Verbände | Der BVMed fordert die schnellstmögliche Veröffentlichung EU-weiter Guidelines, um die Arbeit der Benannten Stellen bei der Zertifizierung von Herstellern und Medizinprodukten zu harmonisieren. »Sonst drohen Marktverwerfungen«, mahnt BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll.
Hintergrund ist, dass die EU-Medizinprodukte-Verordnung (MDR) ab 26. Mai 2020 gilt, bei der Umsetzung aber noch mehrere Großbaustellen existieren. Der europäische Dachverband MedTech Europe hat deshalb gemeinsam mit den nationalen Verbänden und den Unternehmen einen »Call to Action« mit konkreten Handlungsempfehlungen erarbeitet. Das Dokument »Stand der Implementierung der EU-Medizinprodukteverordnung – Ein Aufruf zum Handeln« steht zum kostenlosen Download bereit.
Das kurz vor Weihnachten 2019 auf europäischer Ebene beschlossene zweite MDR-Korrigendum sei zwar richtig und sinnvoll, betreffe aber nur einen kleinen Teil der rund 450.000 betroffenen Medizinprodukte, so Möll. »Wir haben nach wie vor viele Großbaustellen: Zu wenige Benannte Stellen, die nach der MDR zertifizieren können. Kapazitätsprobleme bei der Neu-Zertifizierung von Bestandsprodukten bis zum Stichtag im Mai 2020. Zu wenig ausgebildetes Personal für diese regulatorischen Fragestellungen. Fehlende Rechtsakte und Leitlinien.«
Die Medizinprodukte-Hersteller haben zwar bis zum 26. Mai 2020 Zeit, ihre laufenden Richtlinien-Zertifikate erneuern zu lassen, um die Übergangsperiode zu nutzen. Die Übergangsbestimmung funktioniert aber in der Praxis nicht, da die Benannten Stellen keine Kapazitäten dafür haben. »Die Industrie beobachtet erhebliche Verzögerungen bei der Bewertung der eingereichten Unterlagen durch die Benannten Stellen und sogar die Ablehnung von Unterlagen für Produkte, die für die MDR-Übergangsperiode rechtlich in Frage kommen«, heißt es in dem Aufruf der MedTech-Branche.
Die Benannten Stellen sollten deshalb die Möglichkeit haben, CE-Zertifikate für alle bis zum Stichtag eingereichten Anträge ausstellen zu dürfen. Wenn eine Benannte Stelle nicht über die erforderlichen Kapazitäten verfügt, um die Bescheinigung rechtzeitig auszustellen, sollten die Produkte automatisch für EU-weite Ausnahmeregelungen in Frage kommen. »Medizinprodukte, die sich in der Versorgung bewährt haben und bei denen keine Mängel bekannt sind, müssen auch weiterhin für Patienten und Anwender verfügbar sein«, so Möll.
Ein großes Problem ist zudem die fehlende EU-Leitlinie zum Themenkomplex »Wesentliche Änderungen«. Die Übergangsfrist kann nur ausgenutzt werden, wenn an der Auslegung und der Zweckbestimmung des Produkts nach dem 26. Mai 2020 keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden. Eine klare EU-weite Interpretationshilfe, was unter »wesentliche Änderungen« fällt und was nicht, wurde von der EU-Kommission zwar angekündigt, fehlt aber noch immer.
Das Fazit von BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll: »Die MedTech-Branche ist bereit, das System ist es nicht. Wir brauchen jetzt einen Notfallplan, damit die Patientenversorgung nicht gefährdet wird. Hier sind alle Beteiligten gefordert: die Politik, die Industrie, die Krankenkassen, die Kliniken und Ärzte, die Benannten Stellen. Wir müssen gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen, um Versorgungslücken zu vermeiden. Letztendlich brauchen wir europaweit abgestimmte Lösungen. Es wäre fatal, wenn es nationale Alleingänge geben würde.« (me)
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