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Tiefe Hirnstimulation (THS)

11. Dezember 2018, 10:00 Uhr | Melanie Ehrhardt
Rekonstruktion von Tiefen Hirnstimulationseleketroden.
© Andreashorn. Lizenz: CC BY-SA 4.0*

Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist eine chirurgische Behandlung, mit der unter anderem Symptome von Morbus Parkinson gelindert werden können. Was sich genau dahinter verbirgt, wie sie funktioniert und welche Risiken damit verbunden sind, zeigen wir Ihnen in unserem Basic.

Die Tiefe Hirnstimulation (THS; englisch DBS Deep Brain Stimulation) ist ein grundsätzlich reversibler, neurochirurgischer Eingriff in das Gehirn, der für die Behandlung von bestimmten neurologischen Erkrankungen wie zum Beispiel der Parkinsonerkrankung weltweit zugelassen ist. Umgangssprachlich ist auch der Begriff Hirnschrittmacher geläufig, der erstmals Anfang der 70er Jahre von dem spanischen Wissenschaftler José Delgado geprägt worden ist und die technologische Verwandtschaft mit dem Herzschrittmacher betont.

Kurz erklärt

Morbus Parkinson ist eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung, bei der unter anderem Zellen in der sogenannten schwarzen Substanz (Substantia nigra) im Gehirn absterben. Diese Zellen produzieren den Botenstoff Dopamin, der zum Beispiel für die Steuerung der Motorik wichtig ist. Fehlt Dopamin, treten die typischen motorischen Symptome auf wie Verlangsamung der Bewegungsgeschwindigkeit, kleinschrittiger Gang, Sprachstörungen, Zittern und Steifigkeit in Armen und Beinen.

Bei Bewegungsstörungen wie der Parkinsonkrankheit wird die sogenannte Tiefe Hirnstimulation (engl. Deep Brain Stimulation) schon länger eingesetzt, wenn Medikamente nicht mehr wirken. Sie beruht auf der Erkenntnis, dass die Stimulation bestimmter Gehirnareale zu einer Verbesserung der Symptome führen kann. Das Schrittmachersystem besteht im Wesentlichen aus drei Komponenten, den Elektroden, der Verlängerung und dem Neurostimulator (Schrittmacher). Über die Hirnelektroden werden kontinuierlich schwache elektrische Impulse an genau definierte Netzwerke des Gehirns abgegeben.  Der Neurostimulator, ähnlich einem Herzschrittmacher, wird im Bereich der Brust oder des Oberbauchs unter der Haut implantiert. Mithilfe eines Programmiergeräts können die Einstellungen des Neurostimulators von außerhalb des Körpers überprüft und angepasst werden. Anders als ein operatives Ausschalten fehlfunktionierender Hirnregionen ist die Stimulation reversibel.

 


Nachgehackt: 5 Fragen an …

Dr. Ralph Lehrke, Chefarzt an der St. Barbara Klinik in Hamm

Für welche Parkinson-Patienten eignet sich die tiefe Hirnstimulation?
Mit der tiefen Hirnstimulation helfen wir besonders den Patienten, die unter Wirkungsschwankungen der Medikamente leiden. Bei denen bessern sich zwar  Bewegung und Zittern direkt nach der Medikamenteneingabe  kurzeitig setzen aber mit nachlassender Medikamentenwirkung wieder ein. Um die Therapie anzuwenden, muss Parkinson als Ursache klar diagnostiziert sein, bei Patienten über 70 Jahren ist der Allgemeinzustand ausschlaggebend, ob sie für eine Operation noch in Frage kommen.

Wie sieht die Operation aus?
Der Eingriff erfolgt in einer Wach-OP, so erhalten wir direkt Rückmeldung, ob der stimulierte Bereich gezielt genug gewählt und der Patient eine Linderung der Symptome erfährt. Nur durch eine präzise Platzierung stimulieren wir genau die Bereich, die für die Bewegungssteuerung zuständig sind. Der Neurostimulator wird im Brust- oder Bauchbereich unter die Haut in Vollnarkose implantiert.

Welche Veränderungen können Patienten erwarten?
Mithilfe der tiefen Hirnstimulation können wir die typischen Symptome wie Bewegungs-, Gleichgewichtsstörungen, Tremor und das starke Zittern regulieren. Die Stimme kann beim Sprechen wieder deutlicher werden, Gesichtszüge lassen sich wieder emotionaler steuern und das Schriftbild kann sich bessern. Anders als bei einer medikamentösen Behandlung gibt es mit dem DBS-System keine Schwankungen in der Wirksamkeit der Behandlung, so dass im Idealfall eine dauerhafte Bewegungsfähigkeit über 24 Stunden besteht.

Ab wann treten diese ein?
Im Fall eines starken Zitterns oder ausgeprägter Steifigkeit bemerken Patienten die Veränderung in der Regel direkt, schön während der Implantation. Ebenfalls stellen Patienten direkt eine positive Veränderung des Schlafes fest, da der Körper schon nach dem Eingriff in der Nacht entspannter liegt.

Muss der Neurostimulator irgendwann ausgetauscht werden?
Ja, nach rund drei bis fünf Jahren muss ein Austausch erfolgen, der jedoch sehr unkompliziert ist. Bis zu diesem Zeitpunkt können wir das Implantat mithilfe von Software-Updates stetig aktualisieren. So können Patienten auch ohne Austausch von neuen Entwicklungen profitieren, wie zum Beispiel dem MRT-Modus. Das Update lässt sich ohne operativen Eingriff übertragen.


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*Bild: Andreashorn. Lizenz Lizenz: CC BY-SA 4.0

Infografik Parkinson & DBS

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