Bioprinting

Biopflas­ter aus dem 3D-Dru­cker

11. Februar 2022, 8:30 Uhr | DLR/TU Dresden
Mat­thi­as Mau­rer beim Bio­print-Fir­stAid-Ex­pe­ri­ment
© NASA/ESA

3D-Bioprinting soll helfen, die Wundversorgung zu verbessern

Um das Risiko für die Astronautinnen und Astronauten bei den sehr lange dauernden Expeditionen möglichst gering zu halten, forschen die internationalen Raumfahrtagenturen daran, von der Erde unabhängige Systeme zu entwickeln, die bei technischen, aber auch gesundheitlichen Problemen eingesetzt werden können. Während Crew-Mitglieder auf der Internationalen Raumstation ISS bei Eintreten eines Notfalls immer sehr kurzfristig auf die Erde zurückkehren können, ist dies bei einer Marsmission aus verschiedenen Gründen, wie der Bahnmechanik oder den verfügbaren Ressourcen, ausgeschlossen.

Eine zentrale Rolle bei solchen Notfallsystemen spielen die additiven Herstellungsverfahren, oft vereinfachend als 3D-Druck bezeichnet. Im technischen Bereich lassen sich damit einerseits große Strukturen unter Nutzung der vorgefundenen Ressourcen erzeugen und andererseits schnell und flexibel Ersatzteile für Raumschiff oder Bodenfahrzeuge herstellen. Aber auch beim Auftreten ernsthafter gesundheitlicher Probleme, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Verletzung, kann der 3D-Druck helfen. Hier kommt das sogenannte Bioprinting ins Spiel, welches das dreidimensionale Drucken lebender Zellen zu gewebeartigen Konstrukten beschreibt.

Experiment Bioprint FirstAid auf der ISS

Verbandspistole Bioprint First Aid
Verbandspistole Bioprint First Aid
© NASA/ESA

Menschliche Zellen aus dem 3D-Drucker, mit der Hautwunden wie mit einem Heftpflaster abgedeckt werden können - das ist auch das langfristige Ziel des Experiments Bioprint FirstAid. Im Rahmen der Mission »Cosmic Kiss« hat der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer die Versuchsreihe nun auf der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt. Das mobile Handgerät soll die Wundversorgung auf Weltraummissionen, aber auch in der täglichen medizinischen Anwendung auf der Erde deutlich verbessern. »Mit Bioprint FirstAid wurde diese innovative Technologie nun erstmalig unter Weltraumbedingungen getestet«, so Dr. Michael Becker, Bioprint-FirstAid-Projektleiter in der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn. Bioprinting sei ein wichtiger Schritt hin zu personalisierter Medizin im All und auf der Erde.

Der Bioprinter kann mechanisch betrieben werden und besteht aus einem Handgriff, einem Druckkopf, Führungsrädern und zwei Kartuschen für die Biotinte, mit der die pflasterartige Wundabdeckung hergestellt wird. Während des Experiments auf der ISS wurde diese Tinte zunächst auf einer Folie auf dem Bein von Matthias Maurer aufgetragen. Dabei wurden zwei unterschiedlich zusammengesetzte Biotinten sowie zwei verschiedene Druckköpfe verwendet. »Das Technologie-Experiment wird im ersten Schritt noch keine echten menschlichen Zellen, sondern fluoreszierende Mikropartikel einsetzen«, so Becker. Die Erkenntnisse sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern helfen, die Technik weiterzuentwickeln und für Patientinnen und Patienten anwendbar zu machen.


Pflaster 2.0: Vom Wundaufkleber zum smarten Allrounder

Hände mit Pflaster (Symbolbild)
© AdobeStock/fotoduets
Auswahl an verschiedenen Smart Patches
© Weka Fachmedien/M. Ehrhardt
Elektronisches Pflaster auf TPU-Pasis
© Covestro

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Durch die kompakte Bauweise und die einfache, mobile Verwendung besitzt die Drucktechnologie nicht nur ein reales Potenzial für den Einsatz in Arztpraxen und Kliniken, sondern auch für eine flexible Behandlung an Orten, die schwer zugänglich oder isoliert sind. So kann der Bioprinter sowohl auf zukünftigen Langzeit-Raumfahrtmissionen wie auch auf Forschungsstationen an abgelegenen Orten, wie etwa in der Antarktis, eingesetzt werden.

