Fertigungsdienstleistungen

Partnerwahl

6. April 2016, 10:59 Uhr | von Gelston Howell
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Im Medizinsektor ist wachsende Akzeptanz für Outsourcing zu beobachten. Dennoch zeigen sich manchmal sogar große Erstausrüster (OEMs) überrascht von der Vielfalt komplexer Fertigprodukte, die heutzutage von Fertigungsdienstleistern für die Elektronikbranche angeboten werden.

Blickt man zurück auf die Entwicklung des Outsourcing über die vergangenen 30 Jahre, so zeigen sich markante Fortschritte, sowohl was die Bandbreite der ausgelagerten Dienste anbelangt wie auch die Größe des Markts. Der kombinierte Markt für EMS-Unternehmen und Original-Gerätehersteller (ODM) hat seit 1989 ein unglaubliches Wachstum aufzuweisen: von 240 Mio. US-Dollar auf heute 400 Mrd. US-Dollar.

Zahlreiche Faktoren zeichnen für dieses Wachstum verantwortlich - insbesondere das unaufhaltsame Fortschreiten der Globalisierung sowie das stetig erweiterte Dienstleistungsangebot von EMS- und ODM-Unternehmen. Besonders interessant ist Outsourcing im Bereich Medizinprodukte. Da Erstausrüster heute neue Märkte wie China und Indien erschließen, ist die globale Präsenz von EMS-Unternehmen ein besonderer Pluspunkt. Dies gilt umso mehr für kleinere und mittlere OEMs, die mit ihrer Fertigung, Lieferkette und ihrem Vertrieb z. B. Schwellenländer noch nicht erreichen können. Expansion und Wachstum sind jedoch nicht die einzigen Gründe, weshalb medizinische OEMs zunehmend die Dienste von EMS-Unternehmen in Anspruch nehmen. Möglichkeiten zur Kosteneinsparung und das Know-how, das EMS-Unternehmen heute auch auf Gebieten wie Design for Manufacturing (DFM) und Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu bieten haben, sind ebenfalls wichtige Punkte.

Global vernetzt

Der ideale medizinische EMS-Partner sollte sich durch globale Präsenz mit Fertigungsanlagen in allen wichtigen Weltregionen auszeichnen, eine große Anzahl von Produkten bei der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) gelistet haben, gemäß ISO 13485 zertifiziert sein, umfassende Design- und Lieferketten-Services anbieten sowie über eine reiche Erfahrung hinsichtlich Qualitätssicherung und Einhaltung gesetzlicher Vorschriften verfügen. Dabei liegen die Kostenvorteile einer solchen Partnerschaft besonders für KMUs auf der Hand: EMS-Unternehmen verfügen über Fertigungsanlagen und bieten zudem Know-how, das weit über die Produktdesignkompetenzen des KMUs hinausgeht. Bei der Wahl eines Fertigungspartners sollten daher die folgenden fünf Punkte beachtet werden:

1. Wo benötige ich Expertise?

Bei vielen Produkten von KMUs gilt: Unternehmen verfügen über die Designexpertise bezüglich aller technischen Aspekte und hauseigenen Merkmale des Produkts, nicht aber in anderen Bereichen. So bauen medizinische Elektronikgeräte oftmals auf Techniken oder Subsystemen auf, die speziell entwickelt werden müssen (z. B. Signalverarbeitungsplatinen, Optik, innovative Nutzerschnittstellen). Ein Unternehmen, das solche Geräte konzipiert, möchte die eigenen Mitarbeiter möglichst nicht mit Designarbeiten in Bereichen binden, die nichts zur Produktdifferenzierung beitragen (wie Gehäuse, Netzteil oder Display). Zudem gibt es Kunden, die schlüsselfertige Designlösungen oder ein gemeinsames Konstruktionsmodell vorziehen (Joint Design Model, JDM).

2. Partner mit Erfahrung

Die Einführung eines Medizingeräts ist ein komplizierter Vorgang mit besonderen Anforderungen an das Produktdesign, die Qualitätssicherung und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Durch die Wahl eines Partnerunternehmens, das bereits über Erfahrungen mit der Herstellung ähnlicher Produkte verfügt, lassen sich mögliche Probleme während des Design- und Validierungsprozesses im Vorfeld vermeiden. Zudem kann die Zusammenarbeit mit einem Partner, der auch über die entsprechende Expertise in den Bereichen Supply-Chain-Management, Design for Cost und Funktionsprüfung verfügt, die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen.

Fragen Sie gezielt nach Beispielen von Produkten, die Ihrem ähnlich sind und an deren Design und Herstellung Ihr potenzieller EMS-Partner beteiligt war. Erkundigen Sie sich auch danach, wie diese Zusammenarbeit verlaufen ist. Sie werden überrascht sein, wie hilfreich das Know-how eines EMS-Unternehmens mit Erfahrung in Sachen Design und DFM sein kann.

