Embedded Systeme

Ausgeschnarcht!

25. Juli 2013, 12:15 Uhr | von Mohammed Mousa, Stefan Feldes und Karl-Heinz Krauß
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© Hochschule Mannheim

Gegen Schnarcher gibt es verschiedene erprobte Mittel: Kissen aufs Gesicht drücken, Erwürgen, getrennte Schlafzimmer, Scheidung. Leider bringen diese Therapien mehr oder weniger starke Nebenwirkungen mit sich. Ein weniger störender Ansatz ist mit Hilfe der Embedded-Systemtechnik möglich.

Das Schnarchen (Rhonchopathie) ist die bekannteste Art einer Schlafstörung. Etwa 19% der Bevölkerung schnarchen regelmäßig und zwar ca. 24% der Männer und 14% der Frauen. Dabei nimmt das Schnarchen mit dem Alter zu. Die Altersklasse der 60- bis 65jährigen ist am stärksten betroffen. Außerdem leiden sehr viele Paare unter dem Schnarch-Syndrom des Partners. Insgesamt sind in Deutschland circa 20 Millionen Menschen betroffen. Für die schnarchende Person führt das Schnarchen zu vermehrter Atemtätigkeit und Anstrengung, und es kommt zu unruhigem und nicht erholsamem Schlaf.

Die Folgen sind oft Nervosität, Müdigkeit und auch mitunter Begleitfolgen wie Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen. Das Schnarchen kann eine Lautstärke von bis zu 90 dB(A) erreichen. Zum Vergleich wird ab einer Lautstärke von 40 dB(A) das Schnarchen als unzumutbar kategorisiert. Während des Schlafs entspannen sich nicht nur die Körpermuskulatur, sondern auch die Rachenweichteile (Halszäpfchen und Zunge).

Bild 1: Verengte Atemwege in der Rückenlage
Bild 1: Verengte Atemwege in der Rückenlage
© Hochschule Mannheim

Der in Rot eingekreiste Bereich in Bild 1 zeigt die erschlafften Rachenteile, welche die Atemwege verengen. Diese beginnen insbesondere beim Einatmen zu vibrieren und erzeugen das ratternde Schnarchgeräusch. Sperren die Rachenweichteile den Atemweg, sodass keine Luft mehr fließt und es zu einem vorübergehenden Atemaussetzer kommt, dann spricht man von Schlafapnoe. Begünstigt wird das Schnarchen durch Faktoren wie Beschaffenheit des Rachenraums, Schlafposition (besonders in der Rückenlage), Übergewicht, muskelentspannende Medikamente, Alkohol, Schlaf- und Beruhigungsmittel, Heuschnupfen und Erkältung, Rauchen, oder auch durch die häufigste Ursache, vergrößerte Rachen- und Gaumenmandeln.

Eine entsprechende medizinische Behandlung des Schnarchens erfolgt entweder durch Maßnahmen wie das Einsetzen einer Zahnschiene oder einer Anti-Schnarch-Spange oder durch operative Eingriffe wie die Behandlung einer Nasenatmungsbehinderung, die Entfernung der Gaumen- und Rachenmandeln oder durch Operationen am weichen Gaumen. Für den Privatgebrauch werden auch so genannte »Schnarch-Stopper« angeboten, die in Form einer Armbanduhr realisiert sind. Diese verwenden elektrische Impulse, um die Schlafposition der Schnarcher zu ändern. Die Wirkung der Stopper wurde allerdings bisher nicht durch ausreichende Studien belegt. Ein entscheidender Nachteil der Stopper ist die Erkennung, da diese nicht durch einen Algorithmus realisiert wurde, sondern durch Sensoren, die das Schnarchen nicht ausreichend von anderen Geräuschen unterscheiden können.

