Forscher haben einen Roboterkatheter entwickelt, der eigenständig durch Gefäße und Herz zum Einsatzort navigieren kann. In einem Tierversuch bewegte sich dieser erfolgreich durch schlagende, blutgefüllte Schweineherzen bis zu einer defekten Herzklappe.
Roboter unterstützen Chirurgen seit mehr als einem Jahrzehnt. Meist werden diese von außen über ein Joystick bedient. Es gibt aber auch Ansätze, bei denen der Roboter durch äußere Kräfte, zum Beispiel Magnetismus, gesteuert wird. Jedoch immer unter Anleitung des Menschen – »autonomes Fahren« durch den Körper sei bisher nicht möglich gewesen, erklärt Pierre Dupon vom Boston Children's Hospital. Entsprechende Roboter könnten vor allem den Chirurgen entlasten, sodass dieser sich auf die schwierigen Arbeitsschritte konzentrieren kann. Es sei wie bei dem Pilot eines Kampffliegers: »Das Flugzeug übernimmt – im Autopiloten – die Routineaufgaben wie das Fliegen und der Pilot konzentriert sich währenddessen auf die übergeordneten Aufgaben seiner Mission«.
Der Katheder basiert auf einen von Dupon entwickelten Berührungssensor, der durch eine Karte der Herzanatomie und präoperative Scans informiert wurde. Der Touchsensor nutzt Künstliche Intelligenz (KI) und Bildverarbeitungsalgorithmen, damit der Katheter herausfinden kann, wo er sich im Herzen befindet und wohin er gehen muss. Im Herzen angelangt, sucht und findet die Katheterspitze eigenständig das zuvor programmierte Ziel. Im aktuellen Test war dies eine leckende künstliche Herzklappe im Herzen eines Schweins. Sobald der Roboterkatheter die Leckstelle erreicht hatte, übernahm ein Herzchirurg die Kontrolle und setzte einen Stopfen ein, um das Leck zu schließen. In wiederholten Versuchen navigierte der Roboterkatheter in etwa der gleichen Zeit wie der Chirurg (entweder mit einem Handwerkzeug oder einem Joystick gesteuerten Roboter). Der Roboter-Katheter schaffte es in 89 von 90 Tests, durch das schlagende Herz zu navigieren und die leckende Herzklappe anzusteuern.
Biologisch inspirierte Navigation
Die Navigationstechnik ist dem Verhalten nachtaktiver Tiere nachempfunden. Ähnlich wie Nagetiere im Dunkeln ihre Tasthaare oder Insekten ihre Antennen zu Hilfe nehmen, um ihre Umgebung abzutasten, nutzt der robotische Katheter eine Kombination aus Tast- und Sehsinn für seine Navigation durch die Gefäße und das Herzinnere. Die Spitze des Katheters folgt dabei den Gefäßwänden und berührt diese in regelmäßigen Intervallen. Der Sensor teilt dem Katheter mit, ob er Blut, die Herzwand oder eine Klappe berührte (durch Bilder einer an der Spitze montierten Kamera) und wie stark er drückte (um das schlagende Herz nicht zu schädigen).
Daten aus der präoperativen Bildgebung und maschinellen Lernalgorithmen halfen dem Katheter, visuelle Merkmale zu interpretieren. Auf diese Weise rückte der Roboterkatheter von der Herzbasis, entlang der Wand der linken Herzkammer und um die undichte Klappe herum, bis er die Stelle des Lecks erreichte. »Die Algorithmen helfen dem Katheter herauszufinden, welche Art von Gewebe er berührt, wo er sich im Herzen befindet und wie er seine nächste Bewegung wählen soll, um zu seinem endgültigen Ziel zu gelangen«, erklärt Dupon.
Auch in anderen Organen einsetzbar
Nach Ansicht der Forscher könnten solche Roboterkatheter künftig nicht nur bei Herzoperationen hilfreich sein, sondern auch in anderen Bereichen des Körpers, zum Beispiel in Gefäßen, Atemwegen, dem Verdauungstrakt oder dem Gefäßsystem des Gehirns. Bei solchen Operationen könnte der Roboter zunächst die Aufgabe übernehmen, das endoskopische Operationswerkzeug an den Einsatzort zu bringen, wo dann der Chirurg übernimmt. In fernerer Zukunft könnten solche lernfähigen Roboter aber auch einfache Eingriffe komplett durchführen, so die Forscher.
Quellen:
N. Podbregar: Roboter-Katheter navigiert autonom durchs Herz (25. April 2019), https://www.scinexx.de/news/medizin/roboter-katheter-navigiert-autonom-durchs-herz (Stand: 14.05.2019)
Boston Children's Hospital: A first in medical robotics: Autonomous navigation inside the body (24. April 2019), https://www.sciencedaily.com/releases/2019/04/190424153600.htm (Stand: 14.05.2019)
N. Fliesler: A First in Medical Robotics (26. April 2019), https://hms.harvard.edu/news/first-medical-robotics (Stand: 14.05.2019)
(me)