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Mehr Platz für Embedded MedTech

21. November 2022, 10:42 Uhr | Christian Prochatschek, Systemingenieur bei Systemtechnik Leber
© istock

Hersteller von medizintechnischen Geräten müssen nicht nur immer strengere Anforderungen erfüllen, sondern auch immer mehr Platz schaffen. Nicht zuletzt die fortschreitende Digitalisierung forderte die Integration immer neuer Bauteile ins Gerät. Eine Herausforderung – die aber zu meistern ist.

Viele Hersteller medizinischer Geräte überarbeiten aktuell ihr Produktportfolio: neue Geräte werden entwickelt, alte aus dem Programm genommen oder aber aktualisiert. Hintergrund ist zum einen die normativ getriebene Forderung nach maximaler Usability für das medizinische Personal und Patienten sowie zunehmende Konnektivität. Zum anderen dürfen nach MDD (Medical Device Directive) zugelassene Geräte ab 2024 nicht mehr vertrieben werden, da die alte Richtlinie durch die neue Medical Device Regulation (MDR) ersetzt wird. Hersteller haben nun die Wahl, die Altgeräte neu zuzulassen oder aber gleich ein besseres Folgeprodukt zu entwickeln. Eines, bei denen Benutzerfreundlichkeit und digitale Anforderungen von vornherein berücksichtigt werden und welches möglichst viele neue Features und Technologien integriert.

In einer derart komplexen und groß dimensionierten Medizintechnik gelangt die Stromversorgung in Form von herkömmlichen Netzteilen jedoch häufig an ihre Grenzen. Gefragt sind individuelle und an den Einzelfall angepasste Power-Supply-Lösungen. Die Systemnetzteile können einem medizinischen Gerät – obwohl es nur an eine einzige Steckdose angeschlossen ist – separat schaltbare Niederspannungsausgänge für eine Vielzahl verschiedener Verbraucher bzw. angeschlossener Geräte wie Kameras, Monitore, Pumpen, Touchdisplays, Kühler etc. bieten.

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Praxiserfolg: Aus zwei mach eins

Ein Referenzbeispiel des Elektronikentwicklers Systemtechnik Leber beschreibt die aktuellen Herausforderungen: Ein Medizingerätehersteller wollte die Funktionen von zwei bisher autark nebeneinander eingesetzten Geräten in einem einzigen neuen Design zusammenlegen. Dieses Ziel machte jedoch das Vorhandensein von Niederspannungsausgängen für insgesamt zwanzig verschiedene Verbraucher erforderlich. Die Crux: diese wurden bisher von zwei separaten Steckdosen gespeist und zwanzig Komponenten verbrauchen mehr Leistung als eine einzige Steckdose bieten kann – doch genau dies war das Ziel für die neue Energieversorgung.

Agile Systementwicklung

Der erste Entwurf des Lastenhefts des Medizingeräteherstellers umfasste unter anderem eine Aufzählung der Anforderungen an die neue Stromversorgung. Darunter auch, welche Lasten an welchen Ausgängen bereitgestellt werden sollten. Die finale, komplett belastbare Spezifikation wurde anschließend gemeinsam zwischen dem Kunden und dem Entwicklungsbüro erarbeitet. Auf diese Weise konnten Ideen für das neue Produkt flexibel eingeplant und ebenso wieder verworfen werden. So waren anfangs beispielsweise die Größe des Bauraums oder die Lage des Kühlkörpers, der Komponentenstecker oder Bohrungen für die Befestigung im Gesamtsystem noch nicht fest definiert. Erst in mehreren Iterationen wurden sämtliche Anforderungen final zusammen festgelegt und mit der Entwicklung eines A-Musters begonnen.

Die Entwicklung des ersten Prototyps fand in Iterationen statt. So standen z. B. sieben COTS-Netzteile verschiedener Hersteller zur Auswahl, die das Entwicklerteam nach wirtschaftlichen, technischen und mechanischen Aspekten bewertete. Die Netzteilauswahl erfolgte in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber, der finale Konzeptentscheid fiel im Rahmen eines gemeinsamen Workshops.

Die Basis für das neu zu entwickelnde Systemnetzteil stand: Als nächster Schritt wurden in einem Gehäuse mehrere Basis-Schaltnetzteile verbaut, eine intelligente Steuerung macht jeden Ausgang einzeln ansteuerbar. Als Ergebnis entstand eine maßgeschneiderte Netzteilbaugruppe; kompakt, montagefreundlich und auch noch in 3.000 Metern Höhe funktionsbereit. Der erste Prototyp wurde innerhalb von neun Monaten entwickelt und gefertigt sowie anschließend beim Medizintechnik-Kunden intensiv getestet und evaluiert.

Der tatsächlichen Umsetzung des Prototyps gingen zahlreiche CAD-Simulationen voraus. Verschiedenste Mechanikmodelle wurden durchgespielt, das Gehäusedesign entworfen und auch einzelne Schaltungsteile simuliert. Der Kunde integrierte das fertige CAD-Modell wiederum in sein Gesamtmodell, um zu überprüfen, ob es Kollisionen gibt und alle Befestigungspunkte passen.

Kostengünstig zum Prototypen

Erst nachdem ein Modell, das allen Anforderungen entsprach, vollständig und final im CAD-System abgebildet worden war, fiel der Startschuss für die Umsetzung eines ersten Prototyps. Dieser wurde nach Fertigstellung inhouse beim Elektronikentwickler als auch beim Kunden in das Gesamtsystem integriert und intensiv getestet.
 
So unterstützte das neue Systemnetzteil auch die Evaluierung des kompletten Prototyps für das neue Medizingerät. Die Ergebnisse wurden anschließend im Rahmen eines Proof-of-Concept dem im Ausland sitzenden Mutterkonzern vorgestellt. Mit positivem Ergebnis: die Entwicklung des zweiten Prototyps (B-Muster) ist zu Beginn dieses Jahres gestartet.

Systemnetzteil auf Maß

Das maßgeschneiderte Systemnetzteil hat entscheidend zu diesem noch dazu beschleunigten Entwicklungserfolg beigetragen – mit einem Standardnetzteil wäre die Umsetzung des 2-in-1-Geräts mit seiner Vielzahl von Ausgängen zur Stromversorgung unterschiedlichster Verbraucher nicht machbar gewesen.


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