Systemkonzept

Bemerkenswert ist, dass viele schnarchende Personen das Schnarchen überhaupt nicht wahrnehmen. Am nächsten Morgen bemerkt man zwar eine Müdigkeit, dass dies aber mit dem Schnarchen zusammenhängt, ist der schnarchenden Person nicht mehr bewusst. Ein wesentliches Ziel des an der Hochschule Mannheim entwickelten »Embedded Schnarchsystems« (Eingebettetes System zur Schnarch-Erkennung und Schnarch-Unterbindung) ist es daher, das Schnarchen während der Nacht zu erkennen und mit seinen Charakteristika und einem Zeitstempel über die Nacht aufzuzeichnen. Am nächsten Morgen lassen sich dann über eine USB-Schnittstelle die aufgezeichneten Daten an einen PC übertragen und dort übersichtlich grafisch visualisieren.

So lässt sich das Schnarchverhalten während der Nacht eindeutig überwachen. Die Körperlage spielt, wie schon zuvor erwähnt, beim Schnarchen auch eine entscheidende Rolle. Liegt die Person in der Rückenlage, so wird das Schnarchen erheblich wahrscheinlicher. Eine mögliche Lösung zur Beseitigung des Problems liegt also in der Veränderung der Schlafposition. Dies kann auf verschiedene Arten und Weisen geschehen. Eine Möglichkeit besteht darin, Vibrationen an einer empfindlichen Körperstelle zu erzeugen, welche die schnarchende Person dann veranlassen, die Schlafposition zu verändern. Auch durch Stromimpulse erzeugtes Kribbeln oder auch ein pneumatisch änderbares Schlafkissen kann einen ähnlichen Effekt erzeugen. Von ärztlicher Seite wird hierbei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Schlafeinwirkungen sich nachteilig auf das Schlafverhalten der schnarchenden Person auswirken können, sodass hier eine Abschätzung von Vor- und Nachteilen für die schnarchende Person und/oder die daneben liegende nicht schnarchende Person erfolgen sollte. Die Hauptaufgaben des Systems sind also das Erkennen, die Erfassung und das Unterbinden des Schnarchens. Es handelt sich somit um ein geschlossenes System, das in Kliniken oder im Schlafzimmer privater Personen seinen Einsatz findet.

Bild 2: Systemkonzept des »Embedded Scnarchsystems«
Bild 2: Systemkonzept des »Embedded Scnarchsystems«
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Eine in zum Beispiel einem Uhrenwecker integrierte Platine analysiert die Außengeräusche in Echtzeit und erkennt das Schnarchen. Sobald dies eindeutig festgestellt ist, werden die Schnarch-Charakteristik und ein Zeitstempel in einem auf der Platine befindlichem Speicher festgehalten.

Bei fortgesetztem Anhalten des Schnarchens kann das System nun über eine Funkstrecke ein Signal senden, das eine von der schnarchenden Person beispielsweise wie eine Armbanduhr am Handgelenk getragene Empfangs-Miniatur-Platine erfasst. Die Armband-Platine kann dann Vibrationen erzeugen, die sich je nach anhaltender Schnarchdauer intensivieren lassen. Wahlweise ist es auch möglich, Hautströme zu erzeugen, die ein Kribbeln auf der Haut hervorrufen. Ziel ist es hierbei, dass die schnarchende Person die Schlafposition ändert und somit mit den Geräuschen aufhört (Bild 2).

Algorithmik zur Erkennung

Dem in Bild 2 dargestellten Aufbau entsprechend wird die Schnarcherkennung rein akustisch durch Auswertung der über ein Mikrofon erfassten Geräusche realisiert. Die automatische Entscheidung, ob es sich um Schnarchen handelt, stellt für die Signalverarbeitung eine Klassifikationsaufgabe dar, für deren Lösung aktuelle algorithmische Ansätze aus dem Bereich des »Maschinellen Lernens« wie beispielsweise Principal Component Analysis, Lineare Diskriminant-Analyse, Neuronale Netze oder Hidden-Markov-Modelle in Frage kommen. Einige dieser Verfahren wurden und werden im Zuge dieses Projekts in studentischen Arbeiten auf Eignung untersucht. Für die Realisierung als kostengünstiges Embedded System sind dabei insbesondere auch die Randbedingungen von verfügbarer Rechenleistung und Speicher zu berücksichtigen.

