Dem Feind auf der Spur

Algorithmus erkennt sogar kleinste Krebsmetastasen

16. Dezember 2019, 8:30 Uhr | Helmholtz Zentrum München
DeepMACT nutzt Künstliche Intelligenz, um selbst kleinste Metastasen im gesamten Mauskörper zu erkennen. Im Bild sind einzelne disseminierter Zellen in der Lunge zu sehen.
© Helmholtz Zentrum München

Forschung | Forscher haben einen Algorithmus entwickelt, der automatisiert Metastasen erkennt. Die neue Technologie findet sogar einzelne streuende Krebszellen im gesamten Körper von Mäusen.

Krebs ist weltweit eine der häufigsten Todesursachen. Mehr als 90 Prozent der Krebspatienten sterben nicht an den Folgen des Primärtumors, sondern an denen der Metastasen. Krebsmetastasen entstehen in der Regel aus einzelnen streuenden Krebszellen, die dem Immunsystem des Körpers entkommen konnten.

Bisher war es aufgrund der begrenzten Auflösung von Bildgebungsverfahren wie Biolumineszenz und MRT nicht möglich, diese Zellen im gesamten Körper zu detektieren. Die Folge: Spezifische Verbreitungsmechanismen verschiedener Krebsarten waren bisher relativ wenig bekannt, was die Entwicklung neuer Therapieansätze erschwert. Daher war es bis dato auch nur schwer möglich, die Wirksamkeit neuer Wirkstoffkandidaten systematisch zu überprüfen.

Deep Learning übertrifft Menschen

Das Team um Dr. Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Tissue Engineering und Regenerative Medizin am Helmholtz Zentrum München, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Hürde zu überwinden. Zuvor hatte das Team bereits vDISCO entwickelt – eine Methode für das sogenannte Tissue Clearing, das das Gewebe eines ganzen Mauskörpers transparent machen kann, um einzelne Zellen abzubilden. So war es den Forschenden nun in dieser Studie mithilfe von Laser-Scanning-Mikroskopen möglich, kleinste Metastasen bis hin zu einzelnen Krebszellen im transparenten Gewebe der Mauskörper zu erkennen.

Da eine manuelle Analyse solcher hochauflösender Bilddaten jedoch extrem zeitaufwendig wäre und derzeit verfügbare Algorithmen für diese Art der Datenanalyse eine nur begrenzte Zuverlässigkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit bieten, entwickelte das Team einen neuartigen Deep-Learning-Algorithmus namens »DeepMACT«. Damit können sie Krebsmetastasen automatisiert erkennen, analysieren und die Verteilung therapeutischer Antikörper in vDISCO-Präparaten abbilden. Der DeepMACT-Algorithmus erfasst die Metastasen mit einer vergleichbaren Genauigkeit wie ein menschlicher Experte – allerdings in mehr als der 300-fachen Geschwindigkeit.

Zellen erkennen, Daten sammeln, über Krebs lernen

Mit DeepMACT konnten die Forschenden neue Erkenntnisse über die spezifischen metastatischen Profile verschiedener Tumormodelle gewinnen. Die Charakterisierung der Verbreitungsmuster ermöglicht die Entwicklung von Therapien, die speziell auf die unterschiedlich metastasierenden Krebsarten ausgerichtet sind.

Neue Erkenntnisse wurden durch DeepMACT beispielsweise im Bereich Brustkrebs gewonnen: So stieg in den Beobachtungen des Teams die Anzahl kleiner Metastasen im Laufe der Zeit im gesamten Mauskörper deutlich an. »Keines dieser Merkmale konnte bisher mit herkömmlichen Biolumineszenz-Bildgebungsverfahren nachgewiesen werden. DeepMACT ist die erste Methode, die eine quantitative Analyse des metastatischen Prozesses im Ganzkörpermaßstab ermöglicht«, sagt Dr. Chenchen Pan, Postdoc am Helmholtz Zentrum München und ebenfalls Erstautor der Studie.

Wie wirksam sind aktuelle Krebstherapien?

Mit DeepMACT verfügen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun über ein Werkzeug, mit dem sie die Wirksamkeit klinischer Krebstherapien mit tumorspezifischen monoklonalen Antikörpern beurteilen können. Als repräsentatives Beispiel quantifizierte das Team mit DeepMACT die Wirksamkeit des therapeutischen Antikörpers 6A10, der nachweislich das Tumorwachstum reduziert.

Die Ergebnisse zeigten, dass 6A10 bis zu 23 Prozent der Metastasen in den Körpern der betroffenen Mäuse verfehlen kann. Dies macht deutlich, wie wichtig die Analyse der Targeting-Wirksamkeit auf Ebene einzelner Metastasen für die Entwicklung neuartiger Tumorwirkstoffe ist. Das Verfahren kann potenziell auch die Verteilung von kleinmolekularen Medikamenten verfolgen, wenn sie mit Fluoreszenzstoffen gefärbt sind.

Originalpublikation:

C. Pan et al., 2019: Deep learning reveals cancer metastasis and therapeutic antibody targeting in the entire body. Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2019.11.013

 

(me)

Schlagworte: Forschung & Entwicklung, Krebs, Metastasen, Deep Learning, Algorithmus, Krebstherapie


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