Embedded Systeme

Maßgeschneidert für die Medizintechnik

9. März 2022, 14:00 Uhr | Ginzinger
Für die Medizintechnik sollten Embedded Systeme von Anfang an passen.
© Elnur – Shutterstock

Darauf sollten Entwickler bei Design, Entwicklung und Produktion achten

Inhalt der Themenwoche Embedded goes Medical

Elektronik und Embedded Systems sind aus der modernen Medizin nicht mehr wegzudenken. Ob als Wearable am Körper, Herz-Lungen-Maschinen im Krankenhaus, Diagnosegeräte, Laborausstattung oder Behandlungsgeräte für den Zahnarzt. Elektronik und Software sind allgegenwärtig. Der große Fortschritt in der Medizintechnik erhöht die Qualität der Gesundheitsversorgung und reduziert die Kosten für das medizinische Management. Für das Design, sowie die Entwicklung und Produktion von Embedded Systems und Elektronik ist speziell im Bereich Medizintechnik viel Knowhow in unterschiedlichen Disziplinen notwendig.

Normen und Zertifizierung

Der Einsatz von Technik in der Medizin erfordert strikte Maßnahmen zum Ausschluss von Fehlfunktionen und zur dauerhaften Sicherung der Qualität. Diese Maßnahmen sind über den gesamten Produktlebenszyklus einzuhalten und zu dokumentieren. Es beginnt mit den Spezifikationen über die Entwicklung bis zur Abkündigung des Produkts. Von den Systemen darf keine Gefahr ausgehen.

Aus diesem Grund sind für die Entwicklung von medizintechnischen Geräten viele Normen und Vorschriften zu berücksichtigen. Vor dem Einsatz der Geräte werden zahlreiche Zertifizierungen durchlaufen. Über den Lebenszyklus eines Medizintechnikprodukts werden die Qualität der Produktion und des Produkts laufend von Behörden und befugten Institutionen überwacht.
Einige wichtige Richtlinien und Normen der Medizintechnik, die Entwickler kennen müssen sind:

  • Medical Device Regulation MDR der EU 
  • IVDR – In-vitro-Diagnostic Device Regulation der EU 
  • EN ISO 13485 – Managementsystem für Design und Herstellung von Medizinprodukten 
  • EN 60601 - Normenkomplex über medizinische elektrische Geräte und Systeme

Einfache Bedienung und optimale Nutzung

Einfaches, intuitives und fehlerfreies Bedienen ist in der Medizintechnik wichtig. Nicht zuletzt ist das User-Interface auch ein wichtiges Designelement eines Geräts und Entscheidungsgrundlage für den potenziellen Käufer oder die potenzielle Käuferin. Die optimale User-Experience steigert die Akzeptanz und reduziert den Lernaufwand sowie die Fehleranfälligkeit beim Anwender oder der Anwenderin.

In kritischen Umgebungen, wie Behandlungsräumen oder Laboren muss dafür gesorgt werden, dass Bedienoberflächen des HMI und Schalterelemente keimfrei gehalten werden. Heute wird die Bedienung von Medizingeräten mittels Sprachein- und Ausgabe vereinfacht. Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt beim Einsatz, indem sie beispielsweise Vorschläge zur Interpretation von Bildern oder Messergebnissen in der Diagnostik macht und die Nutzerin bzw. den Nutzer bei wichtigen Entscheidungen entlastet.

Messtechnik, Sensoren und Aktoren

In der Medizintechnik kommen unterschiedliche Sensoren zum Einsatz, die Vitaldaten erfassen oder Substanzen in Laboren analysieren. Direkt am Körper eines Patienten oder einer Patientin lassen sich Puls, Blutdruck oder Körpertemperatur erfassen. Mittels komplexer, spektroskopischer Verfahren kann in einem Laborgerät die Zusammensetzung von Geweben und Flüssigkeiten bestimmt werden. Die technische Herausforderung besteht dabei oft im kontinuierlichen Erfassen und Verarbeiten von Kleinstsignalen in störanfälligen Umgebungen. Umfassende Erfahrung mit Analogtechnik und digitaler Signalverarbeitung ist ein wichtiges Rüstzeug für den Entwickler. Mit der Elektronik werden oft auch optische Systeme integriert, was wiederum Spezialwissen erfordert. 

Für alle Messungen am Körper eines Patienten oder einer Patientin sind höchstmögliche Sicherheitsstandards einzuhalten. Das gilt selbstverständlich auch für den aktiven Eingriff durch ein Medizingerät. Die eingesetzten Aktoren, wie Pumpen zum Transport von Körperflüssigkeiten oder Antriebe zum Bohren oder Schneiden von Knochen oder Geweben müssen zuverlässig funktionieren. Der Entwickler eines Medizingeräts muss sicherstellen und nachweisen, dass der Einsatz mit minimalem Risiko durchgeführt werden kann.

Mobilität, Energiemanagement und Rechenleistung

Zunehmende Miniaturisierung und Rechenleistung von Elektronik und Embedded Systems ermöglichen heute Medizingeräte, die klein und kompakt direkt am Patienten beziehungsweise an der Patientin Daten sammeln und Kontrollentscheidungen treffen. Dabei werden Mikrocontroller mit minimalem Energiebedarf und ein ausgeklügeltes Energiemanagement für einen langlebigen und schonenden Batteriebetrieb kombiniert. 

Herzschrittmacher können heute mit einer einzigen Batterie bis zu 10 Jahre betrieben werden. Die Rechenleistung der eingesetzten Prozessoren ermöglicht eine umfangreiche Signalvorverarbeitung und Auswertung bis zum Einsatz von Algorithmen aus dem Bereich Machine Learning und KI. Entwickler von Medizingeräten müssen mit Batterietechnik und deren sicherer Anwendung ebenso vertraut sein, wie mit den möglichen Energiesparstufen unterschiedlicher Mikroprozessoren. Die Einsatzfälle des Geräts sind genau zu analysieren, um eine exakte Energiebilanz zu berechnen.

