Amorphe Metalle

Multitalente in der Medizintechnik

8. März 2021, 11:30 Uhr | Heraeus Amloy
Amorphe Implantate (hier Radiusplatten) aus dem 3D-Drucker passen sich den Bewegungen der Knochen an.
© Heraeus

Heraeus und Universität Graz kooperieren beim 3D-Druck von medizinischen Geräten aus amorphem Metall

Wenn ein Patient heutzutage ein Implantat benötigt, muss er viele Kompromisse eingehen. Es gibt nur wenige Grundgrößen, bei Verletzungen nach Unfällen oder Tumoren muss darum improvisiert werden. Der operierende Chirurg biegt die Ersatzteile eines Stück Metalls - Stahl oder Titen - händisch zurecht und fixiert sie anschließend mit Schrauben am Knochen.

Das hält jedoch mal mehr und mal weniger gut, denn die Metalle sind einer echten Dauerbelastung ausgesetzt. Rippenbögen zum Beispiel müssen jährlich circa acht Millionen Atembewegungen standhalten. Nicht selten kommt es daher zu Ermüdungsbrüchen bei den Patienten, weil die Materialien nicht elastisch genug sind. Ein neuer Eingriff wird nötig. Langlebigere und bessere Alternativen gibt es bisher nicht.

Patientenspezifische Implantate aus dem 3D-Drucker

Das will die Geschäftseinheit Heraeus Amloy ändern. Zusammen mit der Universität Graz erforscht das Unternehmen im Rahmen des »Clinical Additive Manufacturing for Medical Applications«-Projekts (CAMed) patientenspezifische Implantate und wie sie in enger Kooperation mit Kliniken hergestellt und eingesetzt werden können. Die komplette Prozesskette der Produktion steht im Vordergrund.

Dabei setzen die Projektpartner auf eine additive Fertigung, den 3D-Druck. 3D-gefertigte amorphe Implantate sind biokompatibel und lassen sich individuell an den Körperbau des Patienten anpassen – ein Vorteil vor allem bei komplexen Frakturen. Auch spart das Verfahren Material. Denn der Laser baut nur dort Strukturen auf, wo sie benötigt werden.

Die ersten Erkenntnisse aus dem CAMed-Projekt seien vielversprechend – additiv gefertigte Implantate mit Pluspunkten für Patienten und Krankenhäuser rücken damit in greifbare Nähe. Weitere Anwendungen wie Prothesen oder Herzklappen sind ebenfalls denkbar.

Amorphe Metalle für 3D-Druck und Spritzguss

Damit der 3D-Druck jedoch gelingt, braucht es ein besonderes Material. Hier rücken amorphe Metalle, auch metallisches Glas genannt, in den Fokus. Solche Metalle haben sich in der Forschung als wahre Multitalente für die Medizintechnik erwiesen. Denn sie zeigen außergewöhnliche Eigenschaften: Da sie durch Schockgefrieren von metallischen Schmelzen entstehen, haben die Atome keine Möglichkeit, ein kristallines Gitter zu bilden und erstarren ungeordnet (amorph). Diese ungeordnete innere Struktur macht das Material korrosionsbeständig, extrem fest und gleichzeitig hochelastisch. So lässt es sich gleichzeitig nah am Knochen einsetzen als auch individuell zuschneiden, selbst dünnere Platten sind stabil.

»Amorphe Metalle haben Stahl und Titan einiges voraus«, sagt Valeska Melde, Leitung Marketing & Vertrieb bei Heraeus Amloy. Der Werkstoff vereint die Vorteile von Festigkeit und Elastizität, passt sich dem Knochen perfekt an, fördert die Genesung und ist außerdem sehr gut verträglich, da er sich ohne Zelldeformation implantieren lässt.

Heraeus Amloy entwickelt derzeit neue Legierungen für die Herstellung von Implantaten. »Im Rahmen des CAMed-Projekts testen wir aktuell die Legierung AMLOY-ZR02«, erklärt Jürgen Wachter, Leiter der Geschäftseinheit Heraeus Amloy. Ihr Hauptbestandteil ist hochreines Zirkonium und sie ist bereits als biokompatibel zertifiziert. Das Unternehmen bietet zwei verschiedene Prozesstechniken an. Neben der additiven Fertigung können amorphe Metalle auch im Spritzguss verarbeitet werden. Letzteres würde sich besonders für die Massenproduktion eignen – etwa von chirurgischen Schrauben oder Instrumenten.

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(me)


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