TU Dresden europaweit führend

Bioprinting von zwei verschiedenen Zelltypen und Materialien in einem Konstrukt unter Verwendung einer Koaxialdüse.
Bioprinting von zwei verschiedenen Zelltypen und Materialien in einem Konstrukt unter Verwendung einer Koaxialdüse.
© TFO/TUD

Nach Abschluss des Experiments werden die auf der ISS gedruckten Pflaster für weitere Tests und Analysen mit einem Raumfahrzeug zur Erde zurückgebracht. In der Zwischenzeit führen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums für Translationale Knochen-, Gelenk- und Weichgewebeforschung am Boden Vergleichsexperimente durch, um die Ergebnisse des ISS-Experiments nach deren Rückkehr zu überprüfen. Das Zentrum – eine Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung von Universitätsklinikum und Medizinischer Fakultät der TU Dresden unter der Leitung von Prof. Michael Gelinsky – gehört zu den deutschlandweit führenden und auch international erfolgreichen Laboren auf dem Gebiet des Bioprintings.Ziel dieser Untersuchung ist es, das Druckverhalten in Abhängigkeit von verschiedenen Druckdüsen und unterschiedlichen Biotinten zu erforschen. Außerdem wird untersucht, wie sich die Mikropartikel in Schwerelosigkeit verteilt haben.

Beauftragt und finanziert durch die Europäische Weltraumagentur ESA und zusammen mit dem Bremer Weltraumtechnologie-Konzern OHB hat das Zentrum 2018 begonnen, den möglichen Einsatz des Bioprintings bei Weltraummissionen zu untersuchen; ein damals völlig neues Thema. Neben der Herstellung von Ersatzgeweben, beispielsweise zur Behandlung von schweren Verletzungen der Haut oder komplexen Knochenbrüchen, können mit dem Bioprinting auch sehr definierte Gewebemodelle erzeugt werden, an denen zum Beispiel auf der ISS der Einfluss der Weltraumbedingungen wie Schwerelosigkeit und kosmische Strahlung auf Zellen und Gewebe untersucht werden können.

Workshop Bioprinting im Weltraum

Die fertigen Pflas­ter aus Bio­tin­te
Die fertigen Pflas­ter aus Bio­tin­te
© NASA/ESA

Um Wissenschaftler:innen diese Möglichkeit der lebenswissenschaftlichen Grundlagenforschung zu eröffnen und den Einsatz des Bioprintings in der Weltraummedizin weiter zu erforschen hat die ESA inzwischen beschlossen, einen 3D-Bioprinter für das Biolab im Columbusmodul der ISS zu bauen. Dieser soll dort ab 2025 für Experimente zu Verfügung stehen. Derweil hat die ESA das Bioprinting-Labor von Prof. Michael Gelinsky und Dr. Anja Lode in Dresden zu einer »ESA Ground-Based Facility« erklärt, was europäischen Forscher:innen die Möglichkeit gibt, unterstützt durch die ESA in Dresden vorbereitende Untersuchungen mit der dort vorhandenen, hervorragenden Ausstattung und beraten von die Dresdner Expertinnen und Experten durchzuführen.

Um diese Entwicklungen und Möglichkeiten auch international weiter bekanntzumachen werden die ESA, die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die TU Dresden am 15. und 16. März in Dresden einen Workshop zum Thema »Bioprinting im Weltraum« veranstalten. Dieser soll dem Austausch zwischen Astronauten, Bioprinting-Experten und Fachleuten auf dem Gebiet lebenswissenschaftlicher Forschung im Weltraum dienen und Experimente anregen, die zur Vorbereitung des Einsatzes der Bioprinting-Technologie auf der ISS notwendig sind.

Informationen zum Workshop finden Sie hier


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