Medizinische Software

Schnellere Zertifizierung per KI

8. August 2022, 13:05 Uhr | TU Dresden
© M. Brombach / EKFZ

Veraltete Zulassungsprozesse verzögern innovative Medizintechnik. Eine KI-gestützte Sicherheitslösung über den gesamten Lebenszyklus medizinischer Software soll die Zeit bis zur Zertifizierung verkürzen.

Die Entwicklung von cybermedizinische Systeme und programmierbaren elektronischen Medizinsystemen (PEMS) wird sich mit zunehmender Digitalisierung weiter verstärken, bis hin zu teilautonomen oder robotischen Assistenzsytemen. Diese Medizinprodukte ermöglichen schonendere, präzisere und wirksamere Diagnose- und Therapieverfahren und prägen die Medizin der Zukunft schon heute. Deren Zulassung ist allerdings mit großen Hürden verbunden, das Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist heute ein langwieriger, stark regulierter Prozess, vor allem mit Blick auf die technische Dokumentation. Das Projekt »KIMEDS« will das ändern.

KIMEDS will mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz ein standardisiertes System entwickeln, um die Zulassung von softwarebasierter Medizintechnik zu verbessern und zu beschleunigen. »Wir streben einen integrierten, KI-basierten Ansatz zur Überwachung von Produktsicherheitsrisiken an, der den gesamten Lebenszyklus medizinischer Software abdeckt, von der Entwicklung über die Zertifizierung bis hin zur Produktüberwachung«, erläutert Stephen Gilbert, Professor für Medical Device Regulatory Science am EKFZ für Digitale Gesundheit der TU Dresden.

Sicherheitsdokumentation und Risikobewertung

Softwarebasierte medizintechnische Produkte sind agiler, komplexer und vernetzter als traditionelle medizintechnische Produkte. Der formale Nachweis der Sicherheit, der für die Zertifizierung notwendig ist, wird deswegen komplizierter und zeitaufwendiger. Aktuell erschweren manuell zu erstellende Tabellen und Textdokumente die Sicherheitsdokumentation und Risikobewertung für alle beteiligten Parteien. In der Produktentwicklung sind Entwicklungsprozess, Sicherheitsdokumentation und Überprüfung der Sicherheit nicht elektronisch aufeinander abgestimmt. »Wir erwarten von KIMEDS nicht nur die schnellere Erstellung von Nachweisen, sondern auch eine erhöhte Transparenz der Sicherheitsnachweise, mit positiver Auswirkung auf die Patientensicherheit sowie die nachträgliche Klärung von Zwischenfällen«, sagt Dr. Georg Heidenreich, Quality Manager der Siemens Healthcare GmbH.

Für die regulatorischen Behörden erschwert die Einarbeitung in die teilweise umfangreichen Unterlagen der Zertifizierungsdokumentation bei klinischen Prüfungen oder Risikomeldungen eine effiziente Risikobewertung. Dies wirkt sich potentiell negativ auf die Einleitung korrektiver Maßnahmen zur Gewährleistung der Patientensicherheit aus. »Die angestrebte Umsetzung des Assurance Case bei der Risikodokumentation eröffnet komplett neue Möglichkeiten, in strukturierter Weise maschinell spezifische Sicherheitsaspekte abzufragen. Somit können neu aufgetretene Probleme und deren Ursachen in kürzerer Zeit eingegrenzt werden und über Maßnahmen der Hersteller daraufhin schneller behoben werden«, erwartet Dr. Robin Seidel, Fachgebietsleiter Forschung, Datamanagement und Analytics im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.

Effiziente medizintechnische Software-Zertifizierung

KIMEDS soll die medizintechnische Softwarezertifizierung für die ganze Branche beschleunigen. Dafür soll eine Pilotlösung als Basis für eine internationale Standardisierung entwickelt werden. Mit Hilfe entsprechender KI-Software-Werkzeuge, können komplexe und für den Menschen schwer überschaubare Spezifikationen auf Vollständigkeit und Konsistenz sowie auf ihre logischen Konsequenzen hin überprüft werden. Damit soll eine grundlegende Verbesserung der Sicherheit, Transparenz und Zertifizierung von PEMS erreicht werden. Die Etablierung eines international kompatiblen und standardisierten, modernen KI-gestützten regulatorischen Systems interoperabler Softwarewerkzeuge könnte den gesamten Lebenszyklus abbilden.

Dabei beginnt die Erstellung der Sicherheitsdokumentation direkt im Softwareentwicklungsprozess, gestützt durch eine kontinuierliche Prüfung der Validität durch das KI-System. Das gleiche System unterstützt die Bewertung eines strukturierten Nachweises bei der Zertifizierung, was zu erheblichen Effizienzgewinnen führt.

Förderung der digitalen Gesundheitsversorgung

Mit 1,46 Millionen Euro über 36 Monate wird die Forschung des KIMEDS-Projektes vom Programm »Medizintechnische Lösungen für eine digitale Gesundheitsversorgung« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt, damit künftig Entwicklungszeiten verkürzt und die Markteinführung neuer Medizinprodukte beschleunigt werden können. (uh)

 

Assoziierte Partner

Biotronik SE & Co. KG, B. Braun SE, Ovesco Endoscopy AG, Zeiss, Secunet, Johner Institut GmbH, MED-EL Elektromedizinische Geräte GmbH

 


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