AOT Carlo

Laser-Roboter statt Knochensäge

10. Juni 2021, 13:00 Uhr | AOT
Chirurgische Roboterplattform Carlo
© AOT

Inhalt der medical design Themenwoche »Im OP der Zukunft«

Themenwoche Im OP der Zukunft

Junge Gründer, große Ideen – Start-ups trauen sich das, wovor große Unternehmen oft Angst haben. Sie machen einfach. Von der Diabetes-App über intelligente Prothesen bis hin zu Pflegerobotern: Kein Vorhaben scheint zu groß oder gar abwegig. Unternehmergeist ist nicht nur löblich, sondern gerade in der Medizintechnik nötig. Hier sind Start-ups keine Konkurrenten von Unternehmern und Ärzten, sie sind ihre Partner.

Wir möchten einige dieser Köpfe und ihre Ideen genauer vorstellen. Dieses Mal: Advanced Osteotomy Tools (»AOT«). Das Unternehmen aus Basel hat das weltweit erste System (Carlo) entwickelt, das Knochen kontaktfrei mit Lasern schneidet.

Wie lautet euer Elevator Pitch?

Um digitale, autonome Chirurgie durchzuführen, braucht es intelligente Instrumente. Mechanische Instrumente sind aber nicht intelligent – können also auch nicht digitalisiert werden. Sie verbiegen sich, brechen, verschließen den Knochen an der Schnittstelle und erlauben nur gerade oder kreisförmige Osteotomien. Der Laser dagegen ist intelligent: Er verbiegt sich nicht, ist immer steril und liefert Informationen zu Position und Gewebe in Echtzeit. Damit schafft er die Grundlage für die Digitalisierung und Robotisierung des chirurgischen Eingriffs. Das System kann beliebige, patientenspezifisch angepasste Formen schneiden und der Knochen bleibt vital, was zu einer schnelleren Heilung des Patienten führt. Darüber hinaus braucht das System keine Implantat-spezifischen Schnittschablonen mehr, der Laserstrahl muss nicht geschärft oder gereinigt werden und ist von Kopf bis Fuß universell einsetzbar.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Als sich die Tochter von AOT-Gründer Dr. Alfredo Bruno einer Knochenoperation unterziehen musste, war der Laserphysiker aus Argentinien erschrocken, dass diese Operationen immer noch mit ähnlichen Instrumenten wie in der Steinzeit durchgeführt wurden. Er nahm daraufhin Kontakt zu Prof. Hans-Florian Zeilhofer auf, der die Abteilung für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie am Universitätsspital Basel leitet. Zusammen mit dessen Kollegen Prof. Philipp Jürgens und dem Robotikexperten Prof. Philippe Cattin gründeten sie AOT mit dem Ziel, die Knochenchirurgie durch die Verbindung von Laser-Technologie und Robotik neu zu erfinden.

Gründer-Team (v.l.n.r.): Prof. Dr. Philippe Cattin, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Hans-Florian Zeilhofer, Dr. Alfredo E. Bruno, Prof. Dr. Dr. Philipp Jürgens
Gründer-Team (v.l.n.r.): Prof. Dr. Philippe Cattin, Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Hans-Florian Zeilhofer, Dr. Alfredo E. Bruno, Prof. Dr. Dr. Philipp Jürgens
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Was war euer größter Erfolg?

Am 14. Mai 2021 fanden die weltweit ersten Laser-Knochenoperationen im regulären Krankenhausbetrieb an der Paracelsus Klinik in München statt. Dabei wurden bei zwei Patientinnen, die an einer Fehlstellung des Oberkiefers litten, orthognatische Korrekturen durchgeführt. Ohne Komplikationen oder Verzögerungen trennte Carlo den Oberkiefer der Patientinnen vom restlichen Mittelgesicht ab, so dass dieser in korrigierter Position wieder fixiert werden konnte. Auch alle seither durchgeführten OPs endeten erfolgreich und ohne Komplikationen. Durchgeführt wurden die Eingriffe von Prof. Philipp Jürgens, AOT Mitgründer und Inhaber der MKG Klinik Arabellapark in München.

Und der größte Rückschlag?

Unser Gründer Dr. Alfredo Bruno, der AOT jahrelang als CEO geleitet hat, verstarb 2020 unerwartet bei einem Unfall. Dadurch konnte der »Vater von Carlo« nicht mehr miterleben, wie sein Traum von einem marktreifen und zertifizierten Laser-Osteotom weniger als ein Jahr später Realität wurde.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Derzeit ist unser System für die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in europäischen Krankenhäusern zugelassen. Jedoch ist Carlo technisch in der Lage, jegliche Art von Hart- und Weichgewebe mit seinem ER:YAG-Laser zu schneiden. In fünf Jahren werden wir nicht nur weitere Märkte wie die USA, sondern auch weitere medizinische Felder erschlossen haben, so die Neuro-, Wirbelsäulen-, und Extremitäten-Chirurgie. 

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?

Aufgrund der vielen Vorteile werden die orthopädischen Eingriffe der Zukunft routinemäßig mit kontaktfreien patientenspezifischen Osteotomien durchgeführt. Der Arzt legt den optimalen Knochenschnitt fest und Carlo führt ihn unter seiner Aufsicht präzise durch. Da unser System das einzige ist, das dies heute bereits ermöglicht, sind wir bei AOT überzeugt, dass der integrierte Osteotomie-Laser die Schlüsseltechnologie auf dem Weg in den Operationssaal der Zukunft darstellt.  

Fakten zum Start-up

Name Advanced Osteotomy Tools 
Gründung Dezember 2010
Kunden k.A.
Mitarbeiter > 40
Finanzierung k.A.
Homepage aot.swiss

 


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