Die Zukunft der Medizintechnik

MedTech-Präzision dank digitalem Zwilling

22. März 2023, 8:00 Uhr | Kathrin Palder, Siemens Healthineers
Bild 3. Der digitale Zwilling kann medizinischem Fachpersonal dabei helfen, radiologische Untersuchungen lokal besser zu begrenzen.
© Siemens Healthineers

Ein digitaler Patientenzwilling kann Untersuchungen simulieren, Therapien vorhersagen und sogar helfen, Erkrankungen zu vermeiden? Was wie Science-Fiction klingt, ist eine konkrete Vision, an deren Umsetzung gearbeitet wird. Künstlicher Intelligenz fällt dabei eine Schlüsselrolle zu.

Der digitale Zwilling hat seine Ursprünge in der Industrie. Dort wird er hauptsächlich eingesetzt, um die Produktion von Anlagen zu optimieren und bereits vor dem Bau der eigentlichen Fabrik basierend auf einem Computermodell mögliche Engpässe zu erkennen. Gleichzeitig können Produktionsprozesse in Echtzeit überwacht werden. Bei Problemen wird am digitalen Zwilling nach einer Lösung gesucht und diese letztlich auf die echte Anlage angewendet. »Ein ähnliches Ziel verfolgen wir mit unserer Vision des digitalen Patientenzwillings«, erklärt Dr. Tobias Heimann, Leiter Künstliche Intelligenz Deutschland bei Siemens Healthineers. »Er soll es ermöglichen, Patienten zu einer maßgeschneiderten, personalisierten Diagnostik und Therapie zu verhelfen beziehungsweise als Frühwarnsystem für Krankheiten dienen, von denen man noch gar nicht weiß, dass man sie hat, weil man anfangs keinerlei Symptome bemerkt.«

Entlastung der Gesundheitssysteme

Die Idee: Der digitale Patientenzwilling verknüpft die Gesundheitsinformationen individueller Patienten und gleicht sie kontinuierlich mit Ergebnissen aus Populationsstudien, Daten spezifischer Krankheitsbilder sowie individuellen Krankheitsverläufen, Medikationen, Diagnostiken oder Therapien anderer Betroffener ab. All dies kann Mediziner dabei unterstützen, Patienten ganzheitlich und individuell zu behandeln. Wenn man im digitalen Modell erkennen würde, dass eine gesundheitliche Gefahr für Patienten droht, wäre es möglich, frühzeitig und präzise Gegenmaßnahmen einzuleiten. Außerdem könnte man zunächst am Modell testen, welche Therapie am besten bei den Betroffenen funktionieren könnte. All dies würde viele Vorteile mit sich bringen: Menschen blieben länger gesund und gleichzeitig würden Krankenhäuser entlastet werden.

Die Weltbevölkerung wächst und wird älter, dabei fehlt es zunehmend an adäquater Gesundheitsversorgung. Am Beispiel Krebs zeigt sich, was das an gesellschaftlichen Kosten mit sich bringt: Mehr als 18 Mil­lionen Menschen weltweit erkranken jedes Jahr an Krebs, davon 3,5 Millionen Menschen in der EU. Die jährlichen Gesundheitskosten aller Mitgliedstaaten für die Behandlung von Krebs summieren sich laut Krebsatlas auf 141,8 Milliarden Euro. Und die Tendenz ist steigend – die Weltgesundheitsorganisation WHO geht davon aus, dass sich im Jahr 2040 die jährliche Inzidenz verdoppelt haben wird. Gleichzeitig fehlt es im Gesundheitsbereich an Personal, um diesen Anstieg zu bewältigen.

Der digitale Zwilling in der Praxis

Auch hier könnte der digitale Zwilling zu Hilfe kommen, der längst keine Zukunftsvision mehr ist: Siemens Healthineers geht den Weg hin zum kompletten digitalen Patientenzwilling über einzelne digitale Organmodelle, mithilfe derer Ärzte schon heute Therapieoptionen simulieren und die Therapie individuell gestalten können, um Behandlungsergebnisse zu verbessern. Grundlage dieser digitalen Organzwillinge sind biophysiologische Modelle, die mit Patientendaten individualisiert werden. Diese Modelle werden mit großen Datensätzen trainiert und kontinuierlich weiterentwickelt.

Siemens Healthineers Digitaler Zwilling Vision Medizintechnik
Bild 1. Cloé Audigier baut zunächst ein digitales Modell der Anatomie der Leber, inklusive der Läsion.
© Siemens Healthineers

So steht etwa der digitale Leberzwilling im Fokus, da Leberkrebs weltweit auf Platz drei der tödlichsten Krebserkrankungen rangiert. »Bisher werden Patienten entsprechend dem Status ihrer Erkrankungen Therapien empfohlen, basierend auf allgemeingültigen Leitlinien«, erklärt Chloé Audigier, Senior AI Researcher bei Siemens Healthineers (Bild 1). »Allerdings ist Leberkrebs eine sehr komplexe Erkrankung, und wir brauchen bessere Methoden zur Früherkennung und Behandlung.«

Große Datenmengen in Kombination mit speziellen Algorithmen können helfen, individuell auf Patienten zugeschnittene Entscheidungen zu treffen. Hierfür baut Audigier basierend auf Daten zunächst ein digitales Modell der Anatomie der Leber (Bild 2, nächste Seite), inklusive der Läsion. Zusätzlich erstellt sie ein biophysiologisches Modell des Organs, in dem der Blutfluss sowie die Leberfunktion zu sehen sind. Dies gibt Ärzten mehr Wissen an die Hand, um Leberkrebspatienten präziser zu behandeln.


  1. MedTech-Präzision dank digitalem Zwilling
  2. Von der Simulation von Organen zur Therapieplanung
  3. Auf dem Weg zur personalisierten Therapie

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