Kunststoffe / Dichtungen

Rundschnüre für die Medizintechnik

9. März 2023, 16:02 Uhr | Reichelt
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Dichtungsschnüre in der Medizintechnik müssen hohen Anforderungen standhalten und zertifiziert für den medizinischen Einsatz sein. Worauf kommt es bei den Dichtungen an, welche Materialien stehen zur Auswahl und welche Eigenschaften sind wichtig?

Vollkommen plane und auf den Nanometer genau gefertigte Bauteile sind auch in der Medizintechnik nicht realisierbar. Die fertigungsbedingten Toleranzen, Unebenheiten und andere Materialfehler von Konstruktionsteilen aus Metallen oder harten Kunststoffen werden durch Dichtungen ausgeglichen. So kann der ungewollte Stofftransfer zwischen zwei Räumen verhindert werden.

Dichtungen gewährleisten den reibungslosen Betrieb von Medizingeräten, indem sie den Austritt und Eintritt von Substanzen oder Reinigungsmittel verhindern. Man unterscheidet zwischen dynamischen Dichtungen wie Wellendichtringen, bei denen translatorische oder rotatorische Bewegung zwischen den Dichtstellen stattfindet, und statischen Dichtungen, zu denen neben O-Ringen auch Dichtungsprofile und Rundschnüre zählen.

Abdichtung mithilfe von Rundschnüren

Rundschnüre sind Stränge aus extrudierten Polymeren mit endlicher Länge. Sie weisen einen kreisrunden Querschnitt auf, ähnlich eines aufgeschnittenen O-Rings. Die Halbzeuge werden vorwiegend als statische Dichtungen verwendet, im Pharma- und Lebensmittelbereich und der Medizintechnik mit entsprechenden FDA- und BfR-Zulassungen, beispielsweise aus Silikon oder EPDM/PP. Spezielle Ausführungen für Hochtemperaturanwendungen sind ebenfalls erhältlich.

Die Dichtwirkung kommt durch die Deformation des Querschnitts beim Einbau zustande. Aufgrund der Rückstellkraft der gummielastischen Werkstoffe dehnt sich die zuvor komprimierte Dichtungsschnur im Einbauraum wieder aus – soweit es die geometrischen Rahmenbedingungen zulassen – und gleicht so kleine Materialfehler und Fertigungstoleranzen dichtschließend aus. Für eine ideale Abdichtung sollte die Schnurstärke möglichst groß gewählt werden, wobei auf räumliche Einschränkungen zu achten ist, wie beispielsweise Breite und Höhe einer vorliegenden Nut.

Ferner sind bei der Auswahl einer geeigneten Rundschnurdichtung im Vorfeld unter anderem folgende Punkte zu klären:

  • Welcher Temperatur- und Druckbelastung ist die Dichtungsschnur ausgesetzt?
  • Ist die Anwendung statischer oder dynamischer Natur?
  • Wie sind die vorliegenden Spaltbreiten dimensioniert?
  • Wie ist die Güte der Oberflächen der abzudichtenden Teile?

Beim Einbau der Rundschnur ist dann die sorgfältige Füllung der Nut und Verpressung von größter Wichtigkeit, auch darf die Dichtung dabei nicht beschädigt werden, etwa durch scharfkantige Montagewerkzeuge oder Unebenheit wie Kerben, Kratzer oder Grate im Einbauraum. Aus demselben Grund müssen auch alle Partikel wie beispielsweise Staub, Schmutz oder Metallreste gründlich entfernt werden.

Ein großer Vorteil von Dichtungsschnüren ist, dass sie bei Reparatureinsätzen vor Ort passend zugeschnitten und bei Bedarf auch zu Rundschnurringen stoßverklebt oder – abhängig vom Material –  stoßvulkanisiert werden können.

