EU-Medizinprodukteverordnung

»Das System ist nur teilweise arbeitsfähig«

14. März 2022, 11:36 Uhr | BVMed
Seit dem 26. Mai 2021 gilt für Medizinprodukte in der EU die neue MDR
© AdobeStock/dmutrojarmolinua

BVMed und SNITEM starten deutsch-französische Initiative zur MDR

Die MedTech-Verbände BVMed und SNITEM haben auf einer Konferenz am 14. März 2022 in Paris mit Vertretern der EU-Kommission eine deutsch-französische Initiative gestartet, um auf europapolitischer Ebene Lösungen für die Probleme bei der Umsetzung der neuen EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) voranzutreiben. Der deutsche Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) und das französische »Syndicat National de l'Industrie des Technologies Médicales« (SNITEM) fordern in einer gemeinsamen Erklärung unter anderem einen raschen Ausbau der Kapazitäten der Benannten Stellen sowie einen sinnvollen Einsatz der vorhandenen Ressourcen durch einen pragmatischen Umgang mit Bestandsprodukten. 

»Mit BVMed und SNITEM schreiten die beiden wichtigsten nationalen Verbände in der EU gemeinsam voran, um den Flaschenhals der MDR-Implementierung zu entzerren«, so SNITEM-Geschäftsführer Eric Le Roy.  Dazu gehört unter anderem die Verschiebung der Übergangsperiode der MDR. Ansonsten werde man den drohenden Engpass bei den Zertifikaten aufgrund der begrenzten Ressourcen der Benannten Stellen nicht bewältigen.

»Oberstes Ziel der Bemühungen muss es sein, die medizinische Versorgung der Menschen mit sicheren und modernen Medizinprodukten kontinuierlich zu gewährleisten«, ergänzt BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll. Das Zeitfenster für Lösungen schließe sich, »wir müssen jetzt handeln!« Möll betonte, dass Deutschland und Frankreich zusammen für über 50 Prozent des Medizinproduktemarktes in der EU stehen. »Hier entsteht eine starke Allianz, die jetzt in Europa vorangeht«, so Möll.

Benannten Stellen kommen an ihre Grenzen

Die MDR gilt seit dem 26. Mai 2021. Sie regelt die Zertifizierung von allen medizintechnischen Bestands- wie Neuprodukten komplett neu. Dafür müssen alleine mindestens 450.000 verschiedene Bestandsprodukte einer neuen Konformitätsbewertung unterzogen werden. Die MDR bringt dabei umfassende Herausforderungen für alle Hersteller mit sich. Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen gelangen an ihre Grenzen des Machbaren.

Die Hoffnung, nach der einjährigen Verschiebung des MDR-Geltungsbeginns von 2020 auf 2021 ein voll funktionsfähiges System bis zum Geltungsbeginn vorliegen zu haben, ist laut BVMed und SNITEM nicht Realität geworden. Das System ist faktisch nur teilweise arbeitsfähig. Von 25.000 benötigten Zertifikaten sind bislang noch nicht einmal 1.000 ausgestellt worden. Es gibt dabei nicht nur einen Stau bei der Zertifizierung von Bestandsprodukten, auch Innovationen stocken, da viele Entwicklungsressourcen in die MDR-Regulatorik gehen.

»Wir befinden uns in einem rückwärtsgewandten System, das zu viele der knappen Ressourcen in der Industrie und bei Benannten Stellen bindet«, so die beiden Verbände. Bei mehr zu zertifizierenden Produkten in einem kürzeren Zeitraum und umfangreicheren zu prüfenden Unterlagen reichte die aktuelle Kapazität der aktuell 27 Benannten Stellen nicht aus und liege weit entfernt von der tatsächlich benötigten Kapazität. »Wir müssen gemeinsam an Lösungen arbeiten, um die Kapazitäten zu erhöhen.« 

Die Zeit drängt

Und das sollte schnell geschehen, denn die Übergangsperiode endet nach den bisherigen Regelungen am 26. Mai 2024. »Die Dauer der Zertifizierung beträgt im Durchschnitt rund 18 Monate. Das heißt, spätestens im dritten Quartal 2022 müssen die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden, welche Produkte vom Markt genommen werden müssen. Die Zeit rennt uns davon. Die Situation spitzt sich dramatisch zu. Ein Zusammenbruch der Patientenversorgung muss verhindert werden«, heißt es in der gemeinsamen Erklärung der beiden Verbände. 

Aus Sicht von BVMed und SNITEM sind dazu unter anderem folgende Schritte notwendig:

  • Ausbau der Kapazitäten der Benannten Stellen
  • Sinnvoller Einsatz der vorhandenen Ressourcen
  • Verschiebung der Übergangsperiode

Die drei Punkte müssen nach Ansicht des BVMed Hand in Hand umgesetzt werden. Eine alleinige Verlängerung der Übergangsperiode reiche nicht aus. »Wir müssen die vorhandenen Ressourcen kanalisieren und priorisieren, um den MDR-Flaschenhals zu entzerren. Wir fordern die politischen Entscheider:innen auf, jetzt zu handeln, um die medizinische Versorgung der Menschen mit sicheren Medizinprodukten in Europa zu gewährleisten« so der Appell Möll.

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(me)


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