Übersicht: Medizinische Netzteile

Patienten-Power

30. Juni 2016, 10:59 Uhr | Von Marcel Consée
© inpotron Schaltnetzteile

Trotz zunehmend anspruchsvollerer Vorgaben durch Zertifizierungsstellen entdecken mehr und mehr Hersteller von Stromversorgungen den Medizinbereich für sich. Die besonderen Anforderungen dieses Marktes bieten sowohl hochvolumigen Anbietern als auch Produzenten kundenspezifischer Lösungen Spielraum.

Auf den kundenspezifischen Anwendungsfall schneidert die Firma Inpotron Schaltnetzteile zu. Besonderes großes Augenmerk legt der Hersteller auf Beratung und Anwendung zu Zulassungs- und EMV-Anforderungen wie auch auf Besonderheiten der Risikobewertung. Dabei finden moderne CAD-Arbeitsplätze, eigene Simulations- und Berechnungssoftware, ein hoher Automatisierungsgrad, Barcode-Kontrolle der Maschinenbestückung und eigene Fertigungsprüftechnik Anwendung.

Ein eigener EMV-Messraum sowie eine eigene Klimakammer ermöglichen es dem Unternehmen, auch anspruchsvollere Vorgaben in hochwertige, langlebige Netzteile umzusetzen. Eine gewisse Zuverlässigkeit erreichen die Stromversorgungen schon mit einem durchgängigen CAQ-unterstützten Qualitätssicherungssystem. Dieses überwacht alle Produkte permanent vom Wareneingang bis zur Auslieferung.

»Wir planen und realisieren jede Stromversorgungsbaugruppe individuell und genau nach den Anforderungen unserer Kunden«, sagt Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter von Inpotron. »Dabei sind intensive Beratungen und die gemeinsame Suche nach optimalen Lösungen Grundlage für eine langfristige, partnerschaftliche Geschäftsbeziehung.«

Als Spezialist für die Konzeption, Entwicklung und Produktion kostenoptimierter, kundenspezifischer Lösungen liefert Inpotron keine Standardprodukte. In der gemeinsamen Konzeption mit dem Kunden bringt das Unternehmen seine Erfahrung ein, wobei verschiedene Checklisten für bekannte Probleme bereitstehen.

Was fordert die Norm?

Grundlage für medizinische Elektrogeräte ist die Norm EN 60601-1. Sie definiert allgemeine Anforderungen für die Basissicherheit und die wesentlichen Leistungsmerkmale von elektrischen Systemen mit einem Anschluss an ein Versorgungsnetz, die gemäß den Herstellerangaben zur Diagnose, Behandlung oder Überwachung von Patienten bestimmt sind. Diese Norm gilt nur für Geräte und Systeme, die in direktem körperlichen oder elektrischen Kontakt zum Patienten stehen. Demzufolge ist sie nicht auf reine Softwareprodukte anwendbar, die ohne Hardware (z. B. die Computer, auf denen sie betrieben werden), in Verkehr gebracht werden. Diese Norm gilt auch nicht für In-vitro-Diagnosegeräte oder implantierbare Teile von aktiven implantierbaren medizinischen Geräten.

Zur Familie der EN 60601-1 gehören noch rund zehn »Kollateralstandards« (EN 60601-1-x) und rund 60 »Partikulärstandards« (EN 60601-2-y). Von einem speziellen Medizinprodukt sind die allgemeinen Anforderungen der EN 60601-1 sowie die speziellen Anforderungen der anwendbaren Kollateral- und Partikulärstandards einzuhalten.

Die Kollateralstandards legen Anforderungen an einzelne Produktklassen fest, etwa EN 60601-1-3, welche Anforderungen an den Strahlenschutz in der radiologischen Diagnostik definiert. Die Partikulärstandards hingegen legen Anforderungen für einzelne Produkte fest, z. B. EN 60601-2-33 für Geräte der Magnetresonanztomographie oder EN 60601-2-45 für Mammographiegeräte.