Connectivity und Security

Wir erleben auch in der Medizin eine digitale Revolution, die alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche grundlegend erfasst. Die eingesetzten Geräte werden immer intelligenter und laufen nur noch selten im Inselbetrieb. Vitaldaten der Patientin oder des Patienten und Diagnosedaten aus Labors werden nahtlos an medizinische IT-Systeme übertragen und ausgewertet.

Dabei kommen unterschiedliche Netzwerk- und Funkstandards zum Einsatz, und es muss jederzeit die Integrität und Sicherheit der Daten gewährleistet sein. Patientendaten sind äußerst sensibel und es sind dafür die höchsten Datenschutzstandards zu berücksichtigen. Geräte werden mit medizinisch zertifizierten Cloud-Systemen betrieben. Die Übertragung der Daten erfolgt verschlüsselt und abgesichert. Manipulationen und unberechtigte Zugriffe sind zu verhindern. Bei der Entwicklung moderner Medizingeräte ist daher Knowhow über Netzwerktechnik, Netzwerksicherheit und Verschlüsselung gefordert.

Sicherheit und Zuverlässigkeit

Medizingeräte müssen dauerhaft und zuverlässig funktionieren. Das Risiko für Fehlfunktionen im Betrieb ist bereits in der Entwicklung zu minimieren. Dafür sind laufend umfangreiche Risikoanalysen durchzuführen. Auf Basis dieser Analysen werden Maßnahmen abgeleitet, um potenzielle Bedrohungen weiter zu minimieren. Zum Einsatz kommen redundante Systeme, ausgeklügelte Überwachungsfunktionen in Hard- und Software und Bausteine, die den vorgeschriebenen Standards genügen. Weiterhin muss die langfristige Wartung und Pflege eines Medizinprodukts über den gesamten Lebenszyklus gewährleistet sein, um dauerhaft höchstmögliche Sicherheit zu garantieren.

Beim eingesetzten Material werden im medizinischen Umfeld ebenfalls spezielle Anforderungen berücksichtigt. Oberflächen, Taster oder Touch-Displays sollten desinfizierbar sein. Einige Komponenten müssen über die Lebenszeit eine bestimmte Anzahl an Sterilisationszyklen in einem Autoklaven unbeschadet verkraften. Im Kontakt mit dem Patienten oder der Patientin müssen bioverträgliche oder atmungsaktive Materialien verwendet werden. Der Entwickler von Medizingeräten sollte immer die Sicherheit im Fokus haben und mit den dafür notwendigen Vorschriften und Abläufen vertraut sein.

Stabilität über viele Jahre

Um eine robuste Hard- und Softwareplattform für die Serienproduktion zu schaffen, müssen die Aufwände für Integration, laufende Wartung und Erweiterungen von Anfang an und über den gesamten Produktlebenszyklus betrachtet werden. Trotz der sich rasch ändernden Ansprüche verlangt die Medizintechnik nach langer Lebensdauer ihrer Geräte. Änderungen in Hardware oder Software ziehen langwierige Zulassungsprozeduren nach sich.

Schon beim Gerätedesign muss darauf geachtet werden, dass langlebige Bauteile, möglichst aus mehreren Quellen, eingesetzt und validiert werden. Die Embedded-Software muss äußerst stabil, fehlertolerant und robust gestaltet sein. Updates, z.B. bei neuen Bedrohungsszenarien oder für neue Funktionen, müssen rasch und sicher eingespielt werden können. In jedem Fall ist über die Entwicklung hinaus eine langfristig stabile Partnerschaft mit dem Entwicklungspartner unabdingbar.

Praxisbeispiel: Embedded Linux in der Zahnmedizin

Chirurgiegerät Implantmed mit Bedienkonzept, Farb-Touchscreen und Glasoberfläche
Chirurgiegerät Implantmed mit Bedienkonzept, Farb-Touchscreen und Glasoberfläche
© WH Dentalwerk

Intuitives Bedienen durch streichen, wischen, ziehen – all das wird mittlerweile auch in der Zahnmedizin groß geschrieben und erlangt immer mehr an Stellenwert. Desinfizierbare Touchoberflächen, qualitativ hochwertige Verarbeitung und ein sicherer Softwareunterbau sind nur wenige von zahlreichen Anforderungen die hier einzuhalten und umzusetzen sind.

W&H Dentalwerk, mit Firmensitz in Bürmoos, entwickelt, produziert und vermarktet Präzisionsinstrumente und -geräte für zahnmedizinische, chirurgische und zahntechnische Anwendungen zum Wohle des Menschen. Dabei vertraut das internationale Unternehmen auf Ginzinger und seine Embedded Linux Lösungen.

Im Jahre 2014 feierte das komplett überarbeitete Chirurgiegerät Piezomed einen erfolgreichen Markteintritt. Die graphische Bedienoberfläche, das ansprechende Design und das darin verbaute Know-how garantieren Qualität und Sicherheit auf allen Ebenen. Mit dem neuen Implantmed folgte 2017 ein weiteres Chirurgiegerät mit intuitivem Bedienkonzept, Farb-Touchscreen und Glasoberfläche.

Über Ginzinger

Ginzinger electronic systems bietet Komplettlösungen für die Entwicklung und Produktion von Elektronik und Embedded Systems für die Medizintechnik. Das Unternehmen ist nach EN ISO 13485 zertifiziert.
 


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