Nutzen statt besitzen

Subscription-Modelle in der Medizintechnik

29. Mai 2020, 13:00 Uhr | Philippe Van Hove
Im Bereich elektrischer Zahnbürsten entwickelt beispielsweise Philips neue Geschäftsmodelle, bei denen etwa die Aufsätze im Abonnement vertrieben und mit zusätzlichen Services kombiniert werden.
© Philips

Dank Subscription Economy ergeben sich für die Hersteller medizintechnischer Geräte neue Umsatzmöglichkeiten.

Wir leben in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft und das führt in allen Lebensbereichen aktuell zu großen Veränderungen. Vor allem die Kommunikation hat sich in den vergangenen Jahren deutlich gewandelt. Durch die ständige Vernetzung in allen Lebensbereichen – etwa die intensive Nutzung der sozialen Medien – ändert sich auch das Konsumverhalten der Verbraucher. Statt dem Besitz eines bestimmten Produkts steht die Nutzung im Vordergrund. Ein typisches Beispiel sind die Streaming-Dienste. Kunden kaufen Inhalte wie Filme oder Musik heute nicht mehr, sondern nutzen sie einfach bei Bedarf. 

Neben Konsumenten stehen auch Unternehmen, die bisher eher ein traditionelles Geschäftsmodell verfolgen, vor großen Herausforderungen. Das klassische Geschäftsmodell, bei dem Produkte entwickelt und dann möglichst oft verkauft werden, steht immer mehr unter Druck. Stattdessen sind flexible nutzungsbasierte Angebote, mit denen die Kunden zielgenau ihre Bedürfnisse erfüllen können, auf dem Vormarsch. 

Im Software-Bereich etwa ist das Modell Software-as-a-Service (SaaS) bereits seit einigen Jahren der Standard. Die Flexibilisierung des Angebots ist einer der größten Vorteile der neuen Geschäftsmodelle – sowohl für den Kunden als auch für den Anbieter. Der Kunde erhält genau die Leistung, die er haben möchte. Aber auch für die anbietenden Unternehmen haben diese neuen Geschäftsmodelle viele Vorteile. Auf Basis der Nutzerdaten können sie genau verfolgen, welche Services von den Kunden wie gut angenommen werden. Genaue Auswertungen dieser Daten helfen mit, das Angebot stetig weiter zu verbessern und stärken gleichzeitig die Kundenbindung. Subscription Economy lautet das Buzz-Word. Darunter werden alle Geschäftsmodelle subsummiert, bei denen die Monetarisierung über digitale Zusatz-Services, flexible Abonnement-Modelle oder Pay per Use erfolgt.

Neue Geschäftsmodelle in der Medizintechnik

Bei den oben genannten Beispielen ist die Transformation in Richtung Subscription Economy vergleichsweise einfach, denn es handelt sich ja schon um digitale Inhalte. Wie sieht es aber mit traditionellen produzierenden Unternehmen aus, die physische Produkte herstellen. Dass neue Geschäftsmodelle auch in traditionell produktorientierten Branchen die Zukunft sein werden, zeigt ein Blick auf die Automobilindustrie. Dem Kunden ist es zunehmend weniger wichtig, ein bestimmtes Auto zu besitzen. Vielmehr möchte er komfortabel von A nach B gelangen. Folgerichtig erleben Carsharing-Dienste und Fahrdienstanbieter aktuell einen Boom. Wie ernst auch die Automobilhersteller die Entwicklung nehmen, zeigt sich unter anderem daran, dass BMW und Daimler in diesem Jahr ihre Carsharing-Dienste fusioniert haben.

In fast jedem Unternehmen wurden in den letzten Jahren Programme zur digitalen Transformation ins Leben gerufen. Das Internet of Things, Künstliche Intelligenz, Cloudlösungen und Blockchain sind die wesentlichen technologischen Treiber, von denen Unternehmen in Zukunft profitieren wollen. Dass Daten eine wichtige Ressource in der digitalisierten Geschäftswelt sind, ist allen Beteiligten klar. 

Das Produkt wird zum Organismus

Doch welche Geschäftsmodelle sind geeignet, diese Daten auch in profitablen Umsatz zu verwandeln? Das Medizintechnik-Unternehmen Philips hat hier schon erste interessante Modelle zur Marktreife gebracht. Als einer der größten Anbieter in der Medizintechnik entwickelt und vertreibt Philips bereits seit 128 Jahren Produkte für das Gesundheitswesen. Vor etwa fünf Jahren hat sich das Unternehmen vom Geschäftsbereich Beleuchtung getrennt und sich komplett auf Medizintechnik konzentriert. 

