Medizinelektronik

Jenseits der Grenzen der Miniaturisierung

21. Februar 2022, 10:30 Uhr | TU Chemnitz
Die kleinste Batterie der Welt ist kleiner als ein Salzkorn und kann in großen Stückzahlen auf einer Wafer-Oberfläche hergestellt werden.
© TU Chemnitz/Leibniz IFW Dresden

Swiss-Roll-Verfahren ermöglicht On-Chip-Batterien für Implantate

Mit einer neuen Methode haben Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität Chemnitz aufladbare Mikrobatterien im tiefen Submillimeter-Maßstab hergestellt. Diese können die weltweit kleinsten Computerchips für etwa zehn Stunden mit Energie versorgen – zum Beispiel um die lokale Umgebungstemperatur kontinuierlich zu messen. Die winzige Batterie hat ein großes Potential für zukünftige mikro- und nanoelektronische Sensorik und Aktorik im Bereich der miniaturisierten medizinischen Implantate.

Computer in Staubkorngröße

Computer werden immer kleiner, man denke nur an das Smartphone oder Smartwatches – und der Trend zur Miniaturisierung setzt sich fort. Im Extremfall verlangen winzige sowie smarte mikroelektronische Geräte – sogenannte »Smart-Dust-Anwendungen« – wie beispielsweise biokompatible Sensoriken im Körper nach noch viel kleineren Computern und Batterien im Submillimeter-Bereich. Das sind Systeme, die kleiner sind als ein Staubkorn.

Diese Entwicklung wurde bisher vor allem von zwei Faktoren gebremst: Vom Größenunterschied zwischen Mikroelektronik sowie der für einen autonomen Betrieb nötigen Mikrobatterie auf der einen Seite und von der Herstellung einer solchen Batterie nach möglichst platz- und ressourcenschonenden Kriterien auf der anderen Seite.

In der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Advanced Energy Materials stellen Prof. Dr. Oliver G. Schmidt, Inhaber der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik sowie Wissenschaftlicher Direktor des Zentrums für Materialien, Architekturen und Integration von Nanomembranen (MAIN) an der Technischen Universität Chemnitz, Dr. Minshen Zhu gemeinsam mit Forscherinnen und Forschern des Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) Dresden sowie des Changchun Instituts für Angewandte Chemie eine Lösung für diese Herausforderungen vor. Sie zeigen, wie batteriebetriebene Smart-Dust-Anwendungen im Submillimeter-Bereich realisierbar sind und präsentieren die mit Abstand kleinste Batterie der Welt als funktionsfähigen und anwendungsnahen Prototypen.

Energiewende bei Implantaten

Die Energie für den Betrieb winziger Computer im Submillimeterbereich kann entweder durch die Entwicklung entsprechender Batterien oder durch Harvesting-Verfahren zur Energiegewinnung und Umwandlung bereitgestellt werden. Im Bereich des Harvestings wandeln beispielsweise mikrothermoelektrische Generatoren Wärme in Elektrizität um, aber ihre Ausgangsleistung ist zu gering, um staubgroße Chips anzutreiben. Mechanische Vibrationen sind eine weitere Energiequelle für die Energieversorgung von Geräten im winzigen Maßstab. Am vielversprechendsten sind kleine Photovoltaik- und Solarzellen, die Licht in elektrische Energie auf kleinen Computerchips umwandeln.

Das Problem: Licht und Vibrationen stehen aber nicht zu jeder Zeit an jedem Ort zur Verfügung, sodass ein bedarfsgesteuerter Betrieb in vielen Umgebungen unmöglich ist, so zum Beispiel auch im menschlichen Körper, wo winzige Sensoren und Aktuatoren eine kontinuierliche Stromversorgung benötigen. Leistungsstarke Mini-Batterien würden dieses Problem lösen.

Die Herstellung winziger Batterien unterscheidet sich allerdings gravierend von ihren aus dem Alltag bekannten Pendants. So werden kompakte Batterien mit hoher Energiedichte wie Knopfzellen mittels Nasschemie hergestellt. Elektrodenmaterialien und Zusatzstoffe (Kohlenstoffmaterialien und Bindemittel) werden zu einer Aufschlämmung verarbeitet und auf eine Metallfolie aufgetragen. On-Chip-Mikrobatterien, die mit solchen gängigen Technologien hergestellt werden, können zwar eine gute Energie- und Leistungsdichte liefern, haben aber eine Grundfläche von deutlich mehr als einem Quadratmillimeter.

Tesla-Technologie geschrumpft

Für die On-Chip-Herstellung von Batterien kommen gestapelte Dünnschichten, Elektrodensäulen oder ineinandergreifende Mikroelektroden zum Einsatz. Diese Konstruktionen leiden jedoch häufig unter einer geringeren Materialqualität und die Grundfläche der Batterien kann nicht deutlich unter einen Quadratmillimeter reduziert werden, sodass nicht für ausreichend gespeicherte Energie gesorgt werden kann. Kurz gesagt: Die Batterien haben nicht genug Leistung und benötigen zu viel Platz. Das Ziel des Forschungsteams war es daher, eine Batterie zu entwerfen, die direkt in einen Chip integriert werden kann, deutlich weniger als einen Quadratmillimeter Platz in Anspruch nimmt und eine Mindest-Energiedichte von 100 Mikrowattstunden pro Quadratzentimeter besitzt.

Dazu haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Aufwickeln von Leiter- und Elektrodenbändern – das Verfahren nutzt zum Beispiel auch Tesla bei der Herstellung der Akkus für seine E-Autos – auf die Mikroskala übertragen. Hier kommt das sogenannte »Swiss-Roll« beziehungsweise »Mikro-Origami-Verfahren« zum Einsatz. Durch das abwechselnde Aufbringen einiger weniger dünner Lagen aus polymerischen, metallischen und dielektrischen Materialien auf einer Wafer-Oberfläche entsteht ein unter Spannung stehendes Schichtsystem. Diese mechanische Verspannung kann durch das gezielte Ablösen der dünnen Lagen freigesetzt werden, sodass sich die Schichten von selbst zu einer Swiss-Roll-Architektur aufrollen. Es müssen also keine externen Kräfte aufgewendet werden, um die gewickelten Batterien zu erzeugen. Das Verfahren ist kompatibel mit etablierten Methoden der Chip-Industrie und daher in der Lage, Batterien mit hohem Durchsatz auf einer Wafer-Oberfläche zu erzeugen.

Mikro-Katheter made in Chemnitz

Schmidt forscht aber nicht nur im Bereich Miniatur-Stromversorgung. Vor kurzem präsentierte er einen Mikro-Katheter für die minimalinvasive Chirurgie. Dessen Spitze ist mit einem winzigen Greifinstrument ausgestattet, mit dem der IMK mikroskopische Objekte fassen und bewegen kann. Mögliche Anwendungen sind das Entnehmen kleinster Gewebeproben oder Blutgerinnsel. 


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu TU CHemnitz