Implantate & Prothesen

Implantate von außen bedienen

2. Juni 2020, 9:30 Uhr | ETH Zürich
Schema des Ablaufs
© ETH-Zürich

Einem Forschungsteam ist es erstmals gelungen, Gene direkt mit elektrischem Strom zu kontrollieren.

Ein Diabetiker trägt in seinem Körper ein Implantat, das insulinproduzierende Zellen enthält, und eine elektronische Steuereinheit. Sobald der Patient etwas isst und der Blutzucker steigt, kann er über sein Smartphone mittels App ein elektrisches Signal absetzen oder die App übernimmt dies automatisch, wenn der Speiseplan einprogrammiert ist. Wenig später schütten die Zellen die notwendige Menge des hergestellten Insulins aus, welches den Blutzuckerspiegel reguliert.

Das klingt nach Science-​Fiction, ist es aber vielleicht bald nicht mehr. Forschende um Martin Fussenegger, ETH-​Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement für Biosysteme in Basel, haben soeben in der Fachzeitschrift »Science« den Prototyp eines solchen Implantats vorgestellt. Es ist das erste, bei dem  Gene direkt mit elektrischen Signalen aktiviert und reguliert werden können. Getestet haben es die Forschenden in Mäusen, wo es einwandfrei funktioniert hat.

Eine Platine und ein Zellbehälter

Das Implantat ist aus mehreren Teilen aufgebaut: Auf der einen Seite sitzt eine Platine mit der Empfangs-​ und Steuerelektronik, auf der anderen eine Kammer, welche menschliche Zellen enthält. Über ein Kabel ist die Platine mit dem Zellbehälter verbunden.

Ein Funksignal von außerhalb des Körpers aktiviert die Elektronik im Implantat, diese überträgt elektrische Signale direkt an die Zellen. Die elektrischen Signale stimulieren eine spezielle Kombination von Kalzium-​ und Kaliumkanälen, welche eine Signalkaskade in der Zelle aktiviert, welche das Insulin-​Gen steuert. Die Zellmaschinerie verpackt das Insulin in Vesikeln, die durch das elektrische Signal mit der Zellmembran verschmelzen und so das Insulin innerhalb weniger Minuten freisetzen.

Internet of the body 

Martin Fussenegger,  ETH-​Professor für Biotechnologie und Bioingenieurwissenschaften am Departement für Biosysteme in Basel, sieht mehrere Vorteile dieser neusten Entwicklung. »Das Implantat könnte mit dem Cyberspace verbunden werden.« Arzt oder Patient können via App direkt intervenieren und die Insulinproduktion hochfahren. Dies auch aus der Ferne übers Internet, sobald die physiologischen Daten aus dem Implantat übermittelt werden. »Mit einem solchen Gerät könnte der Mensch voll in die digitale Welt integriert werden und ein Teil des Internet of Things oder sogar zum Internet of  the Body werden«, so Fussenegger weiter.

Die grösste Herausforderung sieht er zurzeit auf genetischer Seite. Wie groß die Stromstärke maximal sein darf, damit die Zellen und Gene keinen Schaden nehmen, müssen er und seine Gruppe weiter erforschen. Auch müssen sie die Verbindung zwischen Elektronik und Zellen weiter optimieren.

Und nicht zuletzt müssen die Wissenschaftler einen neuen Weg finden, wie sie die Zellen im Implantat einfacher und bequemer ersetzen können. Die verwendeten Zellen müssen nach rund drei Wochen ersetzt werden. An ihrem Prototyp haben die Forscher zwei Einfüllstutzen angebracht. Damit haben sie in ihren Experimenten Zellen ausgetauscht. Dieses System wollen Fussenegger und sein Team aber durch eine praktischere Lösung ersetzen. (me)


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