Bildverarbeitung

So werden aus Daten Diagnosen

10. März 2021, 14:30 Uhr | Anton Patyuchenko
Die bildgebende Medizin erlaubt heute tiefste Einblicke in den menschlichen Körper.
© Pixabay

Die Kernbereiche der medizinischen Bildverarbeitung

Es gibt zahlreiche Konzepte und Ansätze zur Strukturierung der medizinischen Bildverarbeitung, die sich auf verschiedene Aspekte ihrer Kernbereiche konzentrieren. Diese Bereiche bilden drei Hauptprozesse: Bildaufbau, Bildverarbeitung und Bildmanagement. Der Bildaufbau besteht aus den Schritten Datenerfassung und Bildrekonstruktion, die eine Lösung für ein mathematisch inverses Problem darstellen. Ziel der Bildverarbeitung ist es, die Interpretierbarkeit des rekonstruierten Bildes zu verbessern und daraus klinisch relevante Informationen zu gewinnen. Das Bildmanagement beschäftigt sich mit der Komprimierung, Archivierung sowie dem Abruf und der Kommunikation der aufgenommenen Bilder und der daraus abgeleiteten Informationen.

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Datenerfassung 

Der erste Schritt beim Bildaufbau ist die Erfassung der Bildrohdaten. Er enthält die ursprünglichen Informationen über die erfassten physikalischen Größen, die das Innere des Körpers beschreiben. Diese Informationen werden zum Kern für alle nachfolgenden Schritte der Bildverarbeitung. Verschiedene Arten von bildgebenden Verfahren können unterschiedliche physikalische Grundlagen nutzen und somit die Erkennung unterschiedlicher physikalischer Größen beinhalten. So ist es beispielsweise in der digitalen Radiographie (DR, Digitales Röntgen) oder in der Computertomographie (CT) die Energie der einfallenden Photonen, in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) die Photonenenergie und deren Detektionszeit, in der Magnetresonanztomographie (MRT) die Parameter eines von den angeregten Atomen ausgesendeten Hochfrequenzsignals und in der Sonographie die Parameter der akustischen Echos.

Unabhängig von der Art des Verfahrens lässt sich die Datenerfassung in die Erfassung einer physikalischen Größe unterteilen, die auch deren Umwandlung in ein elektrisches Signal, die Aufbereitung des erfassten Signals und dessen Digitalisierung beinhaltet. Bild 2 zeigt ein generisches Blockdiagramm, das die Schritte darstellt, die für die meisten medizinischen Bildgebungsverfahren anwendbar sind.

Bildrekonstruktion

Die Bildrekonstruktion ist ein mathematischer Prozess der Bilderzeugung aus den erfassten Rohdaten. Für die multidimensionale Bildgebung beinhaltet der Prozess auch eine Kombination aus mehreren Datensätzen, die in unterschiedlichen Winkeln oder Zeitschritten erfasst werden. Dieser Teil der medizinischen Bildverarbeitung beschäftigt sich mit inversen Problemen, die ein grundlegendes Thema des Fachgebietes sind. Es gibt zwei primäre Algorithmen zur Lösung dieser Art von Problemen - analytische und iterative. 

Typische Beispiele für analytische Methoden sind die gefilterte Rückprojektion (FBP), die in der Tomographie weit verbreitet ist, die Fourier-Transformation (FT), die besonders wichtig in der MRT ist, und die Delay- und Summenstrahlformung (DAS), eine Technik, die in die Sonographie integriert ist. Diese Algorithmen sind effizient in Bezug auf die erforderliche Rechenleistung und Rechenzeit. Allerdings basieren sie auf idealisierten Modellen und weisen daher einige Einschränkungen auf, einschließlich ihrer Unfähigkeit, mit so komplexen Faktoren wie statistischen Eigenschaften des Messrauschens und der Physik eines Abbildungssystems umzugehen. 