3. Klare Anforderungen

EMS-Unternehmen mit Spezialisierung im Medizinbereich können umfassende Lösungen zur Automatisierung von Fertigungs- und Prüfungsprozessen bieten, einschließlich hard- und softwarebasierter Lösungen. Kunden können Partnerschaften mit EMS-Unternehmen und Automatisierungsspezialisten eingehen und so perfekt auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Automatisierungslösungen erhalten. Eine derartige Automatisierung ist besonders sinnvoll bei Produkten, die in hoher Stückzahl hergestellt werden, die einen hohen Testaufwand haben, oder bei solchen, die für viele Jahre erhältlich sein werden, da nur so die Investitionen für die Automatisierung zu rechtfertigen sind. Was Testsysteme und Testautomatisierung anbelangt, gibt es einige EMS-Unternehmen, die über umfassende Erfahrungen auf diesen Gebieten verfügen.

4. Lieferkette und Prozesse

Sie können nicht davon ausgehen, dass jedes EMS-Unternehmen über dieselbe Erfahrung verfügt. Fragen Sie Ihren potenziellen EMS-Partner deshalb gezielt nach Produkten, an deren Herstellung er bereits beteiligt war, die eine ähnliche Lieferkette aufweisen. Verfügt ein Partner bereits über eine feste Lieferkette in einem bestimmten Segment, kann er flexibel und zügig auf Design- oder Prognoseänderungen reagieren. Außerdem wird er bereits über ein tief gehendes Verständnis der technischen Aspekte der einzelnen Komponenten verfügen. Gerade bei komplexen Medizingeräten sind die Anforderungen an das technische Know-how besonders groß und einzelne Komponenten müssen oft speziell entwickelt werden. So ist z. B. das notwendige Wissen im Bereich Motoren oder Pumpen ein anderes, wie das für elektrische Schaltkreise. Ein Partner mit den nötigen Kenntnissen hilft dabei, die Zuverlässigkeit der involvierten Lieferkette sicherzustellen.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Expertise hinsichtlich Fertigung und DFM. Mit der Wahl eines Partners, der bereits über Erfahrungen mit ähnlichen Produkten verfügt, lässt sich die Zuverlässigkeit und Robustheit des Produktdesigns ebenso verbessern wie die Effizienz von Fertigungsprozess und Testverfahren. Eine wirkungsvolle Design-for-Manufacturing-Analyse unter Berücksichtigung der regulatorischen Bedingungen ermöglicht es, Kosten zu senken, Renditen zu erhöhen und die Zuverlässigkeit des Produkts zu optimieren.

5. Reparatur und Logistik

Einige EMS-Unternehmen bieten auch Reparatur- und Logistikdienste an, die es medizinischen OEMs ermöglichen, Kosten und Materialaufwand weiter zu senken. Doch sind sich nicht alle OEMs bewusst, dass EMS-Partner derartige Dienste anbieten. Besonders medizinische EMS-Unternehmen können globale Fulfillment-Services (Build to Order/Configure to Order) sowie Drehkreuz-, Reparatur-, Produktredesign- und Versanddienste für komplexe Produkte bereitstellen. Dieses Dienstleistungsangebot ist besonders für KMUs interessant, die oftmals nicht über die globale Präsenz verfügen, um weltweit Fulfillment und Reparatur zu gewährleisten.

Was bringt mir das?

Bevor Sie nach Designpartnern oder EMS-Unternehmen Ausschau halten, sollten Sie sich kritisch fragen: Welches sind meine Stärken und Schwächen? Und in welchen Bereichen sind die Risiken besonders hoch (Automatisierung, Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, Produktdesign, Prüfung etc.). Dabei sollten Sie Ihre spezifischen Ziele und Anforderungen stets klar vor Augen haben. Nur wenn Sie Ihre Anforderungen genau verstehen, werden Sie den richtigen Outsourcing-Partner finden.

Obwohl sich ein Evaluierungsprozess und der Aufbau von Beziehungen aufwendig gestalten können, lohnt sich die Mühe: Ein Designpartner oder EMS-Unternehmen kann bei der Entwicklung und Einführung eines Produkts helfen, dieses robuster und zuverlässiger machen und Herstellungskosten reduzieren. Wählen Sie einen EMS-Partner mit globaler Präsenz und einem Dienstleistungsangebot, das Fertigung, Lieferkette und Logistik umfasst. So kommt Ihr Produkt schneller zur Marktreife und Sie profitieren von den Vorteilen einer flexibleren Lieferkette.

Dabei sollten besonders KMUs in Sachen Kosten, Zeitaufwand, eigener Erfahrungsbasis und praktischer Umsetzbarkeit realistisch sein. Oftmals ist es schlicht nicht möglich, Mitarbeiter mit dem benötigten Know-how einzustellen, aus dem gleichen Grund, weswegen die Einrichtung eigener Fertigungsanlagen und Lieferketten nicht immer umsetzbar ist. Die praktischste und kosteneffizienteste Lösung ist dann eine Partnerschaft mit einem geeigneten EMS-Unternehmen.

Über den Autor:

Gelton Howell ist Senior Vice President der Sanmina Corporation.
 


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