Ein bezüglich Ressourcenbedarfs vergleichsweise moderater Algorithmus ist die im Bereich der Sprachverarbeitung weitverbreitete LPC-Analyse, die in einem Vorgängerprojekt bereits erfolgreich bei der Erkennung von Babyschreien eingesetzt wurde. Die LPC-Analyse erlaubt die fortlaufende Bestimmung der sich über der Zeit verändernden spektralen Einhüllenden eines Signals. Für Sprachsignale entspricht diese Einhüllende der variablen Übertragungsfunktion des Vokaltrakts, dessen Veränderung in der Bewegung der Artikulatoren (Zunge, Lippen, Kiefer) begründet ist. Aus Signalverarbeitungssicht wird somit eine blinde Systemidentifikation des unbekannten Vokaltraktsystems durchgeführt. Im Ergebnis liefert die LPC-Analyse blockweise Filter-Koeffizienten, die den Vokaltrakt in seiner zeitabhängigen Filterwirkung beschreiben. Als zweites Ergebnis erhält man ein gefiltertes Signal, das stochastisch betrachtet dekorreliert ist. Die dekorrelierende Wirkung konzentriert sich jedoch, der typischen Ordnung der LPC-Analyse entsprechend, auf eine zeitliche Umgebung von circa 1 ms.

Für eine nachfolgende Analyse des Signals auf Periodizitäten in einem längeren zeitlichen Abstand ist diese Veränderung günstig, da so diese Periodizitäten deutlicher hervortreten und deren Schätzung durch eine Korrelationsanalyse in weiterem zeitlichen Abstand robuster wird. Bei Sprache werden derartige Periodizitäten durch das Schwingen der Stimmbänder bei der Artikulation von stimmhaften Lauten wie z.B. Vokalen hervorgerufen. Beim Schnarchen sind dies die periodischen Vibrationen der im Schlaf erschlafften Rachenteile, die ein typisches Merkmal zur Klassifikation darstellen.

Implementierung und Realisierung

Bild 3: Schaltung des »Schnarch-Stoppers«
Bild 3: Schaltung des »Schnarch-Stoppers«
© Hochschule Mannheim

Der auf einem Mikrokontroller implementierte LPC-Algorithmus dient dazu, die Eingangssignale in Echtzeit auf deren Schnarchmerkmale hin zu untersuchen. Die Berechnung des Algorithmus‘ zur Erkennung eines Schnarchsignals wird über ein Zeitfenster von 1,6 Sekunden durchgeführt.

Dies bedeutet, dass in einer kontinuierlichen Zeitfensterung in Abständen von 1,6 Sekunden jedes Mal eine weitere Entscheidung über ein gültiges Schnarchsignal getroffen wird. Liegt das Schnarchsignal vollständig im gesamten 1,6-Aufnahmefenster an, so wird eine erfolgreiche Erkennung sehr wahrscheinlich. Ist dies nicht der Fall, dann untersucht der Algorithmus die vorhandenen Signalanteile und trifft in Abhängigkeit von den Schnarcheigenschaften die Entscheidung, ob es sich um ein Schnarchsignal oder ein anderes fremdes Geräusch handelt.

Der Algorithmus untersucht folgende Größen:

  • Grundfrequenz der Schnarchvibration,
  • Energiegehalt (Lautstärke),
  • Verhältnis von rauschartigen zu periodischen Signalanteilen,
  • Periodizität (Ein-/Ausatemphase),
  • Lage der Maxima der spektralen Einhüllenden.
Bild 4: Schnarcherkennungsplatine
Bild 4: Schnarcherkennungsplatine
© Hochschule Mannheim

 

Beim Test des Erkennungsalgorithmus´ wurden über 900 Schnarchsignale getestet. Hierbei zeigt sich eine Erkennungsrate von über 90%.

Die Schnarcherkennungsplatine (Bilder 3 und 4), die beispielsweise in einen Wecker integriert werden kann, übernimmt folgende Aufgaben:

 

 

  • Vorverarbeitung des Eingangssignals,
  • Analyse des Eingangssignals durch einen implementierten Algorithmus,
  • Interaktion zwischen den Modulen,
  • Sichern der Schnarcheigenschaften sowie eines Zeitstempels im Speicher,
  • Übertragung der gesicherten Daten an einen PC über eine USB-Schnittstelle,
  • Übertragung von Schnarchinformationen an eine Schnarchunterdrückungs-Einheit mittels eines ZigBee-Funksignals.

