Anwenderbericht Heitec

Steuerungsrechner für die Strahlentherapie

16. November 2018, 14:30 Uhr | Heitec
Zukunftssichere Hardware: Besonders in der Strahlentherapie wird den Medizin-PCs einiges abverlangt.
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Die Strahlentherapie ist heute eine der wichtigsten Behandlungen in der Onkologie. Heitec unterstützt einen Anbieter von medizintechnischen Produkten bei der Fertigung und Integration von Industrie-Rechnern für die Kunden-Endapplikation.

Bei der Applikation handelt sich um einen Linearbeschleuniger, der zur Strahlentherapie bei der Krebs­behandlung eingesetzt wird. Dabei bildet der Medizin-Rechner die Steuerkonsole der kompletten Anlage. Diese überwacht alle Funktionen des Linearbeschleunigers, der die ionisierende, hochenergetische Strahlung erzeugt, um die zu therapierenden Körperpartien zu behandeln. Die Beschleunigung wird durch Wechselspannung mit hoher Frequenz erreicht. Die Bestrahlungspläne des Radiologen beziehungsweise Onkologen werden technisch im System umgesetzt und sämtliche Sicherheitsfunktionen gewährleistet. So können zum Beispiel Strahlenfelder unterschiedlicher Formen und Größe erzeugt sowie Tiefenwirkung und Dosis bestimmt werden. Durch exakte Positionierung mithilfe bildgebender Verfahren wird ein zielgenaues Bestrahlen des Krankheitsherdes ermöglicht.

Der Linearbeschleuniger ist so kon­struiert, dass eine Bestrahlung des Tumors aus verschiedenen Winkeln möglich ist. Dabei wird die Strahlenquelle in verschiedene, vorher berechnete Positionen geschwenkt und das Zielgebiet maximaler Strahlendosis ausgesetzt. Auf diese Weise werden Tumorerkrankungen lokal behandelt und das umgebende Gewebe so wenig wie möglich belastet. Im Medizin-PC laufen alle Informationen und Daten des Linearbeschleunigers zusammen und werden so in Echtzeit verarbeitet und überwacht.

Heitec setzt bei der Entwicklung, Integration und Fertigung von medizintechnischen Geräten konsequent alle in der Branche geltenden restriktiven Prozesse um. Entwicklungen für medizintechnische Produkte erfolgen auf Grundlage der Normen IEC/UL 60601-1, IEC/UL 60601-1-2, EN 13485 und DIN EN ISO 14971. Diese gelten für das Qualitäts- und Risikomanagement, die Sicherheit, einschließlich der wesent­lichen Leistungsmerkmale, sowie die Lebenszyklus-Prozesse von elektromedizinischen Geräten. Obwohl die technische Entwicklung meist dynamisch mit hoher Innovationsdichte verläuft, müssen medizintechnische Geräte über viele Jahre betriebsbereit gehalten werden. Das heißt, dass das Lifecycle-Management ebenfalls langfristig ausgelegt sein muss.

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Bild 1. Mut zur Lücke: Die Aussparungen an der Rückseite sind für die verschiedenen Schnittstellen und für die komplexen Datenverbindungen zur Anwendung erforderlich.
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Bereits bei der Systemkonzeption und Bedarfsanalyse werden die Komponenten für die Umsetzung der erforderlichen Performance danach ausgewählt, dass das Produkt während seines kompletten Lebenszyklus ohne fertigungsdiktierte Veränderung produziert werden kann. Teure Redesigns werden so vermieden. Die gründliche Prüfung der Leistungsanforderungen und aller Rahmenbedingungen, wie die zu beachtenden Vorschriften, sind ein essenzieller Schritt, um Aufwand und Kosten so gering wie möglich zu halten. Das ist umso wichtiger, weil es sich um global vermarktete Geräte handelt, bei denen die unterschiedlichsten Vorschriften der einzelnen Länder beachtet werden müssen.

Was ist kommerziell sinnvoll?

Ein skalierbares Beschaffungsmanagement und ein genaues Abwägen, was kommerziell sinnvoll ist, bieten enorme Vorteile: Aktive Bausteine medizintechnischer Anwendungen sind meist bereits auf Langzeitverfügbarkeit ausgerichtet, dafür aber oft kostenintensiver als herkömmliche Komponenten. Diese Bausteine zu kaufen, wenn sie gerade zu einem attraktiven Preis zu haben sind und sie dann einzulagern, kann unter Umständen deutlich wirtschaftlicher sein. Oder aber: Es kann auch lohnend sein, kommerzielle Produkte, die von Leistungsfähigkeit und Qualität her gleichwertig sind und die Vorgaben ebenfalls erfüllen, zu erwerben.

