Fahrerlose Transportfahrzeuge

Schwester Robota ist unterwegs

15. Juni 2022, 13:11 Uhr | Jana Strauß, ebm-papst - Redaktion: Ute Häußler
Bild 1: Fahrerlose Transportsysteme im Gesundheitssektor müssen leichte, empfindliche und sicherheitsrelevante Waren ebenso sicher transportieren wie tonnenschwere Medizingeräte.
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Fahrerlose Transportfahrzeuge (FTF) erobern den Gesundheitsbereich. Kompakte Antriebe sind der Schlüssel zu medizintechnischer Mobilität.

Leuchtende Augen, leicht rundlicher Körperbau und strahlend weiße Haut – die neue Stationsmitarbeiterin Pepper begrüßt Patienten, gibt Informationen oder macht Erinnerungsübungen mit ihren Schützlingen. Sie lässt sich sogar bereitwillig umarmen. Nur leicht kühl ist ihre Haut, dann Pepper ist kein Mensch sondern ein humanoider Roboter.

Neben diesen Roboter-Mitarbeitenden für leichte Tätigkeiten kommen im Gesundheitswesen derzeit vor allem automatisiert fahrende Transportgeräte für die Entlastung des Menschen zum Einsatz: Hygieneartikel, Wäsche, Hausmüll, Medikamente, Mahlzeiten oder sogar Röntgensysteme können so in und zwischen Klinik, Pflege und Labor das Personal entlasten - inzwischen für schwere Geräte und Lasten.

ArgoDrive – ein kompaktes und einfach integrierbares Antriebssystem für unterschiedlichste fahrerlose Transportsysteme
Bild 2: ArgoDrive – ein kompaktes und einfach integrierbares Antriebssystem für unter-schiedlichste fahrerlose Transportsysteme
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Die Healthcare-Szenarien für fahrerlose Transportfahrzeuge sind vielschichtig (Bild 1). Leichte, empfindliche und zerbrechliche Waren müssen ebenso transportiert werden wie tonnenschwere Medizingeräte. FTF-Hersteller benötigen daher differenzierte Antriebssysteme. Mit ArgoDrive (Bild 2) hat der Ventilatoren- und Antriebsspezialist ebm-papst ein kompaktes und einfach integrierbares Fahr-Lenk-System inklusive Rad entwickelt, welches in diesem Artikel als Referenz dient.

In den Ausführungen Light, Standard und Heavy werden die Traglasten von 100 kg, 300 kg bzw. 500 kg abgedeckt
Bild 3: In den Ausführungen Light, Standard und Heavy werden die Traglasten von 100 kg, 300 kg bzw. 500 kg abgedeckt.
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Seine Produktvarianten können Lasten bis 100 kg, 300 kg bzw. 500 kg pro Antriebsachse bewegen (Bild 3). In der maximalen Ausbaustufe mit vier Fahr-Lenk-Systemen ist dann eine Traglast von zwei Tonnen problemlos möglich, das heißt selbst tonnenschwere Röntgensysteme wie ein Computertomograph lassen sich problemlos bewegen

Klein, stark & integriert

Die Einbaumaße sowie die elektrischen, mechanischen und steuerungstechnischen Schnittstellen sind bei allen drei Varianten identisch, nur der Raddurchmesser (80 mm, 100 mm, 145 mm) und damit die Bodenfreiheit unterscheiden sich. Durch die kompakten horizontalen Abmessungen des ArgoDrives von 250 mm x 170 mm stehen FTF-Herstellern genügend Bauraum für die Unterbringung weiterer Bauteile wie der Steuerung, Safety-Modulen oder Akkus zur Verfügung. Dadurch lässt sich eine geringe Bauhöhe des FTF realisieren, was für Warenübergabestationen oder den Aufbau mobiler Robotik wichtig ist. Der ArgoDrive ist ein Antriebssystem in Schutzkleinspannung mit 48 V (DC). Die Dokumentation bleibt überschaubar und das Gerät kann vereinfacht in Betrieb genommen werden. Außerdem kann die Batteriespannung ohne Spannungshochsteller und/oder Wechselrichter direkt genutzt werden. Die in den Antrieben integrierte künstliche Intelligenz ermöglicht je nach Ausführung auch Condition Monitoring und Predictive Maintenance

Aus dem Stand mobil

Die Antriebseinheit besteht grundsätzlich aus zwei Motoren, Getriebe, Sensorik und allen erforderlichen Anschlusssteckern. Die zwei Motoren tragen durch das Überlagerungsgetriebe je nach Anforderung zum Lenken, Beschleunigen, Fahren oder Bremsen bei. Der unendliche Lenkwinkel ermöglicht die Flächenbeweglichkeit des Fahrzeugs – auch aus dem Stand (Bild 4).

