Energy Harvesting / Dartmouth

Herz lädt Herzschrittmacher nach

15. Februar 2019, 8:30 Uhr | Ralf Higgelke
Thayer, Dartmouth, pacemaker, energy harvesting
Darstellung der beiden Designs für das Energy Harvesting am schlagenden Herzen.
© Patricio Sarzosa

Über eine Million Herzschrittmacher werden weltweit pro Jahr eingesetzt. Und alle fünf bis zehn Jahre ist ein neuerlicher chirurgischer Eingriff erforderlich, um die Batterien zu tauschen. Glaubt man US-Forschern, könnten diese nachfolgenden Operationen schon bald der Vergangenheit angehören.

»Wir versuchen, das ultimative Problem jedes implantierbaren biomedizinischen Geräts zu lösen: Wie schafft man eine effektive Energiequelle, damit das Gerät während der gesamten Lebensdauer des Patienten seine Arbeit verrichtet, ohne die Batterie durch einen chirurgischen Eingriff ersetzen zu müssen?«, erklärt Professor John X.J. Zhang, leitender Forscher der Studie, die Herausforderung.

Forscher der Thayer School of Engineering in Dartmouth haben zusammen mit Medizinern der Universität von Texas in San Antonio vielversprechende Ergebnisse veröffentlicht, die einen neuen Weg aufzeigen, um diese und andere implantierbare medizinische Geräte mit Energie zu versorgen. Die Studie wird fünf Jahre lang über den NIH Director's Transformative Research Award finanziert und ziert den Titel der Januar-Ausgabe von Advanced Materials Technologies. Diese Studie untersucht eine Kombination aus Dünnschicht-Energieumwandlungsmaterialien mit minimal invasivem mechanischem Design, um den Weg hin zu sich selbst aufladende Batterien für eine potenziell breite Palette von implantierbaren Geräten wie Herzschrittmacher und Defibrillatoren zu ebnen.

In dieser Studie wurde ein heute üblicher Herzschrittmacher modifiziert. Die kinetische Energie, die das schlagende Herz auf die Elektrode des Herzschrittmachers ausübt, wird über den Piezoeffekt genutzt, um die Batterie kontinuierlich wieder aufzuladen. Das zugesetzte Material ist eine Art piezoelektrischer Spezialfolie aus einem Polymer namens PVDF. Ist es in porösen Strukturen ausgeführt – entweder als Reihe kleiner Bündel oder als flexibler Ausleger –, kann es mechanische Bewegungen in Strom umwandeln. Die gleichen Module eignen sich auch als Sensoren, um Daten von Patienten zur Echtzeitüberwachung zu sammeln.

»Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass das implantierte Gerät die Körperfunktionen nicht beeinträchtigt«, ergänzt Lin Dong, Erstautorin des Beitrags und wissenschaftliche Mitarbeiterin in Dartmouth. »Es muss also biokompatibel, leicht, flexibel und unauffällig sein. Dadurch passt es nicht nur in die aktuelle Struktur von Herzschrittmachern, sondern ist auch skalierbar für eine zukünftige Nutzung in ähnlich gelagerten Anwendungen.« Weitere wichtige Mitarbeiter an der Studie sind Professor Zi Chen, ein Experte für Dünnschichtmechanik, und Dr. Marc Feldman, Professor und klinischer Kardiologe an der Universität von Texas.

Im folgenden Video demonstriert Lin Dong ein überdimensionales Modell sowohl der Strahl- als auch der Auslegerkonstruktion:

Lin Dong, wissenschaftliche Mitarbeiterin in Dartmouth, zeigt ein überdimensionales Modell sowohl der Strahl- als auch der Auslegerkonstruktion.

Noch läuft die NIH-Finanzierung zwei Jahre, und zählt man die Zeit hinzu, um die vorklinische Phase abzuschließen und die behördliche Zulassung zu erhalten, dann könnte ein selbstaufladender Herzschrittmacher etwa fünf Jahre von der Marktreife entfernt sein.

»Wir haben die erste Runde der Tierversuche mit hervorragenden Ergebnissen abgeschlossen. Diese werden wir in Kürze veröffentlichen», sagt Zhang. »Es gibt bereits viel Interesse von großen Medizintechnikunternehmen.«

Originalpublikation

Lin Dong, et al., Energy Harvesting: Flexible Porous Piezoelectric Cantilever on a Pacemaker Lead for Compact Energy Harvesting, Advanced Material Technology 1/2019


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