Strom statt Pillen

Behandlung von Schlaganfällen durch Elektrostimulation

14. Juni 2019, 15:00 Uhr | Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.
Unter Hirninfakrt versteht man einen Schlaganfall durch die Verstopfung eines Hirngefäßes mit einem Blutgerinnsel
© Pixabay

Bei einem Hirninfarkt muss schnellstmöglich die Durchblutung wiederhergestellt werden, da es sonst zu bleibenden Schäden kommt. Sind Standardverfahren nicht möglich, können Patienten mit mittels der sogenannten Ganglion-Stimulation behandelt werden

Ein sogenannter ischämischer Schlaganfall entsteht durch den akuten Verschluss einer Arterie (Infarkt). Das Gehirngewebe wird dann nicht mehr ausreichend durchblutet. Der Sauerstoffmangel führt zur Schädigung oder sogar zum Absterben von Gehirnzellen. Im umliegenden Gewebe des Infarkts kommt es zu einer Störung der Blut-Hirn-Schranke. Das heißt, kleine Hirngefäße werden undicht, es tritt Flüssigkeit ins Hirngewebe über, wodurch ein sogenanntes lokales Ödem entsteht.

Diese Schwellung des Gewebes drosselt die Durchblutung zusätzlich auch in der Infarktumgebung – das Schädigungsareal weitet sich dadurch aus. Bei der Behandlung ist entscheidend, dass möglichst schnell die Durchblutung wiederhergestellt wird. Das kann durch eine sogenannte systemische i.v.-Lysetherapie erreicht werden. Durch sie wird das Gerinnsel (Thrombus) medikamentös aufgelöst. Sie hat ein Zeitfenster von maximal 4,5 Stunden und birgt das Risiko der Einblutung in das Infarktareal.

»Leider sind nicht alle Patienten für eine Lysetherapie geeignet«, erklärt DGN-Pressesprecher Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Essen. Problematisch sei z.B., wenn ein schwerer Bluthochdruck vorliegt, Gerinnungsstörungen beziehungsweise eine Blutungsneigung, auch die Einnahme sogenannter blutverdünnender Medikamente oder frühere Schlaganfälle oder Hirnblutungen oder die Patienten sehr alt sind. Die Thrombolyse kommt bei ca. 20% aller Schlaganfallpatienten in einem Zeitfenster von 4,5 h zur Anwendung. Viele Schlaganfallpatienten können nicht mit einer Lysetherapie behandelt werden, weil sie nicht schnell genug eine Klinik erreichen oder weil der Schlaganfall zu schwer ist.

Alternative Methode mittels Elektrostimulation

Eine andere Therapiemöglichkeit ist die interventionelle Entfernung des Thrombus durch einen Stent-Retriever aus dem Blutgefäß mittels eines Kathetereingriffes, die Thrombektomie. Wie Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) berichtet, kommen für dieses Verfahren vor allem Verschlüsse der großen proximalen intrakraniellen Arterien in Frage, bei denen durch die Lyse eine Rekanalisation meist nicht möglich ist. Allerdings bedarf diese interventionelle Therapie einer besonderen Expertise und kann nur in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden.

Sind diese Verfahren nicht möglich, können Patienten mit einem Hirnrindeninfarkt erfolgreich mittels einer sogenannten Ganglion-Stimulation behandelt werden, wie eine aktuelle Studie zeigte. Die Durchblutung des Gehirns ist von etlichen Faktoren abhängig, sie wird unter anderem von einem Nervenzellknoten an der Schädelbasis gesteuert, dem Flügelgaumen-Ganglion (Ganglion sphenopalatinum/GSP, auch Meckel-Ganglion). Es befindet sich oberhalb des Gaumens an der Schädelbasis. Die Stimulierung des GSP bewirkt eine Steigerung der Durchblutung durch die Weitstellung kleiner Hirngefäße und stabilisiert die Blut-Hirn-Schranke. Dadurch wird die Restdurchblutung des Infarktareals gesteigert, begleitenden Ödemen entgegengewirkt und die gesamte Ausdehnung des Schlaganfalls deutlich reduziert.

»Wir konnten zeigen, dass die Methode der GSP-Stimulation für viele Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall zu einem Behandlungserfolg führte und sicher ist, sogar auch, wenn der Hirninfarkt schon bis zu 24 Stunden zurückliegt«, so Diener. Obwohl das Ergebnis in der Gesamtauswertung statistisch nicht signifikant war, hätten die Forscher eine Untergruppe identifiziert, die künftig von dem Verfahren profitieren könnte. »Gerade bei Patienten mit Schlaganfällen durch einen Hirnrindeninfarkt – das waren in der Studie mehr als die Hälfte –, bei denen Kontraindikationen zur Lyse- oder interventionellen Therapie bestehen, könnte diese Ganglien-Stimulation eine neue Möglichkeit darstellen, um das Outcome deutlich zu verbessern.« (me)

 


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