation den abnormalen Rhythmus eines Herzens korrigieren kann, ist die optische Stimulation präziser. Mit Licht können die Forscher bestimmte Enzyme verfolgen und bestimmte Herz-, Muskel- oder Nervenzellen abfragen. "Wir können im Wesentlichen elektrische und optische Funktionen in einer Bioschnittstelle kombinieren", sagte Efimov. "Da Graphen optisch transparent ist, können wir tatsächlich durch es hindurch lesen, was uns eine viel höhere Auslesedichte ermöglicht." (uh)

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