»inContAlert«

Starke Sensoren gegen schwache Blasen

1. Februar 2021, 11:00 Uhr | inContAlert
Hinter dem Start-up stecken die beiden Gründer Tristan Zürl (l) und Jannik Lockl (r).
© inContAlert

Dieses Bayreuther Start-up will Windeln unnötig machen

Aktualisiert: 8. Februar 2021, 16:23 Uhr

Junge Gründer, große Ideen – Start-ups trauen sich das, wovor große Unternehmen oft Angst haben. Sie machen einfach. Von der Diabetes-App über intelligente Prothesen bis hin zu Pflegerobotern: Kein Vorhaben scheint zu groß oder gar abwegig. Unternehmergeist ist nicht nur löblich, sondern gerade in der Medizintechnik nötig. Hier sind Start-ups keine Konkurrenten von Unternehmern und Ärzten, sie sind ihre Partner.

Wir möchten einige dieser Köpfe und ihre Ideen genauer vorstellen. Dieses Mal: »inContAlert«. Das Unternehmen aus dem Umfeld der Universität Bayreuth hat ein Sensorsystem entwickelt, das den Füllstand der Blase misst, der dann in einer App angezeigt wird. 

Wie lautet euer Elevator Pitch?

Von Inkontinenz betroffene Personen spüren oftmals nicht mehr rechtzeitig, wann ihre Blase einen kritischen Füllstand erreicht hat, wodurch es zum ungewollten Flüssigkeitsverlust kommt. Das Wearable inContAlert misst den Blasenfüllstand von Betroffenen, ermöglicht so die kontinuierliche Überwachung des Füllstands und gibt einen Alarm aus, bevor ein kritischer Level erreicht ist. So können Betroffene frühzeitig den Flüssigkeitsverlust verhindern und wieder ein unbeschwertes Leben führen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Auf einem Gründerwettbewerb in HongKong hielten zur Inspiration zahlreiche renommierte Forscher und Technologen Vorträge zum Thema »Health-Tech for Seniors«. Immer wieder kam hierbei auch das Thema Inkontinenz zur Sprache. Entgegen der Vorschläge der Experten smarte Einlagen, also etwa sensor-unterstützte Windeln zu entwickeln, war uns dieser Lösungsvorschlag zu spät. Wir wollten nicht mit einer Lösung ansetzen, die erst einsetzt, wenn der unwürdige Flüssigkeitsverlust schon passiert ist. Aus diesem Grund haben wir eine Technologie entwickelt, die versucht diesen Zeitpunkt zu verhindern und entsprechende Einlagen im besten Fall komplett vermeiden zu können. 

Was war euer größter Erfolg?

Nach sehr intensiven Monaten der parallelen Arbeit an inContAlert neben unseren eigentlichen Jobs, gewannen wir am 17.05.2019 den Medical Valley Award und damit eine Finanzierung über 250.000€. Auf Basis dieser Finanzierung war es uns – auch mit einem super Entgegenkommen unserer Arbeitgeber – möglich in Vollzeit in die Pre-Seed-Phase einzutauchen. Seitdem wachsen wir sehr schnell und es geht super voran. 

Und der größte Rückschlag?

Mithilfe des Systems können Inkontinenz-Patienten den Füllstand ihrer Blase überprüfen.
Mithilfe des Systems können Inkontinenz-Patienten den Füllstand ihrer Blase überprüfen.
© inContAlert

Etwa Ende 2018 realisierten wir, dass die Annahmen zu unseren Messergebnissen, die wir aus der Theorie abgeleitet hatten, nicht mit der Realität übereinstimmten. An diesem Punkt zweifelten wir stark, ob unser Vorhaben überhaupt umsetzbar ist. Glücklicherweise dauerte es allerdings nur wenige Wochen vom Verwerfen der Hypothesen, bis wir auf Basis unserer eigenen Forschung und neuer Annahmen mit unserem Gerät Veränderungen des Füllstands der Blase erkennen konnten. So war unser größter Rückschlag zugleich wahrscheinlich auch unser größtes Glück, da wir sonst vielleicht nie zu dem Machbarkeitsnachweis gekommen wären. 

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Nach unserer Finanzierungsrunde in Q3/2021 werden wir in den folgenden beiden Jahren den Proof-of-Concept zur Marktreife bringen und die CE-Zertifizierung vollziehen. Nach unserem Markteinstieg im Direktvertrieb an Betroffene, an Krankhaus-/ Pflegeheimketten und an Homecare Provider, werden wir dann in fünf Jahren vielleicht schon die Erstattungsfähigkeit durch die gesetzl. Krankenkassen erreicht haben!

Wie sieht die Medizin der Zukunft aus?

Seit den späten 2000er Jahren ist das Smartphone unser täglicher Begleiter geworden. Die parallele Entwicklung zahlloser digitale Technologien transformiert derweil nicht nur unser tägliches Leben, sondern wird auch die Gesundheitsbranche mit all ihren physischen Interaktionen gravierend verändern. Die gegebenen Potentiale für Digital Health, Telemedizin, Leistungsabrechnung, Überwachung bestimmter Körperfunktionen (ggf. in Verbindung mit weiteren Wearables) und vieles mehr, werden jedoch bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Oftmals stellen hier leider die Regularien – gerade in Deutschland – die größte Hürde dar und sorgen im Umkehrschluss dafür, dass ein positiver Beitrag auf die Gesundheit der Menschen nicht geleistet werden kann. Unser Wertesystem mit den technologischen Möglichkeiten ins Gleichgewicht zu bringen, wird die größte Herausforderung in der Medizinbranche unserer Zeit. Dabei dürfen wir nur nicht vergessen, dass Regulatorik wie die des Datenschutzes zwar wichtig ist, am Ende das Patientenwohl aber immer an erster Stelle stehen muss. 

Fakten zum Start-up

NameinContAlert
Gründung2021
Kundenk.A. (4 strategische Partner)
Mitarbeiter4
FinanzierungPre-Seed, 250.000 Euro
Homepageincontalert.de

 

Zum Thema


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu Universität Bayreuth