Kommentar zur DiPA

Digitale Pflegeanwendungen für alle

12. Juli 2022, 12:17 Uhr | Menia Ettrich, Lindera
Menia Ettrich betreut beim Berliner Deep Tech Unternehmen Lindera die Kundenseite der Digitalen Pflegeanwendung.
© Lindera

Für die Einführung der digitalen Pflegeanwendungen braucht es mehr Tempo – und weniger Hürden.

Seit dem Ende der 1990er-Jahre hat sich der Anteil der Pflegebedürftigen in Deutschland mehr als verdoppelt. Zuletzt waren fast 4,1 Millionen Menschen in Deutschland nach offiziellen Zahlen auf Hilfe angewiesen – sei es durch Angehörige oder Pflegefachkräfte.

DiPAs gegen die Versorgungslücke

Doch während die Zahl der Pflegebedürftigen im Zuge des demografischen Wandels kontinuierlich steigt, gilt das nicht im gleichen Maße für jene, die die Betreuung übernehmen könnten. Zumal ein Großteil des Beschäftigungsplus im Pflegesektor in den vergangenen Jahren auf Teilzeitkräfte entfällt. Deutschland steuert nicht auf eine akute Versorgungslücke zu – sondern befindet sich bereits mitten drin. Digitale Pflegeanwendungen (DiPA) könnten einen aktiven Beitrag leisten, diese Lücke zu schließen und die Versorgung im häuslichen Umfeld deutlich verbessern. Das gilt insbesondere beim Blick auf Deutschlands ländliche und strukturschwache Regionen, in denen die Wege ambulanter Pflegedienste besonders weit und die Betreuung daher gleich nochmals deutlich aufwendiger ist.

DiPA lassen sich orts- und zeitunabhängig nutzen. Sie sorgen dafür, dass pflegerelevante Informationen jederzeit abrufbar sind und alle an der Pflege beteiligten jederzeit auf diese Informationen zugreifen können. Gerade in der ambulanten Pflege erhöht das die Effizienz, entlastet die Beschäftigten und sorgt dafür, dass Betreuenden mehr Zeit für die Kontakte mit den Pflegebedürftigen bleiben. Solche digitalen Angebote unterstützen Angehörige bei der Versorgung und helfen den Pflegebedürftigen selbst, sich aktiv in den Pflegeprozess mit einzubringen.

Messbare Resultate

Das Beispiel der Lindera SturzApp veranschaulicht sehr deutlich, wie smarte Lösungen die pflegerische Situation verbessern. Die App erfasst mithilfe einer patentierten 3D-Technologie die klinisch-relevanten Gangparameter. Zusammen mit einem psychosozialen Fragebogen und der App-basierten Analyse werden schließlich die Sturzrisikofaktoren einer Person erfasst. Im Ergebnis liefert die App eine detaillierte und transparente Darstellung der Ergebnisse sowie individuelle Empfehlungen, um das Sturzrisiko zu reduzieren. Die Anwendung, die unter anderem künstliche Intelligenz nutzt, hilft auf diese Weise, eine qualitätsgesicherte Sturzprävention gemäß dem Expertenstandard für Sturzprophylaxe umzusetzen, was ansonsten in der Praxis zu oft am Faktor Zeit, dem fehlenden Personal oder den nicht geeigneten Tools scheitert.

Klinische Studien zeigen, dass die Smartphone-App von Lindera den Sturzgrad – der sich aus den Ergebnissen der Ganganalyse und der Sturzrisikofaktoren ergibt – schon nach der zweiten Analyse um durchschnittlich 17,8 Prozent senkt. Die Angst der Betroffenen vor Stürzen und die damit einhergehende psychische Belastung gehen signifikant zurück, gleichzeitig verbessert sich die Ganggeschwindigkeit – ein Indikator für die zunehmende Sicherheit beim Gehen. Zusammengefasst bedeutet das: Digitale Pflegeanwendungen schaffen einen spürbaren Mehrwert für Senior*innen.  Sie können außerdem dazu beitragen das gegenwärtige Pflegesystem zu stabilisieren, Pflegekräfte zu entlasten und Angebote für Pflegebedürftige und deren Angehörige verbessern.

Lindera DiPa Künstliche Intelligenz Medizintechnik Digital Health Pflege-App App
© Lindera

Wichtiger (erster) Schritt

Die Hersteller der DiPA eint der Wunsch, innovative Standards aus dem deutschen Gesundheits- und Pflegesystem heraus zu entwickeln – immer vorausgesetzt, dass sich die oftmals erheblichen Investitionen der Unternehmen eines Tages rechnen. Daher ist es wichtig und richtig, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sowie das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun endlich einen Referentenentwurf zur Kostenübernahmen für die DiPA in der ambulanten Pflege vorgelegt haben. Damit allein ist es allerdings noch nicht getan. Es ist ein erster Schritt. Doch viele weitere müssen folgen – und das schnell. Es braucht klare, verlässliche Regeln, die die Einführung von DiPA nicht weiter hinauszögern, indem sie zusätzliche Hürden aufbauen.

So braucht es beispielsweise verschiedene Wege der Einwilligung, um die Nutzung einer DiPA nachzuweisen. Die Bestätigung in der App oder über eine Fachkraft sind hier denkbare Möglichkeiten. Dass Callcenter im Auftrag der Krankenkassen Pflegebedürftige befragen, die womöglich sogar dement sind, scheint hingegen keine sonderlich durchdachte Lösung zu sein. Alle DiPA-Hersteller haben den Anspruch, höchste Qualitätsstandards zu erfüllen. Doch dann dürfen fehlende Kapazitäten bei Prüfstellen und unrealistische Fristen zum Nachweis von Zertifikaten die Einführung der Anwendungen in den Pflegealltag nicht ausbremsen.

Mit der geplanten Kostenübernahmen in der ambulanten Pflege wird obendrein nur ein Teil der Pflegebedürftigen in Deutschland adressiert. Dabei darf es nicht bleiben. Das Ziel sollte es vielmehr sein, dass alle pflegebedürftigen Menschen in Deutschland gleichermaßen von den Möglichkeiten innovativer Technologien profitieren. Die DiPA-Hersteller stehen dafür mit ihren Angeboten bereit. Nun ist der Gesetzgeber gefordert. (uh)

 

Kurzprofil Menia Ettrich von Lindera

Menia Ettrich ist Business Development Managerin des Berliner Deep Tech Unternehmens Lindera und betreut dabei die Kundenseite der Digitalen Pflegeanwendung. Lindera entwickelt KI-basierte 3D-Bewegungsanalysen für digitale Gesundheits-, Pflege- und Fitnessanwendungen, die mit dem gängigen Smartphone oder Tablet und ganz einfach per App durchgeführt werden können. Dabei setzt das interdisziplinäre Lindera-Team, welches aus Mediziner*innen, Produktentwickler*innen und Datenwissenschaftler*innen besteht, auf die praxisnahe Zusammenarbeit mit Partner*innen aus der Pflege, Reha-Kliniken, Geriatrie, Neurologie und Orthopädie. Die innovative Lindera Technologie wurde auf höchstem Niveau wissenschaftlich validiert und unterstützt Fachkräfte bei der Analyse, Dokumentation und trägt nachweislich zur Mobilitätsförderung und Sturzprävention bei. www.lindera.de

 


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