Den Partikulärstandards kommt besondere Bedeutung zu. Da sie einzelne Anforderungen der Kollateralstandards und des Basisstandards aufheben, verändern oder ergänzen können, bestimmt ihr Inhalt die einzuhaltenden Anforderungen für ein Medizinprodukt. Dabei ist unbedingt zu beachten, dass sich die auf ein Medizinprodukt angewendeten Kollateral- und Partikulärstandards auf dieselbe Ausgabe des Basisstandards beziehen müssen. Der Bezug eines Standards auf die dritte Ausgabe ist daran zu erkennen, dass die Worte »Basissicherheit« und »wesentliche Leistungsmerkmale« im Titel enthalten sind.

Bei der dritten Ausgabe der Norm aus dem Jahr 2006 handelt es sich um eine komplette Überarbeitung der zweiten Ausgabe aus dem Jahr 1988. Mit der Herausgabe der dritten Ausgabe wurde die Bedeutung des Risikomanagements erheblich gestärkt. Risikomanagement gemäß ISO 14971 ist nun ein wesentlicher Bestandteil des Sicherheitskonzeptes von Medizingeräten. Außerdem wurden die Inhalte von EN 60601-1-1 und EN 60601-1-4 in die EN 60601-1 übernommen.

Die dritte Ausgabe legt vermehrt Augenmerk auf die Sicherheit von Patienten einerseits und medizinischem Personal als Anwender elektrischer und elektronischer Geräte andererseits. Sie enthält detaillierte und komplexe Anforderungen an die elektrische Sicherheit durch Isolierungen, Luft- und Kriechstrecken, Komponenten und Erdungen. Die Norm fordert, dass medizinisches Equipment, das in Kontakt mit Patienten kommen kann, mit zwei voneinander unabhängigen Sicherheitsvorkehrungen (MOP, Means of Protection) ausgestattet ist, sodass die elektrische Sicherheit auch beim Ausfall einer der Vorkehrungen weiter gewährleistet ist. Diese Isolationsstufen sind als Anforderungen an die Isolierung des Geräts zum Schutz des Anwenders (MOOP, Means of Operator Protection) oder des Patienten (MOPP, Means of Patient Protection) definiert. Aufgrund der erhöhten Risiken für Patienten beim Kontakt mit elektrischem oder elektronischem Equipment sind an MOPP zum Schutz von Patienten höhere Anforderungen zu stellen als an MOOP zum Schutz des Anwenders. Die 2017 kommende 4. Ausgabe wird die Anforderungen vor allem um verschärfte EMV-Richtlinien verstärken.

Manchmal muss es mehr sein

Bild 1: Medizinisches Netzteil der Serie (M)WLP120
Bild 1: Medizinisches Netzteil der Serie (M)WLP120
© EOS Power

Die vergleichsweise kleinen medizinischen Netzteile der (M)WLP-Serie (Bild 1) von EOS Power sind auf Sicherheit und Präzision ausgelegt. Gefertigt werden sie in mittleren bis hohen Stückzahlen. Mit einer neuen, weitgehend automatisierten Linie hat der Hersteller die Produktionskapazität auf 10.500 Teile pro Schicht erhöht. Dabei kommt die SMT-Bestückungsanlage ¬»XPF-L« von Fuji zum Einsatz. Diese ist in der Lage, den Bestückungs- und Beleimungskopf während des Prozesses auszutauschen, was dem High-Mix-Betrieb zugute kommt.

Bild 2: Wellenlöten von Leiterplatten für Stromversorgungen
Bild 2: Wellenlöten von Leiterplatten für Stromversorgungen
© EOS Power

Ein neuer »EMST«-Wellenlöter (Bild 2) beschleunigt die Produktion. Modernste Überwachungsgeräte aus den USA, Japan und Korea beobachten ständig den Produktionsprozess. Sämtliche Lötprozesse sind bleifrei und rückflussoptimiert. Eine lückenlose Rückverfolgbarkeit begleitet den gesamten Prozess.

