PCAP-Touchscreens

Funktion und Design folgen Hygienevorgaben

15. Oktober 2018, 14:00 Uhr | Jörn Wittig (Data Modul)
Auch im medizinischen Umfeld sind Touch-Bedienungen nicht mehr wegzudenken.
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Medizinische Bediengeräte unterliegen besonderen Anforderungen. Um Produkte mit PCAP-Touchscreens effizient zu entwickeln und in Serie zu produzieren, müssen Entwickler für Sicherheit und Qualität Zertifizierungen vorlegen und Normen einhalten.

Die Anforderungen an medizinische Geräte haben sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Wurde noch bis vor etwa zehn Jahren mit resistiven Touches hauptsächlich Wert auf Funktionalität und Sicherheit gelegt, spielt heute zusätzlich das Thema Design in Kombination mit Bedienkonzepten und Trends eine immer wichtigere Rolle. Das Hauptaugenmerk liegt zwar auch bei PCAP-Touchscreens weiterhin auf Sicherheit und dem Funktionsumfang, die grundsätzliche Produktentwicklung orientiert sich heutzutage allerdings wesentlich mehr an den Wünschen des Endkunden: Begriffe wie Customer Journey, Customer Experience und Usability werden stärker als früher schon zu Beginn der Produktentwicklung mit eingebunden. 

Im medizinischen Umfeld finden sich solche Applikationen immer häufiger auch in kritischen Bereichen wie Laboren, Praxen, Krankenhäusern sowie auf Intensiv- und Notfallstationen. Die Geräte müssen dort unter anderem aus jedem Blickwinkel gut ablesbar sein, auch mit Handschuhen und unter Flüssigkeit bedienbar bleiben, eine hohe elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und zum Teil redundante Sicherungssysteme aufweisen. Die notwendigen hohen Hygienevorschriften sind für die Entwickler nun in Einklang zu bringen mit den wachsenden Designansprüchen der Medizinkunden. Eine durchgängige Glasoberfläche sieht schick aus, muss aber vollständig und rückstandsfrei zu reinigen sein. Jeder Spalt in Gerätegehäusen darf entweder nur so schmal sein, dass keine Flüssigkeit oder Verunreinigung einlaufen oder sich festsetzen kann, oder eben so breit, dass sich dieser jederzeit und unkompliziert reinigen lässt. Reinigungs­fähige Spaltmaße finden sich allerdings eher selten. Produktentwickler müssen sich immer wieder neu auf die unterschiedlichen Märkte und deren spezifischen Anforderungen einstellen; vor allem im medizinischen Umfeld benötigen HMI-Produktentwickler zusätzliche Zertifizierungen und Entwicklungskompetenzen. 

Normen, Standards und Zertifizierungen 

Sicherheitsanforderungen und ergonomische Forderungen an medizinische Geräte und Systeme (ohne Implantate und reine Software) sind in der IEC 60601-1 geregelt. Die allgemein gehaltene Norm definiert Anforderungen an die Basissicherheit und die wesentlichen Leistungsmerkmale für alle medizinischen elektrischen Geräte, die gemäß den Herstellerangaben der Diagnose, Behandlung und Überwachung von Patienten dienen, also im direkten Kontakt mit Patienten stehen. Zu dieser Norm gehören zahlreiche Unternormen, sogenannte Kollateral- (EN 60601-1-x) und Partikulärstandards (EN 60601-2-x). Jedes medizinische Human Maschine Interface (HMI) muss sowohl die allgemeinen Anforderungen der IEC 60601-1 als auch die spezifischen Anforderungen der Kollateral- (zum Beispiel Kardiologie) und Partikularstandards (zum Beispiel Ultraschallgerät) einhalten – wobei den Partikulärstandards als größter gemeinsamer Nennen eine besondere Bedeutung zukommt. 

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Full bonding (LOCA) von TFT und Touch-Glas-Einheit.
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Die Medizinnorm ISO 13485:16 formuliert Anforderungen an das Qualitätsmanagement (QM) und an QM-Systeme von Medizinprodukteherstellern und deren Wertschöpfungskette. Diese können mit der Zertifizierung die Konformität von medizinischen Produkten nach Anhang II der Medizinprodukterichtlinie MDD selbst erklären. Bei allen Mediziprodukten, die Software enthalten oder eigenständige Software sind, fordert die IEC 62304 (Regulatorische Anforderung an Lebenszyklusprozesse für medizinische Software) ein QM-System und empfiehlt eines nach ISO 13485.

Für Bildwiedergabesysteme (BWS) existieren unterschiedliche Anforderungskataloge und Regularien zur Qualitätssicherung. Die deutsche Norm DIN 6868-157 aus dem Jahr 2014 reglementiert beispielsweise die Durchführung der Abnahmeprüfung der BWS. Sie löst die DIN-V 6868-57:2001-02 für Erstinbetriebnahmen und Neuabnahmen von Befundmonitoren ab, ist dem Stand der Technik angepasst und ergänzt um Anforderungen an die Konstanzprüfung.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Qualitätssicherung ist die Berücksichtigung der Umgebungsbedingungen. Hierbei muss nicht nur auf direkte und indirekte Lichtquellen bei der Abnahmeprüfung geachtet werden. Mit den notwendigen Zertifizierungen haben HMI-Entwickler die Möglichkeit, im Endabnahmeprozess die Monitore der Norm entsprechend zu prüfen und abzugleichen. Indem sie einen Helligkeitssensor verwenden, können sie zudem Alterungseffekte der Hintergrundbeleuchtung ermitteln und nachregeln, um die Stabilität der definierten Ausgangshelligkeit zu gewährleiten.

All diese Zertifizierungen und Vorschriften legen Rahmenbedingungen fest, um später erfolgreiche und bedienbare Medizingeräte entwickeln zu können. In den Konstruktionsabteilungen werden im Einklang mit den Anforderungen Gehäusekonzepte zu Beginn der Produktentwicklung analysiert und an Hand der späteren Umgebungs- und Bedienbedingungen fixiert. Welche Produktionsschritte und Konzepte sich letztendlich umsetzen lassen, entscheiden die Expertise des Herstellers, der Kunde, dessen Budgetvorgaben und das Einsatzgebiet.

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Beispielhafte Detaildarstellung eines medizinischen Panel-PC mit PCAP-Touch.
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  1. Funktion und Design folgen Hygienevorgaben
  2. Gehäusekonzepte für die Medizintechnik

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