Strukturelle Klassifizierung der Themenbereiche der bildgebenden Verfahren in der Medizin
Strukturelle Klassifizierung der Themenbereiche der bildgebenden Verfahren in der Medizin
© ADI/Weka

Iterative Algorithmen überwinden diese Einschränkungen, um die Rauschunempfindlichkeit sowie die Fähigkeit zur Rekonstruktion eines optimalen Bildes aus unvollständigen Rohdaten wesentlich zu verbessern. Iterative Verfahren verwenden typischerweise ein System- und statistisches Rauschmodell, um Projektionen auf Basis des ursprünglichen Objektmodells mit angenommenen Koeffizienten zu berechnen. Der Unterschied zwischen den berechneten Projektionen und den Originaldaten definiert neue Koeffizienten, die zur Aktualisierung des Objektmodells verwendet werden. Dieser Vorgang wird in mehreren Iterationsschritten wiederholt, bis eine Kostenfunktion, welche die geschätzten und echten Werte abbildet, minimiert ist, was zu einer Konvergenz des Rekonstruktionsprozesses mit dem endgültigen Bild führt. Es gibt eine Vielzahl von iterativen Methoden, die in der medizinischen Bildgebung weit verbreitet sind. Dazu gehören Maximum Likelihood Expected Maximization (MLEM), Maximum A Posteriori (MAP) und Algebraische Rekonstruktion (ARC).

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Bildverbesserung

Der erste Teil der Bildverarbeitung verfeinert eine Transformationsdarstellung eines Bildes, um die Interpretierbarkeit der enthaltenen Informationen zu verbessern. Ihre Methoden lassen sich in Raum- und Frequenzbereichstechniken unterteilen. Die räumlichen Domänentechniken arbeiten direkt auf Bildpunkten, was besonders nützlich für die Kontrastoptimierung ist. Die Techniken basieren typischerweise auf logarithmischen, Histogramm- und Potenzgesetztransformationen (Power Law Transforms). Die Frequenzbereichsmethoden verwenden Frequenztransformation und eignen sich am besten für die Glättung und Schärfung der Bilder durch die Anwendung verschiedener Filtertypen. Die Techniken ermöglicht die Reduzierung von Rauschen und Inhomogenität, Kontrastoptimierung, Kantenverbesserung, Beseitigung von Artefakten und die Verbesserung anderer relevanter Eigenschaften, die für die anschließende Bildanalyse und deren genaue Interpretation entscheidend sind. 

Bildanalyse

Die Bildanalyse ist der wesentliche Prozess in der Bildverarbeitung, der eine Vielzahl von Methoden verwendet. Diese lassen sich in drei Hauptkategorien gliedern: Bildsegmentierung, Bildregistrierung und Bildquantifizierung.  Bei der Bildsegmentierung werden Bilder in aussagekräftige Konturen verschiedener anatomischer Strukturen unterteilt. Die Bildregistrierung gewährleistet die korrekte Ausrichtung mehrerer Bilder. Dies ist besonders wichtig für die Analyse von zeitlichen Veränderungen oder einer Kombination von Bildern, die auf unterschiedliche Weisen aufgenommen wurden. Bei der Quantifizierung werden die Eigenschaften der identifizierten Strukturen wie Volumen, Durchmesser, Zusammensetzung und andere anatomische oder physiologische Informationen bestimmt. All diese Prozesse haben einen direkten Einfluss auf die Prüfqualität der Bilddaten und die Genauigkeit der medizinischen Befunde. 

Visualisierung

Bei der Visualisierung werden die Bilddaten so dargestellt, dass sie anatomische und physiologische Bildinformationen in einer bestimmten Form über definierte Dimensionen visuell zeigen. Durch die direkte Interaktion mit den Daten kann die Visualisierung sowohl in der Anfangs- als auch in der Zwischenphase der Bildanalyse durchgeführt werden, zum Beispiel zur Unterstützung von Segmentierungs- und Registrierungsprozessen und in der Endphase zur Darstellung der präzisierten Ergebnisse.

Bildmanagement

Der letzte Teil der medizinischen Bildverarbeitung beschäftigt sich mit dem Umgang der gewonnenen Informationen und umfasst verschiedene Techniken zur Speicherung, Abfrage und Kommunikation von Bilddaten. Es gibt mehrere Standards und Technologien, die entwickelt wurden, um verschiedene Aspekte des Bildmanagements zu berücksichtigen. So ermöglicht zum Beispiel das Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem (PACS) der medizinischen Bildgebungstechnologie eine kostengünstige Speicherung und den Zugriff auf Bilder, die auf mehrere Weisen gewonnen wurden, während der DICOM-Standard (Digital Imaging and Communications in Medicine) zur Speicherung und Übertragung medizinischer Bilder dient. Spezielle Techniken zur Bildkompression und zum Streaming ermöglichen eine effiziente Umsetzung dieser Aufgaben.

Der Autor

Anton Patyuchenko ist Field Application Engineer bei Analog Devices 

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