Goldene Passivheizung

Brillengläser, die nicht mehr beschlagen

13. Dezember 2022, 12:19 Uhr | Ute Häußler
Gesichtsmasken können im Winter zu einer beschlagenen Brille führen. Bei dieser Brille trägt das linke Glas die neue Antibeschlags-​Nanobeschichtung. Das rechte Glas ist unbeschichtet.
© ETH Zürich

Passend zum Winter haben ETH-Forschende eine Gold-​Nanobeschichtung entwickelt, die Brillengläser mit Sonnenlicht aufheizt. Selbst bei hoher Luftfeuchtigkeit schützt die Heizung vor nervigem Beschlagen.

Forschende der ETH Zürich haben eine hauchdünne transparente Beschichtung aus Gold entwickelt, die Sonnenlicht in Wärme umwandeln kann. Sie kann zum Beispiel auf Brillengläsern oder Autoscheiben aufgebracht werden und damit deren Beschlagen verhindern. Die technisch recht einfache Beschichtungsmethode ist keine Raketenwissenschaft, sondern wird in der Industrie bereits genutzt, die ETH hat ein Patent angemeldet. In einem Reinraum im Vakuum werden kleinste Mengen Gold auf die Oberfläche aufgedampft.

Absorbiert Infrarotstrahlung

Speziell an der neuen Beschichtung ist, dass sie die Sonnenstrahlung selektiv absorbiert. Die Energie des Sonnenlichts steckt zur Hälfte in der Infrarotstrahlung und zur anderen Hälfte im sichtbaren Licht beziehungsweise der UV-Strahlung. »Unsere Beschichtung absorbiert einen grossen Teil der Infrarotstrahlung und heizt sich dadurch auf – um bis zu acht Grad Celsius«, erklärt ETH-Doktorand Iwan Hächler, der die Entwicklung massgeblich vorangetrieben hat. Strahlung im sichtbaren Bereich hingegen lässt sie durch. Dies ist der Grund, warum die Beschichtung transparent ist.

Die neue Beschichtung nutzt einen anderen Ansatz als konventionelle Antibeschlagmethoden: Herkömmlicherweise werden Oberflächen oft mit wasseranziehenden (hydrophilen) Molekülen beschichtet. Dadurch verteilt sich kondensiertes Wasser gleichmässig auf der Oberfläche. Antibeschlagssprays funktionieren so. Die neue Methode hingegen heizt die Oberfläche auf und verhindert so, dass Luftfeuchtigkeit an der Oberfläche kondensiert. Heckscheibenheizungen im Auto funktionieren ebenfalls so. Das Heizen mit Strom ist allerdings ineffizient, wie Hächler betont. Im Gegensatz dazu heizt die neue Beschichtung allerdings passiv und benötigt bei Sonnenschein keine zusätzliche Energie.

 

 

Medizintechnik Brillenheizung Nano-Beschichtung Gold
© ETH Zürich

Dünner, effizienter, biegsam

Die ETH-​Professoren Poulikakos und Schutzius und ihre Teams arbeiten schon seit mehreren Jahren an Oberflächenbeschichtungen, die sich passiv erwärmen. Eine erste Forschungsarbeit zu einer Goldbeschichtung, die das Beschlagen transparenter Oberflächen verhindert, veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor drei Jahren (ETH-​News berichtete). Die nun präsentierte Beschichtung hat gegenüber der ersten mehrere Vorteile: Sie ist aus weniger Schichten aufgebaut und deutlich dünner. Dadurch ist sie transparenter sowie biegsam. Ausserdem ist sie effizienter und transparenter, weil sie selektiv Infrarot absorbiert.

Gold ist zwar teuer. Allerdings wird davon so wenig benötigt, dass die Materialkosten trotzdem tief sind, wie die Forschenden betonen. Die Beschichtung ist nach dem Sandwich-​Prinzip aufgebaut. Kleinste und extrem dünne Cluster aus Gold befinden sich zwischen zwei Schichten aus Titandioxid, einem elektrisch isolierenden Material. Diese beiden Schichten erhöhen aufgrund ihrer Lichtbrechungseigenschaften die Wirksamkeit der Wärmegewinnung. Ausserdem dient die obere Titandioxid-​Schicht wie ein Lack dem Schutz der Goldschicht vor Abrieb. Die ganze Sandwichbeschichtung ist bloss zehn Nanometer dünn. Zum Vergleich: Blattgold ist etwa zwölfmal dicker.

Die einzelnen Gold-Cluster berühren sich seitlich geringfügig. Dadurch ist die Goldschicht elektrisch leitend. Ohne Sonnenlicht wäre es somit möglich, die Beschichtung dennoch mit Strom zu heizen. Die Forschenden werden die Beschichtung nun für Anwendungen weiterentwickeln. Dabei werden sie auch untersuchen, ob sich andere Metalle ebenso gut eignen wie Gold. Neben Brillen und Autoscheiben könnte dieses Antibeschlagsprinzip überall dort angewendet werden, wo etwas geheizt werden muss und gleichzeitig transparent sein soll, etwa bei Gebäudefenstern, Spiegeln oder optischen Sensoren. (uh)

Erstellt mit Material der ETH Zürich.


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