Schon die Verwendung von zwei Fahr-Lenk-Systemen, verteilt montiert an der linken und der rechten Seite eines FTS, garantieren bereits die omnidirektionale Bewegungsfreiheit und ein enges Rangieren z. B. beim Ausweichen
Bild 4: Schon die Verwendung von zwei Fahr-Lenk-Systemen, verteilt montiert an der linken und der rechten Seite eines FTS, garantieren bereits die omnidirektionale Bewegungsfreiheit und ein enges Rangieren z. B. beim Ausweichen.
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Schon die Verwendung von zwei Fahr-Lenk-Systemen, diagonal verteilt montiert an der linken und der rechten Seite eines FTF, garantieren bereits die omnidirektionale Bewegungsfreiheit und ein enges Rangieren z. B. beim Ausweichen. Zwei zusätzliche frei bewegliche Stützräder an Vorder- und Rückseite sorgen für die notwendige Lastaufnahme und Stabilität des FTF. Je nach Größe des fahrerlosen Transportsystems und dem zu bewegenden Gewicht lassen sich auch drei oder vier Fahr-Lenk-Systeme verbauen. Mit dem ArgoDrive ausgestattete Transporter können große Lasten selbst bei Steigungen von bis zu zehn Prozent bei voller Funktionalität bewegen. In weiteren Anwendungen kann auch der Einsatz einer einzelnen Antriebseinheit, z. B. als Rangierhilfe von Krankenhausbetten, sinnvoll sein.

Einsatz ohne Pause

Fahrerlose Transportfahrzeuge in der Medizintechnik müssen zuverlässig funktionieren. Außerplanmäßige Stillstandzeiten reduzieren die Verfügbarkeit ebenso wie eine häufige Wartung. Die Antriebe sind daher auf Zuverlässigkeit über die komplette Lebensdauer ausgelegt. Sollte nach langer Betriebsdauer der Radbelag abgefahren sein, ist ein einfacher Reifenwechsel ohne Ausbau der Antriebseinheit möglich.

Kabel und Stecker des Fahr-Lenk- Systems werden fest im Fahrzeug verbaut und bewährte Industriestecker sorgen für eine sichere Verbindung zur Steuerung
Bild 5: Kabel und Stecker des Fahr-Lenk- Systems werden fest im Fahrzeug verbaut und bewährte Industriestecker sorgen für eine sichere Verbindung zur Steuerung.
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An den geschlossenen Rädern setzt sich nichts fest, die glatten Radoberflächen lassen sich einfach reinigen oder desinfizieren. Kontaktfehler an den elektrischen Schnittstellen der Antriebssysteme sind ebenfalls keine Gefahr, weil die notwendigen Kabel und Stecker des Fahr-Lenk-Systems fest im Fahrzeug verbaut werden und bewährte Industriestecker für eine sichere Verbindung zur Steuerung sorgen (Bild 5). Im Falle eines Defekts kann die komplette Einheit mit wenigen Handgriffen schnell ausgetauscht werden.

Bitte nicht schubsen

 Noch wichtiger als der zuverlässige Betrieb ist bei fahrerlosen Transportsystemen die Sicherheit und der Schutz von Personen. Das FTF muss, wenn ihm jemand zu nahe kommt, sofort eine Notbremsung einleiten. Für die Überwachung dieses Schutzfeldes sorgen Sicherheitssensoren, welche kontinuierlich die Umgebung scannen. Bei einer Verletzung des Sicherheitsabstands muss das Antriebssystem den Befehl eines sicheren Stopps zuverlässig ausführen. Dafür ist vor allem eine hohe Bremsleistung der Antriebe nötig. Der ArgoDrive erlaubt unter Nutzung der elektromotorischen Bremsen eine Verzögerung mit bis zu 2,5 m/s2, ebenso ist mit der zusätzlich integrierten Bremse eine sofortige Notbremsung möglich. Auch bei einem Ausfall der Stromversorgung geht die Antriebseinheit in einen sicheren Halt, um unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden.

Der Antrieb unterstützt alle typischen und notwendigen Safety-Anforderungen. Das einzelne Fahr-Lenk-System wird über zwei externe Regler angesteuert, auch die Signale für den Lenkwinkel sind redundant ausgelegt und die Position jederzeit abfragbar. Die in den Reglern integrierte STO-Funktion (Safe Torque Off) sorgt für ein sicheres Halten im Notfall. Hersteller können weitere Kollisionsschutzmaßnahmen unkompliziert realisieren, der Zulieferer ebm-papst steht für Safety-Fragen dabei beratend zur Seite. Für die Kommunikation mit übergeordneten Systemen stehen je nach externem Regler des fahrerlosen Transportfahrzeugs CANopen, EtherCAT oder Profinet als Schnittstellenprotokolle zur Verfügung.

Ob als humanoider Roboter oder Transportwagen im Krankenhaus, der pharmazeutischen Fertigung, in der Reha oder auch zur krankheitsbedingten Hilfe zuhause – der ArgoDrive ist ein starker und flexibler Antrieb für fahrerlose Transportfahrzeuge, der beweglich und kompakt zugleich ist.


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