Ebenfalls in die Erwägungen mit einbezogen werden, dass selbst »ausgefallenere« Elemente langfristig erhältlich sein und idealerweise eine zweite Quelle (Second Source) zur Verfügung stehen müssen, um eine nahtlose Versorgung zu garantieren. Für die Strahlentherapie-Systeme stellt das Unternehmen aus Erlangen nicht nur die nötigen Lagerkapazitäten und Restmengenabdeckung bereit, sondern auch das Abkündigungsmanagement und eine Zweitquelle – bei etwaigen Produktabkündigungen kann problemlos ohne Auswirkung auf die System-Funktionalität und das Interagieren mit allen anderen Bestandteilen auf die Angebote anderer Hersteller zurückgegriffen werden.

Technisch wurde das bereits existierende Basisboard für das Modul »COM Express Type 2 Celeron« gemäß der EMV-Anforderungen des Kunden optimiert, was eine problemlose Integration in die Anwendung ermöglicht. Über das Baseboard kann etwa auf die Schnittstellen des COM-Express-Moduls zugegriffen werden. Alle enthaltenen Baugruppen werden inhouse bestückt und geprüft. Als Gehäuse wird ein kundenspezifisches 19-Zoll-IPC-Gehäuse mit 4 HE (1 Höheneinheit = 44,45 mm) verwendet, welches nach Vorgabe gefertigt wird. Der robuste Industrie-PC-Standard erfüllt nicht nur die Forderung nach Kompaktheit, sondern gestattet auch, mögliche Abkündigungen, die bei werkzeuggebundenen Komponenten für individuelle Projekte nicht unüblich sind, zu managen und langfristige Liefergarantien zu erzielen. Bei möglichen normativen Veränderungen stellt eine Standardbasisarchitektur die kosteneffizienteste Basis mit dem geringsten zu erwartenden Aufwand in Bezug auf (Re-)Design, Dokumentation, Fertigung und Test dar und zeichnet sich überdies durch Anpassungsfähigkeit aus, wie beispielsweise bei den kundenspezifischen Aussparungen auf der Gehäuse-Rückseite, die für die zahlreichen Schnittstellen und für die komplexen Datenverbindungen zur Anwendung erforderlich sind (Bild 1). In die die klappbare Aluminiumfrontplatte ist ein Streifen aus farbigem Glas im Corporate Design des Kunden eingelassen (Bild 2).

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Bild 2. Kundenspezifisches Design: Damit das Bauteil auch äußerlich in die Endapplikation passt, wurde an der Vorderseite ein entsprechender farbiger Glasstreifen angebracht.
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Um eine vollständige Prüfung des Rechners sicherzustellen, wurde in Zusammenarbeit mit dem Kunden ein Prüfschrank entwickelt und in Betrieb genommen. In Zuge dessen wurde die komplette Fertigungsdokumentation auf den aktuellen Stand gebracht. Die hohen Anforderungen an das Equipment erstrecken sich auch auf Qualität, Umfang und Details der notwendigen Validierungs­dokumente, um den normativen Vorschriften zu genügen und den Nachweis der sicheren Herstellungsprozesse und der Eignung für den definierten Einsatzbereich zu erbringen. Interaktive Vorgänge, Änderungen und Ergänzungen müssen beständig in die Validierungsdokumente einfließen, was überaus aufwendig sein kann. Die neue MDR (Medical Device Regulation), die am 25. Mai 2017 in Kraft getreten ist und die bestehenden Medizinprodukte-Richtlinien ersetzt, wird rechtsverbindlich ab dem 26.05.2020 gelten und legt die Messlatte nochmals höher. Nach Festlegung der nationalen Besonderheiten und Restriktionen in den jeweiligen Ländern sind Hersteller dann zu einem MDR-Zertifikat verpflichtet, wenn sie ein Produkt in Verkehr bringen möchten, was weitere hohe Anforderungen an die Produkt­dokumentation stellt.

Um die neuen Vorschriften umzusetzen, müssen zum Beispiel MEDDEV-Dokumente aktualisiert werden. Bereits jetzt gilt für die Dokumentation: Sie muss lückenlos und nachvollziehbar sein; alle Komponenten müssen permanent überwacht werden. Mittels eigener Prüf-Tools kontrolliert Heitec Hardware, Verbindungen und Funktionalität und schickt die Ergebnis-Protokolle an den Kunden.

Zuerst gesehen
Dieser Beitrag stammt aus der Medizin+elektronik Nr. 5 vom 10.09.2018. Hier geht’s zur vollständigen Ausgabe.

 


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