Was den feinen Kristallscheiben dazu noch fehlt, sind Pixel und elektrische Verbindungen. Die Bildpunkte werden in Forchheim per Fotolithografie auf die Wafer gebracht. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt den riesigen Unterschied des neuen CdTe-Materials und der damit möglichen Maskiermethode. Zum einen begrenzte das mechanische Fräsen die Auflösung der bisher genutzten Keramik auf 88.320 Bildpunkte pro Detektor, zum anderen benötigte die Konvertierung der Signale zwei Schritte. Heute passen per Fotolitografie rund 800.000 Bildpunkte auf eine Kristallscheibe, die Umwandlung erfolgt dank des magischen Cadmiumtellurids direkt. Erst mit der passenden Elektronik zum Auslesen der Daten bekommen die bis dahin noch blinden Detektorscheiben die Lizenz zum Sehen.
Wie ein Halbmond schimmert der Blade in der Vitrine, ein Hauch Science-Fiction schwirrt durch die Luft. Die Forchheimer Entwickler haben für Besucher ein kleines Museum mit funkelnden Kristallen, lithografierten Detektoren und ihrer elektrotechnischen Ingenieurskunst gebaut. Fast einen Meter misst die gebogene Metallarmatur, die hier auf einer Schiene bewegt und per Spiegel sogar von hinten betrachtet werden kann. Darauf fangen an die 70 lithografierte und elektronisch bestückte Detektormodule die Röntgenstrahlen ein. Sie machen den Blade zum Herzstück der CT-Bildgebung.
Einmal quer über den Werkshof bringt Andreas Bär das Herz zum Schlagen. »Wir haben hier die größte CT-Produktion der Welt«, sagt der Maschinenbauingenieur und Leiter einer der Forchheimer Fertigungslinien. Sich selbst organisierende Montageteams lassen aus Alchemie und Elektronik Medizintechnik entstehen (Bild 4). Neben den sorgsam gezüchteten Cadmiumtellurid-Scheiben kommen die meisten Komponenten vorgefertigt und -montiert in Forchheim an, beispielsweise aus dem Healthineers-Werk im oberpfälzischen Kemnath. »Wir produzieren hier für alle Länder der Erde, mehrere Tausend CT’s verlassen unser Werk in den verschiedensten Ausführungen pro Jahr«, so Bär. »Rund 15 Prozent davon entfallen auf unsere High-End-Geräte.« Darunter ist seit 2021 auch das neue Modell »Naeotom Alpha« mit den neuen Wunderkristallen. Die Fertigung für das neue photonenzählende Flaggschiff bleibt laut dem Chef der Endmontage im Vergleich zu einem herkömmlichen CT fast unverändert. Nur die Datenstrecke brauchte ein komplettes Re-Design, dank der neuen Detektoren muss sie jetzt die acht bis zwölffache Datenmenge verarbeiten. »Aus Fertigungssicht sind die Bauteile jedoch mit einem herkömmlichen CT vergleichbar.«
Wie eine riesige Waschmaschine im Schleudergang wummert die übermannshohe Röhre inmitten der Fertigungshalle. Während der Montage rotiert die 1,5 Tonnen schwere Zentrifuge, der sogenannten Gantry-Drum, rau und ungestüm. Kabel, Schaltungen und Netzteile liegen offen am Kern des späteren CT-Gerätes, noch fehlt die Schallisolierung und Verkleidung (Bild 5). Am inneren Mantel der Röhre liegen sich zwei Detektor-Blades gegenüber, dort zählen die Cadmiumtellurid-Kristalle später die Photonen. In der klinischen Praxis wird sich die Zentrifuge sehr leise, mit atemberaubenden vier Umdrehungen pro Sekunde um den Patienten bewegen – und dabei so schnell Bilder liefern, dass ein Herzschlag visualisierbar ist.
Bis zu vier Tage dauert es, bis in der fränkischen Manufaktur ein Computertomograf zusammengebaut ist – in echter Handarbeit. Jedes CT-Gerät ist individuell für seinen Käufer ausgestattet und konfiguriert. Weitere zwei bis fünf Tage ausführlichste Prüfung auf Herz und Nieren schließen die Endmontage ab. Ein Display über der jeweiligen Testkabine zeigt das Land und den späteren Einsatzort des CT-Gerätes – je nach Ausführung kosten die Diagnosemaschinen zwischen 200.000 Euro und drei Millionen Euro. Der Naeotom Alpha mit den so aufwendig gezüchteten Kristalldetektoren besetzt das obere Ende der Preisskala und soll – wenn es nach Siemens Healthineers geht – zum neuen Goldstandard der CT-Diagnose avancieren. Doch so magisch die Kristalle auch sein mögen – für eine Klinik muss sich eine solch exorbitante Investition in erster Linie rechnen.