Schnarcherfassung

Bild 5: Grafische Oberfläche (Schnarchdaten-Reader)
Bild 5: Grafische Oberfläche (Schnarchdaten-Reader)
© Hochschule Mannheim

Jedes erkannte Schnarchsignal bekommt per Software einen Stempel, der in einem Speicher gesichert wird.

Dieser Stempel besteht aus der Uhrzeit, dem Datum, dem durchschnittlichen Energiegehalt in dB und der durchschnittlichen Grundfrequenz in Hz.

Per USB werden diese Informationen dann an eine grafische Oberfläche (Bild 5) übertragen, die diese in Grafiken und Tabellen in einer verständlichen Form darstellt.

Außerdem hat der Anwender folgende Funktionen zur Verfügung:

  • Ein Kalender, der alle Tage markiert darstellt, an denen geschnarcht wurde.
  • Ein Fenster zur Darstellung von Uhrzeit und der durchschnittlichen Lautstärke.
  • Ein Fenster zur Darstellung von Uhrzeit und der durchschnittlichen Grundfrequenz.
  • Ein Fenster, in dem alle Schnarch-informationen tabellarisch aufgelistet sind. Zudem kann die gesamte Tabelle in einer Textdatei gespeichert werden.
  • Ein Fenster, in dem der Anwender empfangene Daten nach dem Anfordern beobachten kann.
  • Bedienbuttons sowie Informationen über den Kommunikationsstatus.

Schnarchunterbindung

Bild 6: Systematischer Aufbau der Schnarchunterbindungsplatine
Bild 6: Systematischer Aufbau der Schnarchunterbindungsplatine
© Hochschule Mannheim

Auf der Schnarchunterbindungsplatine (Bilder 6 und 7) befinden sich neben dem ZigBee-Transceiver ein Vibrationsmotor sowie eine Schaltung zur Erzeugung elektrischer Stromimpulse. Nachdem ein Schnarchen erkannt wurde und die Armbanduhr ein Funkwarnsignal empfangen hat, fängt sie an, mit der Intensität der Stufe 1 zu vibrieren und/oder elektrische Impulse an die Haut abzugeben.

Insgesamt sind vier Intensitätsstufen möglich. Ein Algorithmus schaltet die entsprechende Stufe je nach Schnarchdauer ein. Durch diese Maßnahmen soll der Schnarcher zu einem Positionswechsel bewegt werden, ohne dabei aufzuwachen. Da die Atemwege beim Schlafen in der Seitenlage besser geöffnet sind, werden diese Maßnahmen solange eingesetzt, bis das Schnarchen aufhört.

 

Bild 7: Schnarchunterbindungsplatine
Bild 7: Schnarchunterbindungsplatine
© Hochschule Mannheim

Die Schnarchunterbindungsplatine, die beispielsweise in Form einer Armbanduhr am Körper getragen werden kann, empfängt die Schnarchinformationen per Funk, wertet die bereits erfolgte Schnarchdauer aus und steuert die Intensität eines Vibrationsmotors und/oder stimulierender elektrischer Impulse entsprechend der Schnarchdauer. Durch die hohe Schnarch-Erkennungsrate ist ein Embedded System geschaffen worden, das sich sowohl in Kliniken und Schlaflaboren als eigenständiges Schnarch-Protokollierungsgerät wie auch im privaten Bereich als integraler Bestandteil in zum Beispiel einer Weckeinrichtung eignet. Für Paare kann die Schnarch-unterbindungs-Einheit nützlich sein, insbesondere dann, wenn die nicht schnarchende Person in ihrem Schlafverhalten durch die schnarchende Person beeinträchtigt wird.

Über die Autoren:

Prof. Dipl.-Ing. Karl-Heinz Krauss war bis August 2012 Leiter des Instituts für Embedded Systems, Prof. Dr.-Ing. Stefan Feldes ist Leiter des Instituts für Digitale Signalverarbeitung und M. Sc. Dipl.-Ing. Mohammed Mousa ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Embedded Systems, alle an der Hochschule Mannheim.


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