Reinraumfertigung

Energieführung und Leitung mit ISO Klasse 1

10. August 2021, 9:00 Uhr | Rainer Rössel (Igus)
PTFE-Bandleitungen: Bei Bruch nur eines einzelnen Elements, zum Beispiel einer Ader, muss das gesamte System ausgetauscht werden.
© Igus

Igus reduziert mit Alternative zur Flachbandleitung die Reinraumkosten

Die zunehmende Digitalisierung, insbesondere in Zeiten der Pandemie, führt zu einem erhöhten Wachstum in der Halbleiterindustrie. Vor allem Speicher-ICs sind in heimischen Büros, in ausgebauten IT-Infrastrukturen von Unternehmen oder auch in der Medizinelektronik gefragt. Gleichzeitig steigen die Investitionsausgaben in der Produktion. Den Herstellern geht es darum, die Geschwindigkeit von Maschinen und Anlagen sowie die Produktionssicherheit zu erhöhen. 

Eine der größten Herausforderungen sind dabei Partikel, die sich von Maschinen lösen und die Umgebungsluft kontaminieren. Für das Auge kaum sichtbar, können die Teilchen Leiterplatten zerstören. Oberstes Gebot ist es daher, die Kontamination von Produktionsräumen zu verhindern und die Produkte zu schützen. Entsprechend gefragt sind Reinraumkomponenten, die keinerlei Abrieb erzeugen. Zu diesen Komponenten zählen beispielsweise Führungen von Energie- und Datenkabeln. 

Hier sind laminierte Flachbandleitungen aus Polytetrafluorethylen (PTFE) in der Branche etabliert, sie sind auch als Teflonleitungen oder Reinraumleitungen bekannt. Das allgemeine Grundprinzip: Verseilte Adern, sogenannte Verseilverbände, werden parallel geführt und durch zwei PTFE/PUR/PTFE-Folien (PUR = Polyurethan) untrennbar miteinander verbunden. So entsteht ein geschlossenes System, das selbsttragend ist und keine Partikel an die Umgebungsluft abgibt. 

Kompletter Austausch der Flachbandleitungen im Wartungsfall

PTFE-Flachbandleitungen haben allerdings eine sehr kostenintensive Schattenseite: ihr hoher Wartungsaufwand. Da die verseilten Adern in einem durchgängigen Flachband verschweißt und nicht trennbar sind, müssen Anwender beim Bruch einer einzelnen Ader das gesamte System tauschen. Das kostet Geld und Zeit, da Flachbandleitungen meist nicht ab Lager lieferbar sind. Sie werden kundenspezifisch gefertigt. Hat der Kunde keinen verbindlichen Rahmenvertrag mit dem Hersteller, kann es zu langen Warte- und Ausfallzeiten kommen. 

Ein weiteres Manko ist, das klassische Flachbandleitungen unflexibel sind. Sie bieten dem Anwender nicht die Gelegenheit, Maschinen und Anlagen zu skalieren. Wollen Anlagenbetreiber beispielsweise ein neues Bussystem für eine zusätzliche Kamera hinzufügen, müssen sie die gesamte Flachbandleitung wechseln. Entsprechend aufwendig und sperrig gestalten sich auch Prototypenphasen. Denn herkömmliche Flachbandleitungen sind eine feste Einheit, die, einmal definiert, nicht mehr zu ändern ist. 

CF Clean: Verseilelemente mit Aderisolation in PTFE-Folie

Mit den e-skin flat single pods kann der Anwender selbst die Anzahl der Kammern definieren, sie miteinander verbinden und jederzeit erweitern.
Mit den e-skin flat single pods kann der Anwender selbst die Anzahl der Kammern definieren, sie miteinander verbinden und jederzeit erweitern.
© Igus

Um mit dieser starren, teuren Anordnung zu brechen, hat Igus ein alternatives System, bestehend aus Leitung beziehungsweise Ader und Energieführung, entwickelt. Das Unternehmen aus Köln hat einen Weg gefunden, klassische Flachbandleitungen durch ein modulares System zu ersetzen. Der Experte für bewegte Leitungen hat bereits über 900 seiner Chainflex-Leitungen in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA nach Reinraumklasse ISO 1 und 166 Leitungen nach ISO 2 zertifizieren lassen. 