»Wir investieren massiv in Entwicklung und Herstellung unserer neuen Produktlinien, da wir wachsenden weltweiten Bedarf wahrnehmen. Auch Präzision und Qualität werden noch stärker in den Vordergrund rücken – auch hierfür bereiten wir eine Kampagne vor, die Maßstäbe im Bereich Produktgarantie setzen wird«, kündigt Ralph Bischoff, Director von EOS Power, an.

Optimierte Isolation

Bild 3: 100-W-Netzteil der TPP-100-Serie
Bild 3: 100-W-Netzteil der TPP-100-Serie
© Traco

In der Regel werden Schaltnetzteile bis 100 W gemäß der kostengünstigen Flyback-Schaltungstopologie gebaut (Bild 3). Diese Technik stößt bei Schaltnetzteilen für den Medizinbereich jedoch an ihre Grenzen. Der Aufbau mit wenigen Komponenten für eine hohe Zuverlässigkeit und der geringe Filteraufwand für die Einhaltung der EMV-Richtlinien wäre zwar wünschenswert, allerdings spricht eine hohe Verlustleistung gegen diese Topologie. Medizinschaltnetzteile zeichnen sich in erster Linie durch ein verstärktes Isolationssystem aus, einhergehend mit erhöhter Luft- und Kriechstrecke.

Diese konstruktive Gegebenheit wirkt sich jedoch negativ auf den Wirkungsgrad und somit auf die Verlustwärme aus. Entwicklungsingenieure sind also gefordert, bei einer großen Isolationsstrecke und strengen EMV-Richtlinien einen angemessenen Wirkungsgrad zu erreichen, um die Wärmeentwicklung zugunsten einer hohen Zuverlässigkeit und Lebensdauer gering zu halten.

Dabei dürfen die Kosten und die Baugrösse nicht außer Acht gelassen werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Medizingeräte in aller Regel nicht nur in Industriegebieten bis 2000 Meter NHN, sondern auch in höheren Lagen zum Einsatz kommen. Für den Gebrauch bis 5000 Meter NHN muss die Isolationsstrecke zusätzlich um ca. 30 % verlängert werden.

Mit den Schaltnetzteilen der »TPP«-Serie ist es Traco Power gelungen, Sicherheitsanforderungen, Funktionalität, Lebensdauer und Preis zu vereinen. Die Modelle verfügen über eine Isolationsspannung von 4000 V und sind für den Betrieb in medizinischen Geräten bis zu einer Einsatzhöhe von 5000 Meter NHN zugelassen. Zwei für Patientenschutz ausgelegte, unabhängige Isolationen bilden das Isolationssystem zwischen Primär- und Sekundärschaltkreis (2 x MOPP). Infolge der hohen Isolationsdistanz resultiert ein Ableitstrom von unter 100 µA, womit diese Schaltnetzteile in Applikationen der Klassifizierung BF (Body Floating) eingesetzt werden können. Als sicherheitskritische Komponenten sind alle Geräte nach dem Medizin-Sicherheitsstandard IEC/EN/ES 60601-2 3rd Edition (einschließlich Risk Analysis Report) zugelassen und werden unter den Kriterien der IPC-A-610 Class 3 gefertigt.

Mit einem Wirkungsgrad von über 90 % wird die Verlustwärme soweit in Grenzen gehalten, dass die Geräte auch bei einer Umgebungstemperatur von über +50 °C noch zuverlässig bei Volllast betrieben werden können. Die Komponenten wurden so ausgewählt, dass diese selbst bei Volllast weit unter der zulässigen Maximaltemperatur betrieben werden, womit sich die Lebensdauer wegen der geringen thermischen Beanspruchung nicht wesentlich verkürzt. Der hohe Wirkungsgrad erlaubt zudem eine kompakte Bauweise, was sich auch positiv auf Stoß- und Vibrationsfestigkeit auswirkt. Der Eingangsspannungsbereich ist mit 85 V bis 264 V für weltweite Nutzung ausgelegt. Die Modelle sind mit Einzel-, Doppel- oder Dreifachausgang verfügbar, wobei die Hauptspannung im Bereich von ±10 % einstellbar ist.
 


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