Exklusiv-Reportage Computertomografie

Neue Augen für die CT-Diagnose

14. Februar 2023, 6:00 Uhr | Ute Häußler

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Zeit und Hitze für die Kristallzüchtung

Der mannshohe Industrieofen glänzt in gebürstetem Aluminium, die silbernen Türen sind fest verschlossen und geben keinen Blick auf sein Inneres frei. Dabei passiert genau hier die Magie. Im Dunkeln der Kammer steckt die Ampulle, die Kristallzüchtung ist in vollem Gange. Und diese braucht Zeit – viel Zeit und viel Hitze.

Die dauerhafte Verbindung von Cadmium und Tellur zu einem stabilen Halbleitermaterial verlangt einen Schmelzpunkt von 1100 Grad Celsius und einen perfekten »Keimkristall«. Ein solch einwandfrei synthetisierter CdTe-Kristall ist homogen grau, im Gitteraufbau wechseln sich ein Cadmium-Atom und ein Tellurium-Atom ab. Ganz ohne Magie, sagt Paul Heimann: »Diese Keimzelle gibt die Qualität und Wuchsrichtung vor«.

Die Ingenieure überwachen das Wachstum der Kristalle streng. Über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Wochen wird die Schmelzzone Mikrometer um Mikrometer immer weiter verschoben. Ausgehend vom Keimkristall setzt sich das synthetisierte Material ab. »Schon die geringste Beschleunigung oder Erschütterung würde zulasten der angestrebten Qualität gehen«, erklärt Heimann die aufwendige Prozedur. Bis im Inneren der Ampulle ein circa unterarmlanger, zylindrischer Ingot entstanden ist, darf nichts schief gehen.

Für die bestmögliche elektrische Leitfähigkeit, also höchste Sehkraft, wird im Forchheimer Produktionslabor eine Kristallreinheit von 99,999999 % (6N) angestrebt, als Minimum für die Siemens’schen CT-Detektoren gelten 5N. Der Kristallofen ist mit industriellen Powerbanks (USVs) und Dieselgeneratoren gleich doppelt gegen mögliche Blackouts geschützt. »In diesem Winter ist das besonders wichtig, stellt Heimann fest. »Im Falle eines Stromausfalls würden wir sonst die Arbeit von Wochen oder sogar Monaten verlieren.«

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Bild 3. Ein diamantbesetzter Metalldraht schneidet den Ingot in wenige Millimeter dünne Krsitallscheiben.
© Siemens Healthineers

Die Kristallzüchtung läuft in Franken derzeit als Proof of Concept – bisher steht die einzige Photon-Counting-basierte Kristallproduktion im japanischen Okinawa. Doch nicht mehr lange. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wachsen Betonstehlen aus dem Boden, in der dort entstehenden Fertigungshalle soll der importierte Zucht- und Produktionsprozess schon im nächsten Jahr in die Serienfertigung überführt werden. Und während die Betonsäulen auf Wände und Fenster warten, muss auch ein fertig gewachsener CdTe-Wafer noch ein paar Schritte durchlaufen, bevor ein Computertomograf damit in Menschen schauen kann.

Die letzte Station des Ingots glänzt ebenfalls in Aluminium, hier allerdings sind die Türen aus Glas. Ein 0,2 Millimeter feiner diamantbesetzter Metalldraht ist eingespannt und leuchtet silbern (Bild 3). Noch steht er still. »Wir benutzen zunächst eine Standard-Rundschleifmaschine und eine ganz normale Bandsäge für das Kappen des Ingots«, sagt Heimann. Der so langwierig gezüchtete Kristallbarren wird geschliffen und abgerundet. Erst dann legt der silberne Draht los. Mit einem leisen Surren schneidet er wenige Millimeter dünne Scheiben aus dem Barren, Staubfilter und Wasser sorgen für einen klaren Schnitt. Die Augen des CT sind fertig, sehen können sie allerdings noch nicht.


  1. Neue Augen für die CT-Diagnose
  2. Zeit und Hitze für die Kristallzüchtung
  3. Aus der Zucht in die CT-Fertigung
  4. Was bringt Photon-Counting?

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