Die CF Clean ergänzt nun das Portfolio als eine Alternative zu Flachbandkabeln in Kombination mit einer neuen reinraumtauglichen Energieführung. Sie ist keine klassische Leitung, da auf den Außenmantel verzichtet wird. Die Adern für die Übertragung von Energie, Motorsteuerungs-, Bus- und Ethernetsignalen sind mit einer PTFE-Folie verschweißt. Der elektrische Schutz ist somit gewährleistet. Für den mechanischen Schutz sorgt ein e-skin flat single pod, ein Profil aus Hochleistungskunststoff. Der Clou: Anders als bei klassischen Flachbandleitungen sind diese Profile nicht mit den Adern verbunden. Sie lassen sich über einen Reißverschluss öffnen, sodass der Anwender die Verseilelemente mit wenigen Handgriffen einlegt – bei einer geschlossenen Variante führt er die Leitungen durch die Kammeröffnungen. Im Inneren der Profile sind die Verseilelemente vor mechanischen Einflüssen geschützt. 

Gleichzeitig ist ausgeschlossen, dass Partikel die Umgebungsluft kontaminieren. Somit ist das System reinraumtauglich nach der strengsten Reinraumklasse 1 der ISO 14644-1, was auch durch Tests am Fraunhofer IPA bewiesen wurde. In einen Kubikmeter Umgebungsluft gelangen dabei höchstens zehn Partikel der Größe 0,1 Mikrometer, umgerechnet 0,0001 Millimeter. Zum Vergleich: Neben einem Raucher schweben bis zu 100.000.000 Partikel, die größer als 0,5 Mikrometer sind. Möchte der Anwender neue Leitungen in Betrieb nehmen, kann er die Einzelprofile miteinander verbinden. 

Gewicht um 21 Prozent reduziert

Die Modularität der e-skin flat single pods bricht somit mit den Beschränkungen klassischer Flachbandleitungen. In der Vergangenheit waren reinraumtaugliche Kabelführungen meistens auf die gewählte Ausbaustufe festgelegt. Kamen im Laufe des Maschinenlebens Leitungen hinzu, mussten Anwender oft das Führungssystem wechseln. Das neue Kabelführungssystem wächst hingegen mit den Anforderungen, garantiert Investitionssicherheit und erhöht abermals die Gesamtanlageneffektivität. Zwar wären die e-skin flat single pods mit marktüblichen Energie- und Datenkabeln kompatibel, die maximale Effizienz entfalten die Profile allerdings erst in Kombination mit Chainflex CF Clean. 

Dank des fehlenden Außenmantels ist der Durchmesser der Verseilelemente um 18 Prozent reduziert, das Gewicht um 21 Prozent. Das ist vor allem hinsichtlich der ständig wachsenden Anforderungen an höhere Beschleunigungswerte vorteilhaft. Platz ist im Reinraum ein teures Thema. Die Kosten für einen Reinraum steigen exponentiell, je mehr Volumen benötigt wird. Da beim Igus-System im Vergleich zu herkömmlichen Leitungen mit Mantel wesentlich dünnere Elemente zum Einsatz kommen, reduziert sich das Gesamtvolumen und somit auch die Kosten.

Anmerkungen und Links

  • Der Artikel erschien in ähnlicher Form in der Printausgabe 1/2021 der medical design, die am 17. März 2021 erschien. Sie können diesen sowie alle weiteren Artikel im kostenfreien ePaper nachlesen.
  • Mehr Informationen zu Chainflex CF Clean finden Sie auf der Produktseite des Herstellers

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