Gängige Werkstoffe und Einsatzgebiete für Dichtungsschnüre

Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM)

Schwarz eingefärbte EPDM-Rundschnüre mit Shore-Härten A von 80° sind im Temperaturbereich von -25 °C bis +120 °C vielseitig einsetzbar. Aufgrund ihrer Inertheit gegenüber vielen Säuren, Laugen, Ozon, heißem Wasser und Dampf sowie anderen polaren Lösungsmitteln werden sie vor allem für den Kontakt mit Chemikalien eingesetzt. Weiterhin weisen sie für mobile Medizingeräte sehr gute Witterungs-, Ozon-, und Alterungsbeständigkeit auf und vertragen problemlos häufige Wechsel zwischen Kälte und Wärme.

Dies gilt auch für Moosgummi-Dichtschnüre aus EPDM mit geschlossener Haut. Aufgrund ihrer geschäumten Struktur sind sie deutlich weicher als das Vollmaterial und besitzen eine Shore-Härte A von lediglich 20°.

EPDM/PP (als Thermoplastisches Elastomer auf Olefinbasis, TPE-O)

Dichtschnüre aus diesem Elastomer-Thermoplast-Gemisch aus EPDM und Polypropylen (PP) liegen in zwei Ausführungen vor. Zum einen in technischer Qualität, schwarz eingefärbt, in Shore-Härte A 65°. Diese Gummidichtungen sind gegenüber vielen Säuren, Laugen, polaren Lösungsmitteln und Oxidationsmitteln beständig. Abstriche müssen gegenüber Mineralölen und Hydraulikflüssigkeiten gemacht werden.

Zum anderen in FDA- und BfR-konformer Lebensmittelqualität, in beigem Farbton. Neben der Pharmatechnik, Medizintechnik und Lebensmitteltechnik kommen sie auch in der Biotechnologie, der Abfülltechnik sowie im Maschinenbau zum Einsatz.

Silikon (VMQ)

Auch Silikonkautschuk kommt als Werkstoff für Dichtungen in der Chemie, der Labortechnik und dem Maschinenbau zum Einsatz. Technische Qualitäten mit rotbrauner Färbung können in Temperaturbereichen von -60 °C bis +220 °C eingesetzt werden. Darüber hinaus werden auch Typen aus einem Spezial-Silikon-Compound für Hochtemperaturanwendungen angeboten, die kurzfristig sogar bis +300 °C belastet werden können. Beide Ausführungen sind verwitterungs- und alterungsbeständig, zudem weisen sie eine hohe chemische Beständigkeit gegenüber diversen synthetischen, pflanzlichen oder tierischen Ölen, Lösungsmitteln und Hydraulikflüssigkeiten auf.

Für die Pharma- oder Medizinindustrie stehen ferner auch Dichtungsschnüre in medizinischer Qualität zu Verfügung. Sie sind lebensmittelecht, vollkommen geschmacks- und geruchsfrei und enthalten keine extrahierbaren Bestandteile.

Moosgummi-Rundschnüre aus Silikon sind elastisch und mit einer Shore-Härte A von 15° sehr weich. Sie sind wie das Vollmaterial äußerst hitzebeständig und werden daher unter anderem im Hochtemperaturbereich eingesetzt.

Thermoplastische Elastomere auf Styrolbasis (TPE-S)

In der Medizin- und Lebensmitteltechnik wird als Werkstoff für Dichtungen anstelle von Kautschuk häufig TPE-S eingesetzt. Aus diesem Material gefertigte Rundschnurdichtungen aus Vollmaterial oder Moosgummi sind lebensmittelecht gemäß FDA und BfR.

Dichtungsschnüre aus TPE-S besitzen sehr gute elastische Eigenschaften und sind temperatur-, witterungs- und alterungsbeständig. Dank ihrer überdurchschnittlichen mechanischen Belastbarkeit können sie zudem ohne Bedenken im Anlagen- und Behälterbau eingesetzt werden.

Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR)

Weniger für die Medizintechnik, aber der Vollständigkeit halber aufgeführt: Für Rundschnüre im Bereich Standarddichtungen ist Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR) in Shore-Härten A von 50° und 70° der meisteingesetzte Werkstoff. Dies liegt an dessen guten mechanischen Eigenschaften, wie zum Beispiel dem hohen Abriebwiderstand oder der geringen Gasdurchlässigkeit, und seiner hohen Resistenz gegenüber pflanzlichen, tierischen und mineralischen Ölen. Zusammen mit dem niedrigen Preis prädestiniert diese hervorragende Beständigkeit gegenüber aliphatischen Kohlenwasserstoffen Nitrilkautschuk als Werkstoff für Dichtschnüre mit Kontakt zu Schmierölen und Kraftstoffen wie Benzin und Diesel. So ist es kaum verwunderlich, dass aus NBR extrudierte Gummi-Profile und Dichtungen häufig in der Automobilindustrie, im Anlagen- und Motorenbau zum Einsatz kommen – auch in Form von Benzinschläuchen.

Dichtschnüre aus Naturkautschuk (NR)

Dichtschnüre aus Naturkautschuk mit Shore-Härten A von 45° und 50° in beige oder rot sind für Anwendungen in einem Temperaturfenster von -40 °C bis +80 °C gedacht, bei denen es auf ein sehr gutes elastisches Verhalten bei gleichzeitig hoher Reißfestigkeit ankommt. Spezielle High-Pharm-Varianten erfüllen die Anforderungen der FDA- und BfR-Regularien und somit auch den Vorgaben der Europäischen Pharmacopoeia.

Chloropren-Kautschuk (CR)

Ähnlich wie Gummischnüre aus Naturkautschuk zeichnen sich Dichtungsschnüre aus Chloropren durch gute elastische Eigenschaften, gute Abriebfestigkeit und Beständigkeit gegenüber verdünnten Säuren und Laugen aus. Sie sind im Bereich von -25 °C bis +90 °C einsetzbar und weisen eine gute Alterungs-, Witterungs- und Ozonbeständigkeit auf. Aus Polychloropren gefertigte Dichtschnüre stehen auch in einer geschäumten Moosgummi-Variante mit geschlossener Haut zur Verfügung.

Polytetrafluorethylen (PTFE)

Rundschnurdichtungen aus ungesintertem PTFE eignen sich vor allem für das Abdichten von Armaturen und Pumpengehäusen, die Arbeitstemperatur liegt dabei im Bereich von -100 °C bis +250 °C. Das Material widersteht nahezu allen Chemikalien, versprödet, quillt oder verklebt nicht und vermag sich dank seiner guten Formbarkeit auch unebenen Flächen anzupassen. Ein weiterer Vorteil ist seine physiologische Unbedenklichkeit.

Als Unterschied zu den zuvor beschriebenen Rundschnur-Typen ist hier hervorzuheben, dass ungesinterte PTFE-Dichtschnüre nicht gummielastisch sind und daher keine Rückstellkraft besitzen. Einmal deformiert, behalten sie also die Verformung bei.

Fluorkautschuk (FKM / FPM)

FPM- bzw. FKM-Rundschnüre kommen bei hoher thermischer Belastung und hohen Anforderungen an die chemische Beständigkeit zum Einsatz. Ihre Arbeitstemperatur liegt zwischen -20 °C und +200 °C. Sie sind resistent gegenüber einer Vielzahl von Chemikalien wie Säuren, Laugen, Ozon, unpolaren – auch chlorierten – Lösungsmitteln sowie Kraftstoffen, Fetten und Mineralölen. Bei polaren Lösungsmitteln weist Fluorkautschuk jedoch Schwächen auf.

Bei Moosgummi-Rundschnurdichtungen aus Fluorkautschuk sind die Gasdichtigkeit, Dauerelastizität und die lange Lebensdauer auch bei höchster Druckverformung hervorzuheben. (uh)

 

Reichelt Chemietechnik

Die Reichelt Chemietechnik, ein europaweit agierender Fachpartner im Bereich Labor- und Dichtungstechnik, hält eine große Auswahl hochqualitativer Rundschnüre aus Moosgummi oder elastomerem Vollmaterial permanent auf Lager. Die Dichtschnüre sind in einer großen Bandbreite unterschiedlicher Werkstoffe, Shore-Härten und Dimensionen erhältlich – auch für den sicheren Einsatz in der Medizintechnik.
www.rct-online.de


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