Energy Harvesting

Mit Körperwärme Energie ernten

16. März 2021, 11:14 Uhr | Mithras Technology
Das Kernstück, die thermoelektrische Folie, besteht aus einer Abfolge von Halbleiter-​Elementen, die mit leitfähigem Metall verbunden sind.
© Mithras Technology

Schweizer Start-up verwandelt den Körper in ein Kraftwerk für mobile Geräte

Hörgeräte sind eine praktische Sache. Doch für betagte Menschen, welche die winzigen kleinen Batterien alle zwei Wochen austauschen müssen, sind sie häufig sehr umständlich zu bedienen. Es ist feinmotorisch anspruchsvoll, die Batterien zu wechseln, und hin und wieder geht es auch vergessen. Was wäre nun, wenn Hörgeräte komplett wartungsfrei und autonom funktionieren würden? Ist das überhaupt realistisch? Die Antwort darauf hat das ETH Spin-​off »Mithras Technology«. Das 2018 gegründete Start-up will Hörgeräte und andere Wearables mit umweltfreundlicher, dezentraler Energie versorgen – mit einem einfachen Ansatz: Sie nutzen den menschlichen Körper als Energiequelle.

Im Schnitt strahlt der menschliche Körper kontinuierlich etwa 100 Watt an thermischer Energie ab. Der grösste Teil dieser Energie geht ungenutzt an die Umgebung verloren. Genau diese »vergeudete« Energie will sich Mithras nun zunutze machen. Über thermoelektrische Generatoren, sogenannte TEGs, will die Firma Wärme in Strom umwandeln. Die eine Seite des TEGs ist dabei mit dem Körper verbunden, die andere mit der Umgebung. Aus der Temperaturdifferenz erzeugt das Gerät Strom, der in einer Batterie gespeichert werden kann. Bereits mit einem Temperaturunterschied von nur einem Grad können die thermoelektrischen Generatoren emissionsfrei Strom erzeugen.

Von der Geschichte zur Technik

Auch wenn die Technologie nach Zukunftsmusik klingt, ganz neu ist die Idee nicht. Thermoelektrische Effekte wurden erstmals 1822 von Thomas Johann Seebeck beschrieben. Er fand heraus, dass sich die Kompassnadel bewegt, sobald sie in die Nähe von zwei Metallverbindungen kommt, die unterschiedliche Temperaturen aufweisen. Die Umwandlung von Wärme in Elektrizität wurde später als »Seebeck-​Effekt« bezeichnet und beschreibt einen Teil der physikalischen Prozesse, die wir heute als Thermoelektrik kennen.

Aktuell befinden sich die Gründer Franco Membrini und Moritz Thielen noch in der Prototyping-​Phase. Sie bauen dabei auf der Dissertation von Thielen auf, der an der ETH Zürich im Bereich Mikro-​ und Nanosysteme promoviert hat und einer der wenigen Spezialisten auf diesem Gebiet ist.

Das Mithras-​Team hat zwei Konzepte entwickelt, wie TEG-​Sensoren auf dem Körper getragen werden können: Als eigenständiges Wearable, das wie eine Armbanduhr getragen wird, oder als integrierte Lösung eines mobilen Geräts. Einzige Bedingung für die Stromproduktion ist, dass das Gerät direkt auf dem Körper getragen wird.

Ein Blick in die Kristallkugel

Eine mögliche Anwendung der Technologie im Consumer-​Bereich sind Fitnesstracker, die mit einem integrierten TEG-​System völlig autonom funktionieren. »Es ist unerheblich, ob man Kaffee trinkt, Sport treibt oder am Schlafen ist – solange die TEG die Körperwärme 'anzapfen' können, wird die Batterie von selbst aufgeladen«, erklärt Membrini. 

Nach dem erfolgreichen Abschluss der sogenannten Seed-​Investorenrunde will das Team nun richtig loslegen. Ziel ist es, das erste Produkt im vierten Quartal 2021 auf den Markt zu bringen. Mit dem Fokus auf den Medtech-​Bereich soll die Mithras-​Technologie künftig in Hörgeräten, Insulinpumpen und anderen medizinischen Gerätschaften verbaut werden. »Unsere Technologie bietet dutzende Applikationsmöglichkeiten«, sagt Membrini. Ein erster Fokus liegt dabei auf Biosensoren zur Überwachung von Körperfunktionen. Funktionieren wird das über sogenannte Smartpatches, die auf dem Körper angebracht werden.  

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(me)


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