Gleichzeitig wurde beschlossen, das Geschäftsmodell viel stärker auf eine reine Kundenzentrierung auszurichten. »Die Idee bei der Neuausrichtung war es«, erklärt Gil Adato, Vice President Digital Health bei Philips. »Unsere Einblicke sowohl auf Seiten der Patienten als auch auf Seiten der Mediziner dafür zu nutzen, integrierte und auf die Nutzer fokussierte Lösungen anzubieten.« Diese Lösungen bietet Philips für die beiden wesentlichen Kundengruppen an: Patienten und Einrichtungen des Gesundheitswesens. »Wie die meisten produktorientierten Unternehmen haben wir in der Vergangenheit ein bestimmtes Produkt auf den Markt gebracht und dann einige Jahre auf den Launch des Nachfolgemodells gewartet«, so Adato. In der Subscription Economy sei dieser Produkt-Zyklus deutlich verkürzt – »man betrachtet das Produkt vielmehr als einen Organismus, der sich ständig verändert.«

Ein klassisches Produktgeschäft, das sich traditionell direkt an die Endkunden richtet, ist beispielsweise der Bereich Oral Healthcare mit den elektrischen Zahnbürsten. Hier hat der Hersteller bereits ein Abonnement-Modell eingeführt, bei dem Kunde regelmäßig aller drei Monate einen neuen Bürstenaufsatz zugeschickt bekommt. »In der Zukunft können wir gegebenenfalls ein komplettes Oral Care Programm anbieten, das neben dem Austausch der Bürstenaufsätze auch Untersuchungen beim Zahnarzt inklusive Professioneller Zahnreinigung umfasst«, so Adato abschließend.

Monetarisierungs-Möglichkeiten für OEMs

Mit den neuen Geschäftsmodellen ergeben sich für die Hersteller medizintechnischer Geräte gleichzeitig auch neue Umsatzmöglichkeiten. Hierfür ist aber ein Umdenken innerhalb der Unternehmen notwendig. Statt ein physisches Produkt zu entwickeln und anschließend möglichst häufig zu verkaufen, sollte die Anwendung beim Nutzer im Mittelpunkt stehen. Die Monetarisierung sollte sich deswegen auch an der Nutzung orientieren. Digitalisierung, das Internet of Things und ständige Cloud-Anbindung erlauben es, die Geschäftsmodelle extrem flexibel zu gestalten. Zusatzfunktionen können beispielsweise einzeln abgerechnet werden, und zwar nur wenn der Anwender sie tatsächlich verwendet. Wie bei Software-Lizenzen sind flexible Laufzeiten oder Lizenzen auf Basis der Nutzeranzahl realisierbar. Für den Hersteller haben diese nutzungsbasierten Subscription-Modelle den Vorteil, dass ein stetiger und weitgehend planbarer Umsatz generiert wird. Und auch der Anwender profitiert: Da zumindest ein Teil des Umsatzes über Abonnements oder nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle erfolgt, sind die Investitionen in das Gerät und damit die Kapitalbindung niedriger.

Für den Anbieter der medizintechnischen Geräte bieten die Subscription-Modelle noch weitere Vorteile: Die auf Basis der Nutzung gesammelten Daten lassen sich ideal auswerten – etwa als Grundlage für die weitere Produktentwicklung oder für die Entwicklung verbesserter nutzungsbasierter Angebote. Der Anwender profitiert von der kontinuierlichen Weiterentwicklung, die genau auf seine Bedürfnisse abgestimmt ist. Die Folge ist eine bessere Kundenbindung, die wiederum die wiederkehrenden Umsätze sichert.

Der Autor

Philippe Van Hove ist Area Vice President bei Zuora

Das Unternehmen

Zuora Inc., Redwood City (USA), gehört zu den Vorreitern der Subscription Economy und bietet die derzeit einzige SaaS-Plattform, die alle Abo-Vorgänge automatisiert. Unternehmen jeder Branche können Produkte als Abonnements anbieten, Pay-as-you-go-Preis- und Packagingmodelle implementieren, Einblicke in das Abonnentenverhalten gewinnen und Marktsegmente disruptiv bearbeiten, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Das Unternehmen beliefert weltweit mehr als 1.000 Kunden aus den unterschiedlichsten Branchen, darunter Box, Komatsu, Rogers, Schneider Electric, Toshiba, DAZN, HBO, Husqvarna und Zendesk.

Weitere Informationen finden Sie unter https://de.zuora.com/ 

Anmerkung: Dieser Beitrag stammt aus der medical design 6/2019.


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